UNO-Menschenrechtsrat, effizientere Verwaltung, Efforts für Frieden und Sicherheit, Anstoss eines globalen Migrationspaktes: Die Schweiz ist innerhalb der UNO sehr aktiv, was Reformen und neue Projekte betrifft. Nun liegt ein neuer, "revolutionärer" Vorschlag auf dem Tisch: ein Weltparlament.

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Es ist Daniel Jositsch, der die Vision eines Weltparlaments in der Schweiz auf die politische Bühne bringt. Der Strafrechtsprofessor aus Zürich, der für die Sozialdemokraten in der kleinen Kammer des Schweizer Parlaments sitzt, hat einen entsprechenden Vorstoss angekündigt.

Darin fordert Jositsch die Schweizer Regierung auf, die Schaffung eines Weltparlaments zu prüfen. Das laut ihm "revolutionäre" Projekt könnte dazu beitragen, die seit Jahren herrschende Krise des Multilateralismus, die sich mit der isolationistischen Politik von US-Präsident Donald Trump weiter verschärft, zu überwinden.

Das Weltparlament würde ein Gegengewicht bilden zur UNO-Vollversammlung der Mitgliedsländer.

Was genau steckt hinter der Idee? Wie stehen die Chancen, dass es einmal ein solches Weltparlament gibt? #DearDemocracy hat den Zürcher Ständerat und Rechtsexperten dazu befragt.

Woher stammt die Idee?

"Sie kommt nicht von mir, sondern von Organisationen, die sie teils seit langem vertreten. Eine davon ist 'Democracy without Borders' ('Demokratie ohne Grenzen'), wo ich Mitglied bin.

Die Digitalisierung hat jetzt aber eine neue Dynamik entfacht. Die wird koordiniert. Am kommenden 4. Juli behandelt der Europarat einen Vorstoss, wonach alle Mitgliedstaaten das Projekt eines Weltparlaments unterstützen sollen."

Wie würde das Weltparlament tagen?

"Dank der Digitalisierung kann ein Parlament heute global tagen, losgelöst von einem realen Versammlungsort. Alle, die ein Smartphone oder einen Computer besitzen, könnten theoretisch schon heute Nachmittag auf Facebook elektronisch über ein globales Referendum abstimmen."

Was ist revolutionär an einem Weltparlament?

"Die Nationalstaaten wurden im 19. Jahrhundert mit der Idee gegründet, Probleme auf ihrem jeweiligen Territorium zu lösen. In den letzten Jahrzehnten tauchten globale Probleme auf, die nicht mehr national gelöst werden können.

Die UNO ist, wie der Name sagt, immer noch die Vereinigung der Nationen. Doch obwohl die Globalisierung längst Realität ist, gibt es immer noch keinen globalen Regulator.

Innerhalb der UNO versucht jedes Land, für sich eine optimale Lösung zu erreichen. Käme ein Bundesrat von der UNO-Generalversammlung mit der Botschaft zurück, die erzielte Lösung sei zwar schlecht für die Schweiz, dafür aber gut für die Welt, würde er hart kritisiert."

Wer wäre Mitglied?

"Es geht nicht darum, wie viele Vertreter China schicken würde und wie viele die Schweiz. Vielmehr darum, dass die Bevölkerung angemessen vertreten ist. Dabei kann es auch um andere Gruppen als Nationalitäten gehen, z. B. um das Geschlecht."

Könnte die Demokratie Schweiz ein Vorbild sein?

"Meine Vorstellung geht dahin, dass die Mitglieder des Weltparlaments Gruppen vertreten wie Arbeitnehmer, Homosexuelle, Ältere usw., wie dies im schweizerischen System der direkten und parlamentarischen Demokratie der Fall ist. Nur dass dieser Weltparlaments-Vertreter ein Schotte oder eine Chinesin sein kann."

Wann wird das Weltparlament Realität sein?

"Es ist notwendig, dass wir heute die Umwelt- und die Klimaprobleme lösen. Es herrscht Einsicht, dass hier etwas passieren muss. 1989 stellte ich fest, dass der Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs schneller kam als gedacht. Beim Weltparlament könnte es genauso gehen."

Dieser Beitrag ist Teil von #DearDemocracy, der Plattform für direkte Demokratie von swissinfo.ch. Hier äussern nebst internen auch aussenstehende Autoren ihre Ansichten. Ihre Positionen müssen sich nicht mit jener von swissinfo.ch decken.

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