25 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion hat der frühere Sowjetpräsident Michail Gorbatschow schwere Vorwürfe gegen den Westen erhoben. Zugleich verteidigte er die Machtpolitik von Wladimir Putin.

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Michail Gorbatschow, der Mann, der das Ende der Sowjetunion einleitete, kritisiert in einem Interview mit der Nachrichtenagentur "Associated Press" den Triumphalismus des Westens und die aktuelle Politik gegenüber Russland.

Anstatt nach dem Ende der Sowjetunion 1991 eine Ära der freundlichen Kooperation einzuleiten, hätten sich die westlichen Staatenlenker angesichts des Zerfalls des langjährigen Feindes freudig die Hände gerieben, erklärt der 85-Jährige.

Die Chance, eine neue gemeinsame Politik zu gestalten, sei versäumt worden. "Die Welt braucht eine Kooperation von Russland und den Vereinigten Staaten", sagt Gorbatschow, der sein Land in den Achtzigerjahren durch Reformen geöffnet hatte. "Gemeinsam können sie die Welt auf einen neuen Weg führen."

Gorbatschow: Russland wird betrogen

Allerdings haben sich die Spannungen zwischen den beiden Grossmächten in den letzten Jahren wieder verschärft. Russland fühlte sich durch die schrittweise Osterweiterung der Europäischen Union und der Nato in seine Einflusssphäre provoziert.

Nachdem Georgien und der Ukraine - zwei früheren Sowjetrepubliken - eine Nato-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt worden war, hatte Moskau militärisch geantwortet. 2008 kam es zum Georgienkrieg, 2014 besetzte Russland die Krim und provozierte damit einen Aufstand in der Ostukraine.
Der Westen reagierte mit Sanktionen, die die russische Wirtschaft in eine Krise stürzten. Die Fronten zwischen Ost und West sind bis heute verhärtet.

"Sie haben Russland mit Vorwürfen überzogen und für alles verantwortlich gemacht", sagt Gorbatschow, der die Annexion der Krim begrüsst, über die westliche Politik. "Und nun gibt es einen Gegenschlag dazu in Russland. Russland will freundliche Beziehungen zu Amerika, aber es ist schwer umzusetzen, wenn Russland sieht, dass es betrogen wird."

Sowjetunion 2.0?

Für viele Russen stellen der Zerfall des Ostblocks und das Ende der Sowjetunion bis heute eine schwere Demütigung dar. Der ehemalige "Welt"-Chefredakteur Stefan Aust spricht vom "Versailles-Syndrom", dem Gefühl einer Niederlage, eines tiefen Falles, einer elementaren Erniedrigung.

Könnte es vor diesem Hintergrund eine Neuauflage der Sowjetunion, eine SU 2.0, geben? Mit der Mehrzahl der Staaten in Russlands nahem Ausland gründete der erste russische Präsident Boris Jelzin in den Neunzigerjahren die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS).

Ziel war ein gemeinsamer Wirtschafts- und Sicherheitsraum. Allerdings verlor die Organisation in den Folgejahren erheblich an Bedeutung.

Putin betonte in einem Artikel der russischen Zeitung "Iswestija" im Jahr 2011, dass er "keine neue Sowjetunion" plane. Ihm schwebe eine eurasische Union nach dem Vorbild der EU und des Schengen-Raums mit freiem Verkehr von Kapital, Dienstleistungen und Arbeitskräften vor.

Tatsächlich kam es 2015 zur Gründung der Eurasischen Wirtschaftsunion. Heute gehören ihr Armenien, Kasachstan, Kirgisistan, Russland und Weissrussland an. Allerdings ist die Einheit unter der früheren Sowjetrepubliken brüchig: Nur das diktatorisch geführte Weissrussland und Armenien stimmten mit Russland gegen eine UN-Resolution, die die Abtrennung der Krim von der Ukraine für ungültig erklärte.

Ein weiteres bedeutendes Bündnis ist die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), der neben Russland und China Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan angehören.

Der Hardliner Robert Kagan, Berater des ehemaligen US-Präsidentschaftskandidaten John McCain, kritisiert die SCO scharf. Er wies darauf hin, dass der Staatenbund in russischen Zeitungen bereits als Anti-Nato und zweiter Warschauer Pakt bezeichnet werde.

Neues russisches Selbstbewusstsein

In den letzten Jahren hat das russische Selbstbewusstsein wieder merklich zugenommen. Im Syrienkrieg mischt Moskau durch militärische Unterstützung des Diktators Baschar al-Assad kräftig mit, um seine Einflusssphäre gegenüber den Amerikanern im Nahen Osten abzustecken.

Nach Hackerangriffen während des US-Wahlkampfs auf E-Mail-Konten von Demokraten und Republikanern steht in diesem Kontext auch der Vorwurf im Raum, die Kreml-Führung habe gezielt Einfluss auf den Ausgang der Präsidentschaftswahl nehmen wollen. Konkrete Beweise über die Indizien hinaus gibt es für diesen Vorwurf bislang aber noch nicht.

Der frühere Regierungsberater Paul D. Miller schrieb im Magazin "Foreign Policy", Wladimir Putin finde im Moment das günstigste internationale Umfeld seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor, um die russische Expansion weiterzuführen.

Er rechnet in den kommenden zwei Jahren mit einer verdeckten russischen Militäroperation im Baltikum, vergleichbar dem Vorgehen in der Ostukraine.

Und Michail Gorbatschow? Der sagt über ein neues russisch-amerikanisches Verhältnis, Donald Trump habe zwar wenig politische Erfahrung, "aber vielleicht ist das ja gut".

Für welche Staaten und welche Staatenlenker, wird sich in den kommenden vier Jahren zeigen.

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