Streubombenlieferung an die Ukraine, AfD-Umfragehoch, Flutkatastrophe an der Ahr: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wirkte im ZDF-Sommerinterview zu oft wie der frühere abgeklärte Ober-Diplomat. Besonders bei der Flutkatastrophe liess er eine empathische Ansprache vermissen. Spannend war die Frage von Gastgeberin Bettina Schausten, ob deutsche Soldaten irgendwann für die Ukraine sterben sollen.

Eine Kritik
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2008 hatte er als deutscher Aussenminister selbst das "Übereinkommen über Streumunition" unterschrieben. 15 Jahre später verteidigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im ZDF-Sommerinterview die angekündigte US-Lieferung von Streubomben an die Ukraine. Die Bundesregierung könne "in der gegenwärtigen Situation der USA nicht in den Arm fallen", sagte Steinmeier am Sonntag. Streubomben sind in mehr als 100 Ländern verboten, sollen Kiew nun aber helfen, einen strategischen Vorteil zu erlangen.

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Steinmeier verteidigt eigenen Russland-Kurs

Zugleich bekräftigte Steinmeier die Unterstützung Deutschlands für die 2022 durch Russland angegriffene Ukraine. "Es ist keine Frage, an welcher Seite wir in diesem Krieg stehen. Es ist selten so klar wie hier, wer Täter, wer Opfer ist und dass wir an der Seite des Opfers zu stehen haben". Wenn sich Kiew nicht weiter verteidigen könne, "wird es das Ende der Ukraine sein", betonte Steinmeier. Der Krieg könnte morgen vorbei sein, wenn Russland seine Soldaten zurückschicke. Das könne er aber nicht erkennen.

Dass Beweise gesammelt werden, um eventuell einen künftigen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu erwirken, findet Steinmeier richtig. Er hofft, "dass wir in eine Situation kommen werden, in der mit diesen Beweisen vor internationalen Institutionen etwas anzufangen sein wird."

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Eigene Fehler als Aussenminister in der Regierung Merkel oder Fehler der SPD im Umgang mit Russland wollte Steinmeier nicht erkennen. Daher hat er gegen eine Aufarbeitung, etwa in einem Untersuchungsausschuss, "überhaupt nichts" einzuwenden. Ganz im Gegenteil. "Manches würde sich durch eine Aufarbeitung korrigieren", ging Steinmeier in die Offensive. "Nämlich der Eindruck, als ob das irgendwie eine Art von Naivität oder gar Liebesdienerei gegenüber Russland gewesen sei. Das Gegenteil ist doch der Fall."

Man habe wie andere europäische Staaten und die Amerikaner versucht, eine Sicherheitsarchitektur in Europa zu schaffen, indem man Russland einbezieht. "Das hat nicht funktioniert am Ende", gab Steinmeier zu. Mit Folgen: Eine gemeinsame Sicherheit in Europa mit Russland wird es nicht mehr geben. "Wir werden uns voreinander schützen." Was immense Ausgaben für die Verteidigungshaushalte bedeute.

Deutsche Soldaten in der Ukraine?

Schliesslich sprach Steinmeier auch explizit über den weiteren deutschen Beitrag im Ukraine-Krieg. Ob es denkbar sei, dass in letzter Konsequenz sogar deutsche Soldaten sterben müssen für die Ukraine, wollte Gastgeberin Bettina Schausten wissen. "Nein, das sehe ich nicht", sagte das Staatsoberhaupt. Aber es brauche Sicherheitsgarantien. Die Beziehungen zwischen der Ukraine und Nato müssen in seinen Augen gestärkt werden. Denkbar wäre für Steinmeier: "Die gegenwärtigen Beziehungen in einen Nato-Ukraine-Rat hochstufen."

Schliesslich äusserte sich Steinmeier auch zur deutschen Innenpolitik. Das AfD-Umfragehoch nannte er beunruhigend. "Wenn sich grössere Teile der Wählerschaft von den regierenden Parteien abwenden und die grösste Oppositionspartei davon nicht gewinnt, dann ist etwas im Gang, das Fragen aufwirft." Steinmeier nannte die vergangenen und gegenwärtigen Krisen wie Pandemie, Ukraine-Krieg, die hohen Flüchtlingszahlen und die Inflation als Themen, die die Menschen beschäftigen. Die regierenden Parteien müssten sich fragen, ob sie die richtigen Themen und die richtige Art der Kommunikation gewählt hätten – das geschehe auch. Und "ob es zu viel Streit gibt". Ein kleiner Seitenhieb auf die monatelangen Ampel-Diskussionen über das geplante Heizungsgesetz?

Steinmeier menschelt nicht


Konkrete Antworten auf die AfD-Stärke und auf die Frage, ob ihr gegenwärtiges Hoch Ausdruck einer grundsätzlichen Krise der Demokratie sein könnte, blieb der Bundespräsident jedoch schuldig. Stattdessen kamen da viele Plattitüden. "Wir dürfen das Geschäft der Angstmacher in dieser Gesellschaft nicht noch weiter fördern. Sondern was wir brauchen ist eine Konjunktur der Problemlöser." Und ob seine Mahnung an die moralische Verantwortung der AfD-Wähler bei den Betreffenden ankommt, dürfte eher fraglich sein.

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Schliesslich lobte Steinmeier den Wiederaufbau im von der Jahrhundertflut zerstörten Ahrtal. Das Interview fand im Mayschoss an der Ahr statt. "Ich bin beeindruckt, was innerhalb dieser zwei Jahre wieder aufgebaut worden ist". Fragen nach Unzufriedenheiten vor Ort, nach Fehlern, die von Verantwortlichen gemacht worden, und ob es Zeit für eine Entschuldigung sei, wich Steinmeier weitgehend aus. Stattdessen sprach er von ungeheuer viel Empathie, die er vor Ort für die Betroffenen erlebt habe. Und von den vielen "Danke"-Plakaten für die ehrenamtlichen Helfer aus ganz Deutschland.

Dass der Bundespräsident niemanden direkt kritisieren wollte, ist sicherlich verständlich. Aber zu oft wirkte Steinmeier wie der abgeklärte Profi-Politiker und Ober-Diplomat, etwas Menschelndes fehlte. Die entscheidende Botschaft aus der Flut ist für ihn: "Der Kampf gegen den Klimawandel ist notwendig. Wir schützen am Ende nicht nur das Klima, sondern wir schützen uns selbst." Das mag sein, aber bei der Flutkatastrophe im Ahrtal gab es auch eklatante Fehlentscheidungen einiger Verantwortlicher, die mit dem Klima nichts zu tun haben. 134 Menschen starben allein in Rheinland-Pfalz – es hätten viel weniger sein müssen. Wie der Bundespräsident sich im Sommerinterview über die Folgen der Katastrophe äusserte, war dem Ereignis nicht ganz angemessen.

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