In einer Rede vor dem Parlament hat der russische Präsident Wladimir Putin die Krim zum Teil seines Landes erklärt – und den Westen scharf attackiert. Wie weit wird er noch gehen? Die Russland-Expertin Margarete Klein erklärt im Gespräch die Hintergründe der neuen Provokation und was der Westen jetzt tun sollte.
Wladimir Putin macht Ernst: In einer Rede erklärte er die Krim zum "unabtrennbaren" Bestandteil Russlands. Dem Westen warf er vor, in der Ukraine eine Grenze überschritten zu haben. Amerikanische und europäische Politiker reagierten empört –die Auseinandersetzung erreicht die nächste Stufe. Auf Russland kämen ernste Konsequenzen zu, sagte der britische Premier David Cameron. US-Vizepräsident Joe Biden nannte die Eingliederung der Krim "nichts anderes als Landraub". Im Interview erklärt die Russland-Expertin Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik, was hinter den verbalen Attacken steckt.
Frau Klein, wie ernst muss man die Worte
Margarete Klein: Die Rede war eine schonungslose Darlegung dessen, wie die russische Führung die Situation sieht. Aus Putins Sicht gab es keinen Bruch des Völkerrechts, er hat betont, dass alles legal und gewaltlos abgelaufen sei. Den Fehler schiebt er stattdessen dem Westen zu. Der habe die Neofaschisten in der Ukraine an die Macht gebracht.
Das sehen Amerikaner und Europäer ganz anders, die beiden Seiten stehen sich scheinbar unversöhnlich gegenüber. Wie konnte es so weit kommen?
Hier spielen vor allem die unterschiedlichen Interessen eine Rolle. Putin hat in seiner dritten Amtszeit sehr klar gemacht, dass sein Ziel die Eurasische Integration ist: Aus der vorhandenen Zollunion soll eine stärkere politische Integration um Russland herum entstehen. Dabei ist die Ukraine ein fester Bestandteil. Als sich das Land nach den Protesten auf dem Maidan stärker Richtung Europa orientierte, hat Russland seine Politik untergraben gesehen und deswegen sehr harsch reagiert. Putins Handeln ist auch ein Signal an die anderen Länder im postsowjetischen Raum, dass sich das Abwenden von Russland nicht lohnt oder zumindest mit sehr hohen Kosten verbunden ist.
Wie weit wird Putin noch gehen: Ist die Krim nur der Anfang?
Die Gefahr besteht, dass es vor allem darum geht, die neue ukrainische Regierung zu destabilisieren, in dem man die ethnische Karte auch dort spielt. Zudem gibt es eine Reihe von Gebieten, in denen eine russische Minderheit lebt, zum Beispiel in Kasachstan oder den baltischen Ländern. Auch hier könnte Russland die ethnische Karte immer wieder punktuell spielen und zum Beispiel die ethnischen Russen zu Demonstrationen mobilisieren. Was Putins konkrete Absichten sind, lässt sich allerdings nur schwer einschätzen.
Putins Rede stiess in vielen Ländern auf Ablehnung und Unverständnis. Droht eine neue Eiszeit zwischen Russland und dem Westen?
Die Beziehungen werden sicher eine Zeit lang abgekühlt bleiben. Es wird Blockaden in vielen Bereichen geben, in denen man eigentlich gemeinsame Interessen hat, wie Afghanistan, beziehungsweise wo beide Seiten darauf angewiesen sind, zu kooperieren wie bei Iran oder Syrien. Regierungskonsultationen werden möglicherweise abgesagt, Wirtschaftssanktionen sind im Gespräch oder Rüstungsverkäufe, die nicht fortgesetzt werden.
Es wird auch über einen Ausschluss Russland aus dem Kreis der G8 diskutiert. Wie sollte der Westen reagieren?
Er sollte eine Drei-Säulen-Politik verfolgen: Das eine sind Sanktionen. Sie wirken nur mittel- bis langfristig, aber sie müssen kommen, schon alleine als Signal, dass man das jetzige Verhalten nicht akzeptiert. Zum zweiten muss die neue ukrainische Führung unterstützt werden, wobei man darauf achten muss, dass ihre Politik die Einheit des Landes stärkt, zum Beispiel durch die Einbeziehung von Kräften aus allen Landesteilen. Drittens sollten weiter auch diplomatische Lösungsversuche mit der russischen Seite gestartet werden, um ihr eine Möglichkeit zum Rückzug zu eröffnen.
Wird denn Putin die Krim wieder zurückgeben?
Im Moment ist das nicht vorstellbar. Er würde innenpolitisch sein Gesicht verlieren.
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