Recep Tayyip Erdogan wird im Herbst offenbar zu einem offiziellen Staatsbesuch nach Berlin kommen. Dann würden dem türkischen Präsidenten erstmals militärische Ehren in Deutschland zuteil, zudem gäbe es ein Staatsbankett. Aus Reihen der Opposition hagelt es Kritik, CDU-Politiker begrüssen den Plan.

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Der voraussichtliche Besuch von Recep Tayyip Erdogan in Berlin, der für Ende September geplant sein soll, sorgt bereits mehrere Wochen im Vorfeld für viele Diskussionen.

Einem Bericht der "Bild"-Zeitung vom Wochenende zufolge verlangt der türkische Präsident das grosse Protokoll. Erdogan wolle zu einem offiziellen Staatsbesuch kommen, der standesgemäss den Empfang durch den Bundespräsidenten mit militärischen Ehren und ein Staatsbankett beinhaltet. Das Blatt beruft sich dabei auf Regierungskreise in Ankara und Berlin. Eine offizielle Bestätigung gibt es dazu noch nicht.

Erdogan war in der Vergangenheit zwar schon einige Male nach Berlin gereist - zuletzt im Jahr 2014 - aber diese Ehren wurden ihm nie zuteil, da es sich bei diesen Reisen um Arbeits- und nicht um Staatsbesuche gehandelt hatte.

Grosse Unterschiede zwischen Staats- und Arbeitsbesuchen

Der Unterschied: Staatsbesuche sind Treffen von Staatsoberhäuptern. Dazu zählen aus deutscher Sicht zum Beispiel Besuche des Bundespräsidenten bei gekrönten Häuptern oder republikanischen Staatschefs.

Bei Arbeitsbesuchen kommen hingegen Regierungschefs oder Staatsoberhäupter auf Einladung der Bundeskanzlerin und nicht des Bundespräsidenten nach Deutschland, meist nach Berlin.

Die Gäste eines Staatsbesuches werden mit höchsten protokollarischen Ehren empfangen. Dazu gehören das Abschreiten einer Ehrenformation des Militärs, ein festliches Staatsbankett und der Begleitschutz durch eine Ehreneskorte.

Staatsbesuche finden auch ohne konkreten Anlass statt und dienen vor allem der Kontaktpflege zwischen den Ländern. Bei Arbeitsbesuchen stehen gewöhnlich konkrete Themen auf der Tagesordnung.

Unterschiede gibt es zum Beispiel auch in der Beflaggung von Fahrtstrecken und Gebäuden. Bei Staatsbesuchen werden deutlich mehr Strassen und Gebäude beflaggt, bei Arbeitsbesuchen nur die besuchten Gebäude.

Kritik aus Reihen der Grünen und der AfD

Da Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Erdogan im April bei einem Telefonat eingeladen hatte, kann sich der türkische Präsident auf das grosse Protokoll berufen. Es wäre der erste Besuch Erdogans als Präsident der Türkei, bis August 2014 hatte er das Amt des Ministerpräsidenten inne.

Bei der Opposition im Bundestag stösst der geplante Staatsbesuch auf Kritik. Cem Özdemir sagte, Erdogan sei "kein normaler Präsident in einer Demokratie" und solle deshalb auch nicht so empfangen werden. Man könne sich seine Gäste nicht immer aussuchen, aber ihm müsse "unmissverständlich klar gemacht werden, dass der Versuch, hier türkisch-nationalistisch-fundamentalistische Parallelstrukturen aufzubauen, nicht geduldet wird", sagte der Grünen-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel lehnt den Besuch ganz ab. Der Deutschen Presse-Agentur sagte sie, für eine Einladung gebe es nach Erdogans "dreister Instrumentalisierung des Fussballers Mesut Özil" nach dem Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft "auch nicht den geringsten Grund". Dagegen spreche auch die "Hasskampagne, mit der Erdogan und seine Clique Deutschland im Zuge der Özil-Debatte überzogen haben".

Graf Lambsdorff: "Kritik am Besuch ist falsch, Kritik an Erdogan ist richtig"

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion, Alexander Graf Lambsdorff, hält den Besuch zwar für notwendig, verlangt aber eine klare Haltung der Bundesregierung. "Kritik am Besuch ist falsch, Kritik an Erdogan ist richtig", erklärte er.

Regierungschefs müssten miteinander reden. Das sei schon eine Frage des Respekts. Aber sie müssten sich auch unbequeme Wahrheiten sagen. "Deshalb muss die Kanzlerin Erdogan unmissverständlich klarmachen, dass wir türkische Parallelsysteme aus Imamen und Geheimdienstlern in Deutschland nicht dulden werden. Genauso muss die Grosse Koalition endlich den Mut aufbringen, das Schauspiel angeblicher EU-Beitrittsverhandlungen ein für alle Mal zu beenden", forderte der FDP-Politiker.

CDU-Politiker fordert Regierung auf, kritische Fragen zu stellen

Der aussenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Jürgen Hardt (CDU), begrüsste den Besuch, forderte aber zugleich die Bundesregierung auf, keine Gelegenheit auszulassen, um dabei auch die kritischen Fragen im gegenseitigen Verhältnis anzusprechen.

So gebe es nach wie vor deutsche Staatsbürger, die ohne Gerichtsverfahren mit nicht nachvollziehbaren Begründungen in der Türkei inhaftiert seien. "Auch dürfen wir von Präsident Erdogan erwarten, dass die Zeiten deutschlandfeindlicher Rhetorik endgültig vorbei sind." Die Rolle der Türkei im Syrienkonflikt bedürfe ebenfalls der dringenden Erörterung, hiess es in einer Mitteilung Hardts vom Sonntag.

Auch EU-Aussenpolitik-Experte Elmar Brok findet die Einladung des Bundespräsidenten an Erdogan richtig: "Wir haben schon ganz anderen Staatsoberhäuptern mit Blut an den Händen den roten Teppich ausgerollt. Wenn wir nur noch mit Demokraten reden wollten, stünde Deutschland bald sehr einsam auf der weltpolitischen Bühne", zitiert die "Bild" den CDU-Politiker.

Kritisch gesehene Staatsbesuche liegen bereits einige Jahre zurück. Im März 2014 begrüsste der damalige Bundespräsident Joachim Gauck den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping in Berlin.

Gauck-Vorgänger Christian Wulff wiederum hatte den damaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew im November 2011 mit militärischen Ehren empfangen.

Nach Informationen des Blattes will Erdogan auch auf einer Veranstaltung zu seinen Landsleuten sprechen. Eine Halle in Berlin werde demnach schon gesucht. (tfr/dpa)


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