Seit Jahren warten die Westbalkan-Staaten Serbien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Albanien und Montenegro darauf, Mitglied in der EU werden zu dürfen. Doch mit der Ukraine ist jetzt ein neuer, aussichtsreicher Kandidat hinzugekommen. Wie stehen die Chancen der sechs?
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union kommen am Mittwoch in Brüssel mit den sechs Westbalkan-Staaten zu einem Gipfel zusammen. Die Länder sitzen teils seit Jahren im Wartesaal der EU und fürchten, dass ihnen die Ukraine den Rang abläuft.
Serbien (6,7 Millionen Einwohner)
Serbiens
Das nach Einwohnern grösste Westbalkanland Serbien ist seit 2012 EU-Beitrittskandidat, knapp zwei Jahre später begannen die Beitrittsgespräche. Bisher wurden 22 von 35 sogenannten Verhandlungskapiteln eröffnet, vorläufig abgeschlossen sind erst zwei.
Problematisch ist vor allem Serbiens Verhältnis zum Kosovo. Belgrad erkennt die Unabhängigkeit der ehemaligen serbischen Provinz bis heute nicht an. Im September kam es zu Gewalt mit mehreren Toten im Nordkosovo, die Nato verstärkte deshalb ihre Kfor-Schutztruppe.
Skeptisch sieht Brüssel auch das enge Band Serbiens zu Russland. Die EU ruft Belgrad immer wieder auf, die gegen Moskau verhängten Sanktionen umzusetzen.
Kosovo (1,9 Millionen Einwohner)
Präsidentin Vjosa Osmani wird zum Gipfel in Brüssel erwartet. Das mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 2008 für unabhängig von Serbien erklärt, knapp ein Jahrzehnt nach dem Kosovokrieg. Wegen des Konflikts mit Belgrad gilt es nur als "potenzieller" Beitrittskandidat. Die EU-Kommission verweist zudem auf politische Instabilität, Korruption und organisiertes Verbrechen.
Neben Serbien erkennen auch fünf EU-Staaten die Unabhängigkeit des Kosovo aus Furcht vor Abspaltungen nicht an: Spanien, Griechenland, Rumänien, die Slowakei und Zypern. Der Weg Richtung EU ist damit versperrt, denn er erfordert den Konsens der 27. Dafür hat die EU Erleichterungen beim Reisen beschlossen: Ab Januar brauchen Bürger des Kosovo keine Visa mehr.
Bosnien-Herzegowina (3,8 Millionen Einwohner)
Auch Bosnien-Herzegowina gilt nur als "potenzieller" EU-Beitrittskandidat. Das Land hatte die Aufnahme 2016 beantragt, problematisch ist aber die mangelnde Stabilität. Abspaltungs-Bestrebungen gibt es in der serbischen Teilrepublik Republika Srpska. Russlands Präsident Wladimir Putin wird vorgeworfen, diese zu unterstützen.
Zudem kommt es in dem Staatsgebilde, dessen Grundlage der Friedensvertrag von Dayton 1995 war, immer wieder zu Spannungen zwischen muslimischen Bosniern, orthodoxen Serben und katholischen Kroaten.
Österreich und Ungarn dringen dennoch auf den Start von Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina. Deutschland ist dagegen. Berlin verweist auf zahlreiche Reformauflagen, die Bosnien in Justiz oder Verwaltung erfüllen muss.
Nordmazedonien (2,1 Millionen Einwohner)
Nordmazedonien ist bereits am längsten EU-Beitrittskandidat: seit 2005. Der Beginn der Beitrittsgespräche ist seit langem blockiert, derzeit durch Bulgarien. Die Regierung in Sofia fordert eine Verfassungsreform von Nordmazedonien, in der die bulgarische Minderheit anerkannt wird.
Nordmazedonien hat bereits einiges für die Annäherung an die EU getan: Das frühere Mazedonien änderte 2019 sogar seinen Namen, um einen Konflikt mit Griechenland über eine dortige gleichnamige Region auszuräumen. Das ebnete Nordmazedonien ein Jahr später den Weg in die Nato.
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Albanien (2,8 Millionen Einwohner)
Albanien sieht sich als "Geisel" des Dauer-Streits um Nordmazedonien. Die EU will die Beitrittsverhandlungen mit beiden Ländern gleichzeitig eröffnen. Die EU-Kommission hatte beiden Staaten bereits 2018 bescheinigt, die nötigen Reformen umgesetzt zu haben.
Albanien trat 2009 der Nato bei und beantragte im selben Jahr den EU-Beitritt, seit 2014 hat das Land den Kandidatenstatus. Als problematisch gelten die Korruption und die organisierte Kriminalität. Im November schloss Albanien ein Migrationsabkommen mit Italien, Tirana könnte Rom danach knapp 40.000 Geflüchtete pro Jahr abnehmen.
Montenegro (670.000 Einwohner)
Mit dem nach Einwohnern kleinsten Westbalkanland laufen seit 2012 EU-Beitrittsverhandlungen. Von den 35 Kapiteln sind 33 eröffnet und drei vorläufig abgeschlossen. Der im Oktober vereidigten Regierung unter dem Pro-Europäer Milojko Spajic gehören pro-russische und pro-serbische Parteien an. Die EU fordert unter anderem Fortschritte bei der Rechtsstaatlichkeit. © AFP
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