Angela Merkel und die deutsche Regierung wollen erst aus der Presse von den Spähprogrammen Prism und Tempora erfahren haben. Der "Spiegel" sagt: alles Quatsch.
Allem Anschein nach sind nicht nur die Briten und die Amerikaner in den aktuellen Datenschutzskandal verwickelt. Auch der Bundesnachrichtendienst (BND) und das im Inland operierende Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mischen nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Spiegel" fleissig mit: Sie setzen ein Spähprogramm der National Security Agency (NSA) ein. Sein Name: "XKeyscore".
Das geht aus geheimen Unterlagen des US-Militärgeheimdienstes hervor, die der "Spiegel" einsehen durfte. Mit den mithilfe von "XKeyscore" gesammelten Daten soll das BfV die NSA bei der Terrorbekämpfung unterstützen. Der BND sei dafür zuständig, den Verfassungsschutz im Umgang mit der Software zu schulen.
BND und BfV bestätigen Einsatz von NSA-Software
Laut "Spiegel"-Informationen handelt es sich bei "XKeyscore" um ein Spionagewerkzeug, das praktisch eine digitale Totalüberwachung ermöglicht. Es lasse sich beispielsweise rekonstruieren, welche Stichworte eine Zielperson in eine Suchmaschine eingegeben habe. Zudem sei das Programm in der Lage, neben Verbindungsdaten teilweise auch Kommunikationsinhalte zu speichern.
Dem Magazin zufolge hat die NSA monatlich Zugriff auf rund 500 Millionen Datensätze aus Deutschland. Im Dezember 2012 seien davon etwa 180 Millionen von "XKeyscore" gesammelt worden. BND und BfV wollten sich gegenüber dem "Spiegel" nicht äussern; die NSA verwies lediglich auf die Stellungnahme von US-Präsident Barack Obama anlässlich seines Berlin-Besuchs.
Im Gespräch mit "Bild am Sonntag" wiesen der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz,
BND-Chef Schindler betonte, es gebe keine "millionenfache monatliche Weitergabe von Daten aus Deutschland an die NSA" seitens seines Dienstes. 2012 habe man zwei einzelne, personenbezogene Datensätze deutstcher Staatsbürger an den US-Geheimdienst übermittelt.
Deutschland ist "Schlüsselpartner"
Der "Spiegel"-Bericht legt nahe, dass sich die Zusammenarbeit der deutschen Dienste mit der NSA zuletzt intensiviert hat. Die deutschen Kollegen seien "Schlüsselpartner". "Der BND hat daran gearbeitet, die deutsche Regierung so zu beeinflussen, dass sie Datenschutzgesetze auf lange Sicht laxer auslegt, um grössere Möglichkeiten für den Austausch von Geheimdienst-Informationen zu schaffen", zitiert das Magazin aus den Unterlagen der NSA.
Im Lauf des Jahres 2012 habe Deutschland "Risiken in Kauf genommen", um die USA mit den gewünschten Informationen zu versorgen. In Afghanistan sei der BND in Sachen Informationsbeschaffung gar "fleissigster Partner".
NSA-Chef Keith Alexander fand zuletzt lobende Worte für die deutschen Dienste. "Es ist eine Ehre und ein Privileg, mit den deutschen Diensten zusammenzuarbeiten und Terroranschläge zu verhindern. Was sie in Afghanistan leisten, ist grossartig", betonte er vergangenen Donnerstag auf einer Sicherheitskonferenz in Aspen.
Ein Vertrauter von US-Whistleblower Edward Snowden, der Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald, kündigte indes weitere Enthüllungen an. "Ich bin sicher, dass in den nächsten Tagen weitere Artikel erscheinen werden, die wahrscheinlich noch explosiver sind als die, die schon veröffentlicht sind", sagte der "Guardian"-Journalist in der ARD-Sendung "Beckmann".
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