- Die frühere Anwältin Zhang Zhan ist im Dezember vergangenen Jahres wegen ihrer Berichte über die Ausbreitung des Coronavirus zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
- Bereits im Juni war die 38-Jährige deshalb in den Hungerstreik getreten.
- Verwandte und Freunde bangen nun um das Leben Zhang Zhans.
Das Coronavirus ist ausserhalb von China noch ein Randthema, als Zhang Zhan nach Wuhan reist. Damals, im Februar 2020, ist die chinesische Millionenmetropole in der Provinz Hubei das Epizentrum eines Virus, das sich wenig später in rasend kurzer Zeit um den ganzen Globus verteilt und bis heute weltweit den Alltag der Menschen bestimmt.
Die frühere Anwältin wollte nach Wuhan. Sie wollte den Ort sehen, wo SARS-CoV-2 zuerst festgestellt worden war. Auf Online-Plattformen teilte die heute 38-Jährige ihre Erfahrungen aus Wuhan, in Essays kritisierte sie die Reaktion der Behörden zu Beginn der Pandemie, edistwa den strengen Lockdown für Millionen von Menschen. Die Behörden hätten den Menschen "nicht genug Informationen gegeben und dann einfach die Stadt abgeriegelt", schrieb Zhang. "Das ist eine grosse Verletzung von Menschenrechten."
Mit diesen und ähnlichen Aussagen geriet sie ins Blickfeld der chinesischen Behörden. Sie war die erste von mehreren Bürgerjournalisten, die sich in China wegen ihrer Berichterstattung aus Wuhan verantworten musste. Der Vorwurf: Zhang würde "Streit schüren und Unruhe stiften" – mit dieser Anschuldigung werden häufig Dissidenten in China unter Druck gesetzt.
Ein Gericht verurteilte sie im vergangenen Dezember wegen ihrer Berichte über die Ausbreitung des Coronavirus zu einer vierjährigen Haftstrafe. Nun bangen ihre Familie, Freunde und Unterstützer um Zhangs Leben.
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"Sie wird den kommenden Winter vielleicht nicht überleben"
Denn die Bloggerin hat das politisch motivierte Urteil nicht akzeptiert: Sie begann nach Angaben ihrer Anwälte bereits im Juni einen Hungerstreik und wird seitdem über die Nase zwangsernährt.
Die 1,77 Meter grosse Zhang sei nach ihrem wochenlangen Hungerstreik stark untergewichtig, sie wiege nur noch 40 Kilogramm. "Sie lebt vielleicht nicht mehr lange", schrieb ihr Bruder Zhang Ju Ende Oktober auf Twitter. "Sie wird den kommenden kalten Winter vielleicht nicht überleben."
Zhangs Mutter wollte sich gegenüber der Nachrichtenagentur AFP nicht zum Zustand ihrer Tochter äussern. Auch die Gefängnisverwaltung in Shanghai und das chinesische Aussenministerium lehnten eine Stellungnahme ab.
Forderungen von Menschenrechtsgruppen nach ihrer Freilassung wies das Ministerium als "China-feindliche politische Manipulation" zurück. "China ist ein Rechtsstaat", sagte Ministeriumssprecher Wang Wenbin Anfang des Monats vor Reportern. "Jeder, der gegen das Recht verstösst, muss dem Gesetz entsprechend bestraft werden", fügte er hinzu.
Rigorose Politik zur Eindämmung des Coronavirus
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete Zhangs Inhaftierung als einen "beschämenden Angriff auf die Menschenrechte". Sie müsse umgehend freigelassen werden, damit sie ihren Hungerstreik beenden und medizinisch versorgt werden könne.
Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen kann Zhang nicht gehen und ohne Hilfe auch nicht ihre Hand heben. Die NGO forderte ebenso wie die Europäische Union die sofortige Freilassung der Bloggerin, "bevor es zu spät ist". Zhang müsse unverzüglich und ohne Bedingungen auf freien Fuss gesetzt werden, sagte die Sprecherin des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell, Nabila Massrali, vergangenen Dienstag in Brüssel.
Die Behörden in China verfolgen eine rigorose Politik zur Eindämmung des Coronavirus. Wer die Erfolge der Regierung in Kampf gegen die Pandemie infrage stellt, muss mit Repressalien rechnen. Zhang ist eine von vier Bloggern, die wegen ihrer Berichte über die Corona-Lage in Wuhan in Haft sitzen. Laut Amnesty International sollen in der Volksrepublik bis Februar 2020 gegen mehr als 5.500 Menschen Ermittlungsverfahren wegen der Verbreitung "falscher und schädlicher Informationen" eingeleitet worden sein.
Keine Pandemie-Bekämpfung, sondern staatliche Zensur
Zhangs Fall zeige, dass es nicht "um zeitlich begrenzte, ausserordentliche Massnahmen zur Bekämpfung einer Pandemie" gehe, erklärte die Asien-Expertin von Amnesty International in Deutschland, Theresa Bergmann. "Hier geht es um staatliche Zensur. Durch die Corona-Pandemie haben repressive Regierungen nun einen weiteren Vorwand gefunden, um ihren Angriff auf die Zivilgesellschaft fortzusetzen und die Meinungsfreiheit weiter zu beschneiden."
China gehört laut Reporter ohne Grenzen zu den Ländern mit den meisten inhaftierten Journalisten und Bloggern. In der Rangliste zur globalen Pressefreiheit liegt das Land auf einem der hintersten Plätze. Immer wieder gab es Fälle, in denen ausländische Journalisten wegen kritischer Berichterstattung ausgewiesen wurden oder um die Verlängerung ihres Visums bangen mussten. (afp/dpa/mf)
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