In der abtrünnigen Kaukasus-Republik Südossetien soll eine Volksabstimmung über den Anschluss an Russland durchgeführt werden. Beobachter befürchten ein ähnliches Szenario wie 2014, als Moskau die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim annektierte.
Über gerade einmal 3.885 Quadratkilometer, das ist kaum mehr als die Grösse des Saarlands, erstreckt sich Südossetien im Süden des Kaukasus-Gebirges. Dennoch hat es die von Georgien abtrünnige Zwergen-Republik erneut in die weltweiten Nachrichten geschafft.
Der russlandfreundliche Präsident Leonid Tibilow kündigte am Dienstag ein Referendum an, in dem die Bevölkerung über den Beitritt zum grossen Nachbarstaat entscheiden soll. Eine klare Mehrheit gilt als wahrscheinlich. Durch eine "Wiedervereinigung" mit Russland könne die Sicherheit des Landes angesichts der gegenwärtigen politischen Realitäten für Jahrzehnte gewährleistet werden, liess Tibilow in einer Erklärung mitteilen. Das Vorgehen sei mit dem russischen Gesandten in Südossetien abgestimmt.
Nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und der Besetzung der Ostukraine im Jahr 2014 zeigt Moskau aussenpolitisch erneut Zähne. Zuletzt hatte Wladimir Putin durch die verstärkte militärische Unterstützung des syrischen Diktators Baschar al-Assad im Kampf gegen Rebellen und den Bau einer Militärbasis in der Antarktis die Grossmachtansprüche Russlands untermauert. Was sind Moskaus Motive, welche geostrategischen Ziele verfolgt es auf diesen Schauplätzen?
Durch Nato-Osterweiterung bedroht
Schon im Kaukasuskrieg zwischen Russland und Georgien im Jahr 2008 ging es um den Status Südossetiens und den der ebenfalls abtrünnigen Republik Abchasien. In Folge des Konflikts erkannte Russland die Unabhängigkeit beider Gebiete an. Auch jetzt unterstützt Wladmir
Zugleich empfindet der Kreml den geplanten Nato-Beitritt des Nachbarlandes Georgien, wie die gesamte Nato-Osterweiterung, als Bedrohung. Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 galt es als undenkbar, dass sich das von den USA geführte Militärbündnis einmal bis an die Grenzen der damaligen Sowjetunion ausdehnen könnte. Heute ist es trotz früherer Warnungen – auch von namhaften US-Politikern wie Ex-Verteidigungsminister Robert McNamara – Realität.
2004 traten Estland, Lettland und Litauen der Nato bei, Georgien und die Ukraine könnten folgen. Es ist sicher kein Zufall, dass Russland ausgerechnet in diesen beiden Staaten seinen Muskeln spielen lässt. "Offenbar soll Georgien so wie auch die Ukraine lernen: Wer es wagt, sich aus dem Herrschaftsbereich der Russischen Föderation zu entfernen, bezahlt mit einem Teil seines Landes", erklärte Marieluise Beck, Russland-Expertin der Grünen, gegenüber ntv.de. Georgiens Aussenminister Gigi Gigiadse verurteilte das geplante Referendum als "schleichende Expansion".
Assad als Mittel zum Zweck
Auch in Syrien verfolgt Russland mit seinem verstärkten militärischen Eingreifen klare Ziele. Die Unterstützung von Präsident
Die USA seien "Dreh- und Angelpunkt russischen aussenpolitischen Denkens". Durch das Syrien-Engagement möchte Putin sein Land aus der internationalen Isolation befreien, die die Krim-Annexion und der Krieg in der Ostukraine bewirkt haben.
Griff nach den arktischen Rohstoffen
Selbst vor dem Nordpol machen die territorialen Ansprüche Russlands nicht halt: Erst vor wenigen Tagen wurde in der Arktis eine Basis für bis zu 150 Soldaten fertiggestellt. Im August hatte Moskau in einem Brief an die UNO seine Ansprüche auf ein 1,2 Quadratkilometer grosses Gebiet geltend gemacht. Hintergrund sind enorme Öl- und Gasvorkommen. Die anderen vier Anrainerstaaten der Arktis (USA, Kanada, Dänemark, Norwegen) erheben ebenfalls Gebietsansprüche auf die Polarregion.
Für weitere expansive Pläne Russlands gibt es derzeit keine Anhaltspunkte. Schliesslich will Moskau nach den internationalen Sanktionen als Folge der Ukraine-Krise wieder als gleichberechtigter Partner auf die weltpolitische Bühne zurückkehren. Dafür darf es die USA und die Europäische Union nicht zu sehr vor den Kopf stossen. Zudem haben die Wirtschaftssanktionen Russland getroffen, weitere Sanktionen sollen vermieden werden.
Vielleicht fielen die ersten Reaktionen aus Moskau zu den neuen Entwicklungen in Südossetien auch deshalb eher verhalten aus.
Ein Termin für das Referendum wurde indes noch nicht bestimmt. Fest steht aber schon eines: Wenn die Abstimmung nicht unter internationaler Aufsicht stattfindet, wird sie völkerrechtlich keine Anerkennung finden. Aber davon hat sich Wladimir Putin ja schon auf der Krim nicht beeindrucken lassen.
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