Russlands Präsident Wladimir Putin habe seinem Gegner Alexej Nawalny bloss helfen wollen. Das ist die Kernaussage des Kreml-Chefs, der am Donnerstag zum ersten Mal über den Fall des vergifteten Oppositionspolitikers sprach – etliche Widersprüche inklusive.
Russlands bekanntester Oppositionspolitiker wird mitten in Russland mit einem russischen Nervengift vergiftet, während ihn russische Geheimdienstler auf Schritt und Tritt beschatten.
Aber Präsident
Erneut nannte der Kreml-Chef seinen politischen Gegenspieler
Aber warum dauerte dieser Prozess 48 Stunden, obwohl Nawalny Ehefrau bereits kurz nach der Einlieferung ins Krankenhaus im sibirischen Omsk um eine Verlegung ins Ausland gebeten hatte? Und warum wuselten zu dem Zeitpunkt zahlreiche Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden um die Klinik?
Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch veröffentlichte auf Twitter sogar ein Foto aus dem Büro des Chefarztes des Omsker Krankenhauses. Laut Jarmysch soll es drei Geheimdienstler beziehungsweise Ermittler zeigen. "Sie stellen sich nicht vor. Sie sprechen gerne über abstrakte Themen, sie beantworten keine Fragen zu Alexej", bemerkte Jarmysch.
Die Öffentlichkeit soll verwirrt werden
"Der Gegner und die Öffentlichkeit sollen verwirrt werden. Durch das Verbreiten einer Vielzahl an Behauptungen und 'alternativen Fakten' soll konterkariert werden, was wirklich passiert ist", erklärte der Russland-Experte Stefan Meister unserer Redaktion bereits vergangenen Dezember mit Blick auf den Mord eines georgischen Staatsbürgers in Berlin und die unterschiedlichsten verbreiteten Behauptungen aus Russland.
Auch der Fall Nawalny folgt diesem Schema. Moskau hatte im August betont, dass Putin nicht an der Ausreise beteiligt gewesen sei. Nun sagte Putin in seiner ersten persönlichen Stellungnahme zu dem Fall, er habe damit auf eine schriftliche Bitte der Ehefrau Nawalnys reagiert.
Zudem hatten sowohl der Kreml als auch Ärzte als Grund für das Flugverbot angegeben, dass Nawalny aus medizinischer Sicht nicht transportfähig gewesen sei. Nun nannte Putin plötzlich juristische Hindernisse. Nawalny betonte hingegen, dass es keine solchen Reisebeschränkungen gegeben habe.
Er war am 20. August auf einem Flug in Sibirien zusammengebrochen und wurde zwei Tage später zur Behandlung nach Deutschland ausgeflogen. Nach dem Befund eines Speziallabors der Bundeswehr wurde Nawalny mit dem Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet. Das hätten auch Labors in Frankreich und Schweden bestätigt.
Kreml fordert Beweise – die ihm selber vorliegen könnten
Nachdem Nawalny aus dem Koma erwacht war und sich sein Gesundheitszustand besserte, hatte er Putin persönlich für den Anschlag verantwortlich gemacht. Nawalny erläuterte, dass Russland die Überstellung nach Deutschland stark verzögert habe, weil der Kreml wohl gehofft habe, dass das Gift nach der Ankunft nicht mehr im Körper nachweisbar sein werde.
Putin beklagte am Donnerstag, dass Russland bisher keine Dokumente für ein Verbrechen präsentiert worden seien. "Geben Sie uns Beweise!", sagte er. Zugleich bot er an, dass sich russische Experten an einer möglichen internationalen Untersuchung des Falls beteiligen könnten. Der Kremlchef sagte, dass es in Russland keine Ermittlungen geben könne, solange keine Beweise für ein Verbrechen vorlägen.
All diese Behauptungen sind aus mehreren Gründen falsch:
- Die Omsker Ärzte nahmen Nawalny Blut ab. Diese Proben liegen demnach Moskau genauso vor wie die Kleidung, die dem 44-Jährigen im Krankenhaus abgenommen wurde.
- Zudem existieren Aufnahmen von Überwachungskameras, sei es vom Flughafen oder Nawalnys Hotel, die russische Ermittler auswerten könnten.
- Da Russland wie Deutschland, Frankreich und Schweden Mitglied der Organisation für das Verbot chemischer Waffen ist, hat es auch Zugang zu den Labor-Ergebnissen.
Trotz zahlreicher Ermittlungsansätze im eigenen Land haben russische Strafverfolgungsbehörden bisher nicht mit Untersuchungen begonnen.
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