Sie ist schön, reich, privilegiert, ein Lieblingskind der Medien. Von Geburt an gehörte sie zur Machtelite Russlands. Sie tingelt durch russische Talkshows und sagt Dinge, die im Staatsfernsehen sonst ungesagt bleiben. Nun kandidiert sie bei den Präsidentschaftswahlen. Ist die schillernde Xenia Sobtschak eine Alternative zu Wladimir Putin?
Am 18. März gehen die Russen zu den Wahlurnen. Den profiliertesten Putin-Gegner
Sechs verbleibende Kandidaten fordern den amtierenden Präsidenten Wladimir Putin heraus – unter ihnen Marktwirtschaftler, Demagogen, Alt-Kommunisten.
Nur eines eint
Gilt das auch für Xenia Anatoljewna Sobtschak? "Wenn es gut für sie läuft, bekommt sie zwei bis drei Prozent der Stimmen", vermutet Dr. Stefan Meister.
Sobtschak kokettiere regelrecht damit, "dass sie keine Chance hat", sagt der Leiter des Robert Bosch-Zentrums für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Xenia Sobtschak kämpft "gegen alle"
Einen Vorteil hat die 36-Jährige allerdings: Sie hat die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der russischen Medien hinter sich.
Das hat zunächst etwas mit ihrem Wahlkampf-Motto zu tun: Mit der Losung "Gegen alle!" stilisiert sie sich als mutige Kämpferin gegen das System.
Gleichzeitig aber profitiert Sobtschak auch von ihrer Herkunft. Sie ist die Tochter eines höchst einflussreichen Oligarchen: Anatoli Sobtschak verdiente nicht nur viel Geld mit umstrittenen Immobiliengeschäften. Er war als langjähriger Bürgermeister von Sankt Petersburg auch politischer Ziehvater und enger Freund von Wladimir Putin. Tochter Xenia kennt den Präsidenten seit Kindheitstagen persönlich.
Sie selbst agierte zunächst als "It-Girl" der russischen Schickeria. Sobtschak machte mit für russische Verhältnisse freizügigen Bikini-Fotos von sich reden. Sie war beim russischen "Big Brother"-Ableger dabei und wurde von der Regenbogenpresse als "russischen Paris Hilton" gefeiert.
Doch in ihren "wilden Jahren" scheint Xenia Sobtschak auch ein politisches Bewusstsein entwickelt zu haben - und Ansichten, die nur wenige Russen mit ihr teilen.
"Sie ist Kandidatin einer kleinen Minderheit", sagt Experte Stefan Meister. Sobtschaks Eintreten für Homosexuellen-Rechte, für europäische Werte, für die Freigabe von Drogen sichere ihr hohe Aufmerksamkeit. Doch mit solchen Ansichten repräsentiere sie lediglich eine "städtische Sicht", mit der sie in Russland kaum Stimmen gewinnen könne. "Bis die russische Gesellschaft so liberal wird – da kann sie lange warten!"
Putin will internationale Anerkennung für die Wahl
Doch so sehr sich Sobtschak offensiv "gegen alle" wendet, macht sie sich möglicherweise gerade damit für Putin nützlich. Denn in Russland sei vielen Menschen klar, so Meister, "dass die Präsidentenwahl eine Farce ist".
Putins Sieg scheint gewiss. 70 Prozent der Wählerstimmen, so prognostizierten Meinungsforscher, werde er erhalten. Doch das genügt dem Autokraten nicht. Er braucht eine Wahl, die international als demokratisch angesehen wird.
Und da kommt Xenia Sobtschak ins Spiel: Sie solle, vermutete Meister, "Pluralität demonstrieren, als liberales Feigenblatt dienen".
Die hohe Aufmerksamkeit der Medien für eine kämpferisch erscheinende Kandidatin, so könnte Putins Kalkül lauten, werde seinen Sieg nicht gefährden, aber für eine höhere Beteiligung sorgen und so der Wahl in Russland und international mehr Gewicht geben.
Möglicherweise werde ihr offensives Auftreten auch einen Teil jener Wähler beruhigen, die über Alexei Nawalnys Ausschluss von der Wahl erbost sind. Sobtschak, meint Meister weiter, sei damit "wichtig geworden für die Legitimation des Systems."
Kennzeichnend für Sobtschaks Wahlkampf ist – trotz ihrer mutig und respektlos anmutenden "Gegen alle"-Parole – dass sie den Amtsinhaber nicht angreift.
Sie kritisiert vieles, doch nie den Präsidenten persönlich. Das macht ihren grossen Unterschied zum suspendierten Kandidaten Alexei Nawalny aus: Der stimmt durchaus in einigen Punkten mit Putin überein. Er verfolgt etwa eine ähnlich nationalistische Programmatik und war sogar für die Annexion der Krim. Doch gleichzeitig greift er Putin und dessen autokratische Regierungsweise massiv an.
"Sotschak spielt die Rolle der liberalen Kandidatin"
Dass Sobtschak das Regime nur vordergründig kritisiert, dessen höchsten Repräsentanten aber nahezu ungeschoren lässt, sehen manchen Beobachter als Hinweis dafür, dass die Kandidatur des Medienlieblings "von oben inszeniert" oder zumindest mit Putin abgesprochen sei.
Auch die Tatsache, dass ihr Freiheiten gewährt werden, die Nawalny nicht erhielt, könnte darauf hindeuten. Meister hält diese Vermutung trotzdem für überzogen: "Frau Sobtschak spielt die Rolle der liberalen Kandidatin. Sie würde diese Rolle nicht spielen können, wenn die Kreml-Administration das nicht wollte. Sie ist nicht dumm. Sie weiss natürlich, dass sie benutzt wird, versucht aber gleichzeitig, die Freiräume zu nutzen, die ihre gelassen werden."
Kurzsichtig sei allerdings Xenia Sobtschaks Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderungen: "Sie setzt auf langfristigen Wandel. Aber ihre Themen interessieren die Mehrheit der Russen nicht oder werden von ihnen sogar rundweg abgelehnt."
Es sei ihr, so Stefan Meister, wohl durchaus bewusst, "dass sie damit eher das System stabilisiert".
Möglich also, dass sich der alte Familienfreund Wladimir Putin nach der Wahl bei Xenia Sobtschak bedanken wird.
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