Ein Streit um einen in der Türkei festgehaltenen US-Pastor, der das Land in eine wirtschaftliche Krise stürzt? Zwar verschärft der Zwist zwischen Donald Trump und Recep Tayyip Erdogan die Lage, doch es steckt weit mehr dahinter.

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Die Türkei steckt tief in der Krise: Die Lira hat einen historischen Tiefststand erreicht, das Verhältnis zu den USA ist unterkühlt wie lange nicht, beide Länder überziehen sich gegenseitig mit neuen Zöllen.

Doch die aktuelle Lage auf eine Verschärfung des Konflikts um den in der Türkei inhaftierten US-Pastor Andrew Brunson zu münzen, greift zu kurz. Hinter der Krise steckt eine Fehlentwicklung, von der die türkische Wirtschaft schon seit Jahren geprägt ist.

Fall Andrew Brunson verschärfte einen bereits vorhandenen Konflikt

Vordergründig dreht sich alles um den US-Pastor Brunson, der in der Türkei unter Hausarrest steht und dem bis zu 35 Jahre Gefängnis drohen.

US-Präsident Donald Trump fordert seine sofortige Freilassung, liess Sanktionen gegen zwei türkische Minister verhängen und bestehende Strafzölle auf Stahl- und Aluminium-Importe verdoppeln.

Die Fronten sind verhärtet. Zuletzt entschied ein türkisches Gericht abermals gegen Brunsons Freilassung. Die Türkei verhalte sich "nicht wie ein Freund", sagte Trump - und droht mit weiteren Sanktionen.

Dass die türkische Wirtschaft aber derart empfindlich auf den Streit mit den USA reagiert, hat tieferliegende Gründe. Im Zuge der jüngsten Finanzkrise hatten führende Notenbanken ihre Zinsen auf Rekordtiefs gesenkt, um die heimische Wirtschaft mit billigen Krediten zu versorgen.

Das lockte viele Investoren in Schwellenländer, wo die Zinsen höher waren. Doch inzwischen hat sich der Wind gedreht: Die US-Notenbank Fed hebt ihre Zinsen wieder an und die Europäische Zentralbank dürfte in absehbarer Zeit folgen.

Viele Investoren ziehen ihr Geld daher wieder aus Schwellenländern ab. So steht nicht nur in der Türkei die Währung unter Druck, sondern - in geringerem Ausmass - auch etwa in Argentinien, Südafrika und Indien.

Türkei importiert seit Jahren auf Pump

Der Absturz der Lira ist zudem Ausdruck jahrelanger Fehlentwicklungen in der Türkei: Seit mehr als einem Jahrzehnt importiert das Land viel mehr Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland als es exportiert.

Finanziert werden diese Importe auf Pump aus dem Ausland. Die US-Ratingagentur Fitch schätzt den Finanzierungsbedarf der Türkei allein für dieses Jahr auf 229 Milliarden Dollar.

Vor allem die türkischen Unternehmen sind hoch verschuldet; und das zum grossen Teil in Fremdwährungen wie Euro oder Dollar. Das macht es den Firmen in der Lira-Krise noch schwerer, ihre Schulden zu begleichen.

Die Türkei versucht nun, den Brand zu löschen. Der Industrieminister stellt einen 16-Punkte-Plan zur Unterstützung kleinerer Betriebe vor, der Finanzminister beruhigt Investoren und der Staatschef konsultiert seine Amtskollegen aus Deutschland und Frankreich.

Jedoch sind sich die meisten Ökonomen einig, dass vor allem eine Zinsanhebung notwendig wäre, um die Lage in den Griff zu bekommen. Doch Erdogan ist dagegen.

Die türkische Notenbank erhöhte zwar indirekt den Zins, indem sie Banken auf einen höheren Leitzins verwies. Laut Fitch kann aber nur eine offizielle Leitzinsanhebung wieder mehr Geld ins Land locken.

Debatte um internationale Hilfen

SPD-Chefin Andrea Nahles hatte mögliche Finanzspritzen aus Deutschland ins Gespräch gebracht. Doch viele Fürsprecher hat sie bisher nicht.

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) wird als möglicher Helfer ins Spiel gebracht. "Wenn das Land Notkredite braucht - und darauf deutet vieles hin -, bleibt Erdogan keine andere Wahl, als den IWF um Hilfe zu bitten", sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, der "Passauer Neuen Presse".

Allerdings dürften sich die USA dagegen stemmen, und Erdogan lehnt IWF-Hilfen bislang ab. Denn die Programme des Fonds sind mit harten Auflagen wie Sparmassnahmen verbunden, die auch unter Ökonomen umstritten sind. So bleibt der Türkei bislang lediglich eine 15 Milliarden Dollar schwere Investitionshilfe aus Katar - ein Tropfen auf den heissen Stein. (ank/dpa)

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