Panzer, Flammenwerfer, Maschinengewehre: Der Erste Weltkrieg gilt als erster moderner Krieg. In den vier Jahren starben rund 17 Millionen Menschen. Die Soldaten in den Schützengräben erlebten das pure Grauen. Ihre Briefe und Tagebücher geben drastische Einblicke in den Horror an der Front.
Jubelnd zogen viele junge Männer in den Krieg, der Europa für immer verändern sollte. Doch die anfängliche Begeisterung wich bald der Erkenntnis, dass es nicht mit einem kurzen Waffengang getan sein würde. Es entfaltete sich ein grausamer Stellungskrieg. Statt heldenhafter Kämpfe Mann gegen Mann, wie sie einige Generäle wohl noch von vergangenen Kriegen kannten, bestimmte eine nie dagewesene Technisierung das Geschehen. Zehntausende Soldaten wurden im Ersten Weltkrieg von gegnerischen Maschinengewehren und Splittergranaten in den Tod geschickt.
"Schüsse knallen, sausen einem an den Ohren vorbei"
Leutnant Kurt Hundt beschreibt einen Angriff vor der französischen Stadt Givenchy in seinem Kriegstagebuch: "Es ist doch ein eigentümliches Gefühl und gehört ein heroischer Entschluss dazu, nun auf einmal den deckenden Schützengraben zu verlassen und sich in ganzer Leibesgrösse einem vielfachen Tode entgegen zu werfen...Feldwebel Magalla, der gerade ein Tag wieder nach seiner ersten Verwundung zu seiner Kompanie zurückgekommen war, springt, vor, mit Kopfschuss blieb er im selben Augenblick tot liegen... Schüsse knallen, sausen einem an den Ohren vorbei, hier schreit einer auf, man hört und sieht nichts, hat nur den einen Willen vorwärts!"
Schon ein paar Wochen zuvor musste er ansehen, was das moderne Kriegsgerät anrichten kann: "O' grauenvoller Anblick...Menschliche Gebeine, einzelne Körperteile überall, wohl 2.000 Tote lagen auf verhältnismässig kleinem Raum, kein Quadratmeter, wo nicht ein Schwarzer lag. Klägliche, zusammengeschossene, lebende Jammergestalten hatten sich am Weg zusammen gefunden und schrien nach Arzt und Wasser."
Immer wieder boten sich den Soldaten grausame Bilder. Leutnant Gottfried Rinker, an der Ostfront im Einsatz, schrieb in sein Tagebuch: "Der Feind, dem zur Flucht keine Zeit mehr geblieben war, verteidigte sich im und beim Bahnhof. Ein furchtbares Gemetzel begann. Die uns zugeteilten Ukrainer machten alle Gefangenen nieder. Im Wartesaal lagen die Leichen geschichtet." Viele Soldaten stumpften ab. In ihren Tagbüchern notierten einige, wie man absichtlich auf Verwundete schoss, die gerade auf Bahren vom Schlachtfeld getragen wurden. Auch die Plünderung von Leichen war alltäglich.
Chlorgas und Flammenwerfer
Besonders heimtückisch waren die neuentwickelten Waffen. In der Nähe von Ypern setzen deutsche Truppen zum ersten Mal in grösserem Umfang Chlorgas ein. Später nutzten es auch die anderen Mächte. Zehntausende kamen so zu Tode, etwa eine Millionen Soldaten wurden durch das Gas schwer geschädigt.
Auch Rinker erlebte solche Gasangriffe: "Der Gegner schoss Gasgranaten und Gasminen. Wir mussten uns Wattebäuschchen (mit einer Flüssigkeit getränkt) unter die Nase binden. Dann machte der Franzmann einen Gegenangriff. Die Hölle tobte zeitweilig. Der Graben füllte sich mit Verwundeten und Toten."
Eine weitere der neuen Höllenmaschinen: der von einem deutschen Ingenieur entwickelte Flammenwerfer. "Wir liefen in MG-Feuer hinein und mussten uns in freiem Gelände hinlegen. Bald hatte ich eine Gruppe verloren...Da setzte der Gegner einen Flammenwerfer ein. Ein Mann meines Zuges verbrannte bei lebendigen Leibe", schreibt Leutnant Rinker in sein Tagebuch.
Traumatisiert durch den Krieg
In den Schlachten wurden die Leute für wenige Meter Geländegewinn verheizt. Allein bei Verdun starben mehr als eine halbe Million Soldaten. Der Horror betraf die Menschen auf allen Seiten. "Verdun kann man unmöglich beschreiben... es gibt keine Worte mehr dafür", schreibt der Franzose Paul Pireaud in einem Brief. "Es gibt keinen Wald mehr. Zerborstene Bäume ähneln Telegrafenmasten. Es ist die komplette Zerstörung. Nicht ein Stückchen Land blieb verschont. Um es verstehen zu können, muss man es gesehen haben. Es ist unvorstellbar...Ich frage mich, wie ich es noch aushalten soll. Nach all dem ist man völlig abgestumpft. Männer schauen einander mit wilden Blicken an. Es kostet Mühe, überhaupt ein Gespräch zu führen."
Wer den Krieg überlebte, war oft stark traumatisiert. Nach seiner Einlieferung in ein Lazarett notiert Leutnant Hundt: "In der Nacht hörten wir in der Ferne donnernd das dumpfe Rollen der Kanonen und konnte man das Schiessen mit den zerrütteten Nerven kaum aushalten. An der Front hatte man nichts davon gewusst, erst jetzt kam die Reaktion und merkte man den seelischen Zusammenbruch."
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