- Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat seine Macht auf dem Parteitag in Peking weiter zementiert. Mit Rückenwind startet er in seine dritte Amtszeit.
- Er ist in einer Position angekommen, in der ihn Beobachter noch vor wenigen Jahren nie gesehen hätten.
- Was hat der Parteitag gebracht und was könnte der seltsame Vorfall um Vorgänger Hu Jintao bedeutet haben? Experte Jörn-Carsten Gottwald ordnet das politische Ereignis ein.
Auf dem 20. Parteitag in Peking hat der chinesische Staatschef
Beobachter hatten dieses Ergebnis bereits erwartet. Eigentlich regelte die Verfassung nach dem Ende von Mao Zedongs Führung, dass ein Präsident nach zwei Amtszeiten wechseln muss. Doch Xi Jinping setzte vor fünf Jahren eine Änderung durch, mit der er nun eine weitere Amtszeit antreten kann. Nach Mao kann Xi nun die Ära des "ewigen Parteivorsitzenden" einläuten.
Vorfall mit Vorgänger Hu Jintao sorgt für Spekulationen
Ein Vorfall sorgte allerdings für Spekulationen: Zu Beginn der Schlussveranstaltung liess Xi Jinping seinen Vorgänger Hu Jintao vor versammelter Presse aus dem Plenum führen. Der 79-Jährige wirkte überrascht und wollte offensichtlich nicht von der Tribüne gehen. Die staatliche Nachrichtenagentur "Xinhua" meldete im Anschluss auf Englisch auf Twitter, Hu habe sich aufgrund gesundheitlicher Probleme im Nebensaal ausgeruht.
Viele Beobachter aber sind sich sicher, dass mehr hinter der Aktion steckt. "Dass Xi Jinping seinen Vorgänger Hu Jintao vor laufender Kamera aus dem Plenum hat führen lassen, ist in jedem Fall ein ungewöhnlicher Vorgang, der sich bislang einer klaren Einordnung entzieht", sagt China-Experte Jörn-Carsten Gottwald. Hu sei kein direkter Rivale mehr von Xi, gelte aber nicht als Unterstützer des Parteichefs und seines nationalistischen Führungsstils.
Partei nach seinen Vorstellungen geformt
"Es ist wohl auch eine Machtdemonstration, aber ob wirklich gesundheitliche Probleme dahinterstecken oder ob Xi Jinping Sorge hatte, dass sein Vorgänger sichtbar gegen eine dritte Amtszeit stimmt, bleibt offen", erklärt der Experte. Er hält es jedoch für bezeichnend, dass der Vorgang international als Teil eines Feldzugs gegen innerparteiliche Rivalen und Kritiker gewertet werde.
Xi habe auf dem Parteitag in jedem Fall unter Beweis gestellt, dass er die Partei nach seinen Vorstellungen formen kann. "Es war vor knapp zehn Jahren absolut nicht zu erwarten, dass Xi Jinpings Position einmal so mächtig sein würde", sagt Gottwald. Kurz nach seiner Wahl hätten viele Beobachter ihn zu einem westlichen, reformorientierten Modernisierer verklärt. Als er in Stellung gebracht wurde, seien aber auch viele skeptisch gewesen und hätten bezweifelt, ob er sich werde halten können und das richtige intellektuelle und politische Format habe.
Rückenwind für neue Projekte?
"Das hat Xi unglaublich widerlegt. Er ist kein liberaler Markt-Reformer und so fundamental und gründlich hat in so kurzer Zeit niemand den Machtapparat der kommunistischen Partei Chinas durchorganisiert", analysiert der Experte. Niemand habe ihm zugetraut, die Partei so auf sich zuzuschneiden.
Gibt die gefestigte Machtbasis Xi nun Rückenwind für andere Projekte? Gottwald ist skeptisch: "Auf einem Parteitag geht es weniger um aktuelle Politik als um die Aufstellung der Partei." Die Krönungsmesse für Xi hätte auch noch sehr viel bombastischer ausfallen können, seine Ideologie sei ausserdem nicht aufgewertet worden und er habe auch nicht den Titel eines Parteivorsitzenden bekommen.
