Der Erste Weltkrieg gilt als Nährboden vieler Brandherde des 20. und sogar des 21. Jahrhunderts. Doch wieso gelang es nach 1918 nicht, dauerhaft Frieden zu schaffen?

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Der Erste Weltkrieg kostete von 1914 bis 1918 nicht nur mehr als 16 Millionen Menschen das Leben. Ohne die Vorgeschichte des Grossen Kriegs wären viele aktuelle Krisenherde auf der ganzen Welt kaum denkbar. Aber welche Ereignisse waren ausschlaggebend für die schicksalshafte Entwicklung, die nur zwei Jahrzehnte später - wieder von Europa ausgehend - in einen zweiten Weltkrieg münden sollte?

Das Epochenjahr 1917

Der Erste Weltkrieg war schon durch den uneingeschränkten Einsatz von Chlorgas und U-Booten eskaliert. Mit dem Eintritt der USA nahm der Krieg noch einmal neue Dimensionen an. Die mehr als zwei Millionen US-Soldaten brachten letztelich allerdings auch die Wende: Die USA stiegen durch ihr Engagement letztlich von einer industriellen Grossmacht zur Weltmacht auf.

Bis es soweit kommen sollte, galt es, die Hauptverbündeten der Mittelmächte zu zerschlagen - das Deutsche Reich sowie Österreich-Ungarn. In Deutschland ist Anfang 1917 von Vernichtungskrieg und mangelndem Verhandlungswillen des amerikanischen Präsidenten, Woodrow Wilson, die Rede; die Stimmung ist mehr als gereizt. Infolgedessen brechen die USA ihre diplomatischen Beziehungen zu den Deutschen ab. Im April stimmen beide Häuser des Kongresses mit grosser Mehrheit für eine militärische Intervention und erklären dem Deutschen Kaiser den Krieg.

Dass es im dritten Jahr des Kriegs aber überhaupt zu einer weiteren Eskalationsstufe kommt, liegt an den neuen Entwicklungen an der Ostfront: Wirtschaftlich schwächelt Russland seit geraumer Zeit, aber vor allem die Nahrungsmittel sind knapp: Die Bevölkerung hat Hunger. Schliesslich entladen sich die sozialen und politischen Spannungen in der Februarrevolution. Währenddessen wird die Herrscherfamilie Romanow gestürzt und die Zarenherrschaft in Russland beendet.

Das darauf folgende Nebeneinander von Parlamentariern sowie Arbeiter- und Soldatenräten hält nicht lange: Im Oktober desselben Jahres reissen die Bolschewiken gewaltsam die Macht an sich und begründen die künftige kommunistische Supermacht. Fünf Monate später schliesst das neu errichtete Sowjetrussland mit den Mittelmächten den Friedensvertrag von Brest-Litowsk. Damit scheidet Russland aus dem Krieg aus.

Die Politisierung der Massen

Kriegsbedingte sozioökonomische Umwälzungen und territoriale Veränderungen sind wenig überraschend. Allerdings kam es in fast jedem am Kriegsgeschehen beteiligten Land bis 1918 neben enormen Verlusten und materiellen Schäden zu ausserordentlichen gesellschaftspolitischen Zäsuren. Während Russland und die USA im Ersten Weltkrieg den Grundstein für ihre spätere globale Vorherrschaft legten, folgte auf den Zusammenbruch der Monarchien in Deutschland und Österreich-Ungarn ein politisches Machtvakuum. Finnen, Polen, Litauer, Esten, Letten, Tschechen und Slowaken sowie die Balkanvölker fanden mit dem Krieg zu nationalen Hochgefühlen, die neues Konfliktpotential bargen.

Auch in anderen Regionen hinterliess der Erste Weltkrieg sowohl auf internationaler Ebene eine neue Ordnung als auch andere innerstaatliche Kräfteverhältnisse. Im Nahen Osten entstanden neue Länder, darunter die Republik Türkei 1923 als Nachfolgestaat des Osmanischen Reichs. Und noch während der Kriegswirren 1916 hatten Frankreich und Grossbritannien ihre Einflussgebiete im heutigen Israel, Jordanien, Libanon, Irak, Iran und Syrien durch willkürliche Grenzziehungen untereinander aufgeteilt. Mit der Mandatsübernahme der Briten in Palästina 1920 zerschlugen sich zudem insbesondere jüdische, aber auch arabische Hoffnungen auf das Gelobte Land. Ohne die Einwirkungen des Ersten Weltkriegs würden die politischen und religiösen Landkarten Europas und des Nahen Ostens heute also mit Sicherheit anders aussehen.

Die Last des Vertrags von Versailles

Mit dem Vertrag von Versailles vom 28. Juni 1919 scheiterte US-Präsident Wilsons Traum von Frieden und einer neuen Weltordnung. Zu hoch war die gesellschaftspolitische und ökonomische Bewährungsprobe, die den Deutschen damit aufgeladen wurde – doch erkennen wollten die Siegermächte das nicht. Reparationszahlungen in Höhe von mehreren Milliarden Goldmark pro Jahr – die letzte Rate wurde am 3. Oktober 2010 beglichen –, eine unkontrollierbare Hyperinflation und die Weltwirtschaftskrise 1929 zwangen die zerbrechliche Demokratie der Weimarer Republik in die Knie. Schliesslich spielten auch Gebiets- und Bevölkerungsverluste den nationalen Rechten in die Hände.

Wie sehr der Erste Weltkrieg noch heute im Denken Europas nachwirkt, lässt sich an einem Zitat veranschaulichen: Der italienische Journalist und Autor Eugenio Scalfari sagte 2012 in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit": "Wenn Deutschland eine Finanzpolitik betreibt, die den Euro scheitern lässt, dann wären die Deutschen für das Scheitern Europas verantwortlich. Das wäre die vierte Schuld nach den Weltkriegen und dem Holocaust."

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