Erdogan, Putin, Trump: Auf Angela Merkel machen die Machtspielchen von Alphatier-Politikern offenbar wenig Eindruck. Die Bundeskanzlerin bleibt ihrem besonnenen, unaufgeregten Stil treu. Kritiker sagen, damit wirke sie unterwürfig, Unterstützer loben ihr taktisches Kalkül.

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Wladimir Putin lässt sich schon mal mit freiem Oberkörper beim Reiten ablichten. Recep Tayyip Erdogan schnaubt und schimpft in der Öffentlichkeit lautstark über seine Gegner. Und auch Donald Trump plustert sich gerne auf – als Mann, für den es ein Leichtes sei, sein Land wieder nach oben zu führen.

Was Angela Merkel im Detail über das Verhalten ihrer männlichen Kollegen denkt, ist nicht bekannt. Klar ist, die Bundeskanzlerin, die am Freitag in die USA zu Trump reist, vertritt einen anderen Politikstil. Ohne Macho-Gehabe, ohne Machtrituale, ohne unnötige öffentliche Konfrontationen.

Das "Manager Magazin" beschreibt diese Taktik mit den Worten "charmieren, taktieren, manipulieren". Aber wie erfolgreich ist Merkel damit?

Unaufgeregt ist nicht gleich unterwürfig

Für den Politikwissenschaftler Kristian Brakel steht ausser Frage, dass Merkel nicht so viele Jahre Bundeskanzlerin geblieben wäre, wenn es ihr nicht gelänge, "auch mal auf den Tisch zu hauen."

In der CDU habe die Parteivorsitzende jeden, der ihr gefährlich werden konnte, abgesägt. "Ich habe keine Zweifel, dass Merkel sich durchsetzen kann", sagt der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul im Gespräch mit unserer Redaktion.

Was Merkels Taktik auszeichnet, war zuletzt in der Türkei zu beobachten, als eine mehrstündige Aussprache mit dem türkischen Präsidenten auf dem Programm stand. "Auf der Pressekonferenz im Anschluss war Erdogan für seine Verhältnisse sehr still. Ich vermute schon, dass da relativ offene Worte gesprochen worden sind und Merkel ihm bestimmte Grenzen aufgezeigt hat", sagt Brakel.

Zwei Taktiken gegen Alpha-Männchen

In der Auseinandersetzung mit starken oder stark anmutenden männlichen Politikern sieht der Politikwissenschaftler zwei Handlungsmöglichkeiten. Alphatiere könne man entweder "ruhig und gelassen auflaufen lassen und die ganzen Provokationen ignorieren", weil man nicht in gleicher Stärke dagegen halten wolle.

Die Alternative wäre es, "ein Drohpotenzial aufzubauen und härtere Bandagen anzulegen." Die müssten aber auch mit konkreter Politik unterfüttert sein, so der Experte.

Brakel gibt zu bedenken, dass viele deutsche Politiker, die ein hartes Vorgehen gegen Erdogan gefordert haben, sich nicht klar gemacht hätten, "was es in der Konsequenz bedeuten würde - etwa für die deutsche Wirtschaftspolitik."

Soll heissen: Am Ende geht es Merkel weniger darum, aus einer aktuellen, hitzigen Auseinandersetzung als Siegerin hervorzugehen, sondern darum, die langfristigen Folgen für Deutschland nicht aus den Augen zu verlieren.

Dabei hilft ihr auch ihr Beraterkreis, der laut einer "Zeit"-Analyse "zu einem guten Anteil aus Frauen und aus 'minimalinvasiven Männern'" bestehe, die sich "dem im Kanzleramt vorherrschenden weiblichen Stil anpassen". Und der wird so charakterisiert: "konkurrenzarm, no bullshit, kein Lemmingrennen darum, wer sich am meisten aufreibt".

In ihrem 2012 erschienen Buch "Ungleich mächtig" schrieben die Genderforscherinnen Margreth Lünenborg und Tanja Maier der Kanzlerin einen Führungsstil zu, der nicht durch Machtrituale, sondern durch Arbeit hinter den Kulissen geprägt sei.

Das könnte ein Grund dafür sein, dass die CDU-Vorsitzende auch im Jahr 13 ihrer Kanzlerschaft von manchen noch unterschätzt wird. Während sich die Alpha-Männchen kräftig aufpumpen, bleibt sie "uneitel und pragmatisch", schreibt "Spiegel Online". "Und am Ende ist bei denen schön die Luft raus."

Trump durch die Hintertür beikommen

Wird das auch Donald Trump so gehen, den Merkel am Freitag erstmals in Washington treffen wird? Der neue US-Präsident polterte im Wahlkampf massiv gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Mit Trumps Politikstil, der neben unerwarteten Positionswechseln auch Twitter-Tiraden und mitunter haltlose Verbalattacken umfasst, dürfte eine Vernunftpolitikerin wie Merkel fremdeln.

"Die beste Methode mit Trump umzugehen ist es, ihm zu vermitteln, dass er ein hochgeschätzter Gesprächspartner ist und dass seine Meinung enorm viel zählt", meint Kristian Brakel. Auf der Basis könne die Kanzlerin versuchen, "durch die Hintertür ihre eigene politische Agenda zum Tragen zu bringen".

Schon 2006, wenige Monate nach dem Beginn ihrer Kanzlerschaft, schrieb die "Welt": "Sie macht kühl Politik, mit emotionaler Distanz, unaufgeregt, dabei ungeheuer präsent, interessiert am Detail, extrem strategisch agierend." Und Merkel werde schon immer nachgesagt, sie würde "politische Prozesse vom Ergebnis her denken und planen".

Merkel ist diesem Stil treu geblieben - und auch beim Treffen mit Trump dürfte sie daran festhalten. Wie immer wird sie versuchen, eine Balance zwischen Kritik und Kooperation zu finden.

Eine Angela Merkel, die öffentlich auf den Tisch haut und ihren Amtskollegen aggressiv angeht – das würde einfach nicht passen.

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