Loyale Spitze um Xi herum
Xi also nun ein lebenslanger Herrscher? "Im Moment zeichnet sich jedenfalls nicht ab, wer ihm nachfolgen könnte", sagt Gottwald. Klar sei auch: Je länger Xi an der Macht ist, umso gefährlicher werde es für ihn und seine Familie, wenn er die Macht wieder abgebe.
"Fakt ist: Er hat die Partei so umgebaut, wie er es wollte. Die Leute, die er in die Spitze geholt hat, sind erkennbar aufgrund ihrer Loyalität ausgewählt worden", urteilt der Experte. Die Vertreter im engsten Machtzirkel hätten in der Vergangenheit aber unterschiedliche Schwerpunkte gehabt. "Er ist mit ihnen also nicht durchgängig anti-unternehmerisch oder anti-international aufgestellt", meint Gottwald.
China hat grosse Herausforderungen zu bewältigen
Der Parteiführung gehe es weiterhin darum, die eigene Macht zu bewahren und China gross und mächtig zu machen. Keine einfache Aufgabe in der aktuellen Situation. "Die wirtschaftliche Lage ist schwierig, der demografische Wandel ist ein grosses Problem", kommentiert Gottwald.
China befindet sich im Handelskonflikt mit den USA, ausserdem überaltert die chinesische Gesellschaft schnell, da zu wenige Kinder geboren werden. Hinzukommen die strikte Null-COVID-Politik und Chinas zunehmende internationale Isolation.
Hat sich die Bedrohung für Taiwan verschärft?
Und wie steht es um die Bedrohung für Taiwan? "Auf dem Parteitag sind die Formulierungen in Bezug auf Taiwan und die Aufgaben der Partei ein Stück weit verschärft worden. Gegen alle Kräfte, die separatistische Tendenzen in Bezug auf Taiwan haben, muss vorgegangen werden", sagt Gottwald. Er glaubt jedoch nicht, dass dies einen grossen Unterschied für die Bedrohungslage macht: "Sie war vor dem Parteitag gross und ist es weiterhin."
Ein Szenario, dass die wirtschaftliche Verflechtung von China und Taiwan gefährde, sei ökonomisch wahnsinnig. "Allerdings hat Xi auch bei COVID die Sicherheit und Stabilität höher als die Wirtschaft bewertet", erinnert Gottwald. Wie es mit Taiwan weitergehe, sei schwer einzuschätzen.
"Xis Machtbasis wurde gestärkt, sodass er Entscheidungen in Bezug auf Taiwan vorantreiben kann", meint Gottwald. Es sei unwahrscheinlich, dass es mehrere Akteure in der Parteibasis gebe, die ihm dabei nachhaltig Widerstand leisten könnten.
Experte: "Es ist nicht so Schwarz-Weiss"
Dennoch lohne es sich, weiterhin genau hinzuschauen, wer da mit Xi regiere und sich um ihn herum befinde. "Vergleiche mit Nordkorea oder China unter Mao halte ich nicht für zutreffend und auch nicht für hilfreich", kommentiert Gottwald. China sei ein komplexes Gebilde und es gebe durchaus Menschen, die mit Xi nicht übereinstimmen. "Es ist nicht so Schwarz-Weiss, wie es oft dargestellt wird", mahnt er. Das dürfe man auch in der deutschen Debatte nicht vergessen.
"Es ist zwar wünschenswert, dass eine Abhängigkeit von China beendet wird. Es gibt aber über Jahrzehnte gewachsene Verbindungen, etwa im Bereich der Wissenschaft und Gesellschaft. Dort besteht auch Interesse an einer konstruktiven Beziehung", sagt er. Es sei deshalb begrüssenswert, mehr Zwischentöne zuzulassen.
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