Viele Eltern arbeiten, doch das Geld reicht hinten und vorne nicht. Schulranzen, Sportverein, für manche Kinder ist nicht einmal ein warmes Mittagessen selbstverständlich. Jetzt soll es mehr finanzielle Hilfen geben.

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Familien mit kleinem Einkommen können bald jeden Monat mit deutlich mehr Geld rechnen. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag das Familien-Gesetz von Familienministerin Franziska Giffey und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD). Es sieht höhere Zuschläge zum Kindergeld vor, mehr gebührenfreie Kitaplätze und Leistungen wie etwa kostenlose Schulmittagessen. Mehrere Millionen Kinder könnten nach Rechnung der Bundesregierung profitieren - wenn ihre Eltern die Förderung beantragen.

Für Eltern bedeute das neue Gesetz deutlich mehr Spielraum im Portemonnaie, sagte Heil. Kindern eröffne es Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben unabhängig von der Herkunft. "Wir wollen, dass es jedes Kind in Deutschland packt", betonte er.

Die Bundesregierung schraubt dafür unter anderem am Kinderzuschlag, der zusätzlich zum Kindergeld gezahlt wird. Er unterstützt Eltern, die arbeiten, aber trotzdem finanziell kaum über die Runden kommen. Wer weniger als 2000 Euro brutto verdient, hat eine Chance, ihn zu bekommen. Zusammen mit dem Kindergeld sowie dem Bildungs- und Teilhabepaket soll so das Existenzminimum eines Kindes gedeckt werden. Für die SPD ist das die Grundlage für eine perspektivische Kindergrundsicherung. Die Details:

Geplante Änderungen im Überblick

KINDERZUSCHLAG: Zum 1. Juli steigt der monatliche Höchstbetrag um 15 Euro auf 185 Euro pro Kind. Wenn Eltern mehr verdienen, fällt der Zuschlag ab Januar 2020 künftig auch nicht mehr abrupt weg, sondern läuft schrittweise aus. Das soll Anreiz zum Arbeiten geben. Denn bisher konnte es passieren, dass eine Familie mit zwei Kindern zwar 50 Euro mehr verdiente, dafür aber 300 Euro Zuschlag verlor.

ALLEINERZIEHENDE profitieren künftig stärker. Denn Einkommen der Kinder, zum Beispiel Unterhaltszahlungen, werden nicht mehr voll, sondern nur noch anteilig angerechnet. Ein Beispiel: Bekommt ein Kind 200 Euro Unterhalt, schrumpfte der Kinderzuschlag bisher auf Null. Künftig werden stattdessen 90 Euro abgezogen, es bleiben also 95 Euro Zuschlag übrig.

KITAGEBÜHREN: Alle Familien, die den Kinderzuschlag bekommen, müssen keine Kitagebühren mehr zahlen. Das kann je nach Wohnort mehrere Hundert Euro ausmachen. Viele Kommunen haben Familien mit geringem Einkommen allerdings schon von den Beiträgen befreit.

BILDUNGS- UND TEILHABEPAKET: Ab dem Schuljahr 2019/2020 steigt das Schulstarterpaket - die Unterstützung etwa für Schulranzen, Hefte oder Lernsoftware - von 100 auf 150 Euro. Mittagessen in der Schule und Fahrkarten für Bus oder Bahn werden kostenlos - der Eigenanteil, der zuletzt noch gezahlt werden musste, wird abgeschafft. Nachhilfe können Kinder auch bekommen, wenn sie noch nicht kurz vor dem Sitzenbleiben sind.

WER PROFITIERT: In Deutschland leben nach Angaben des Familienministeriums rund 13,4 Millionen minderjährige Kinder. Bei etwa 9 Millionen läuft finanziell alles rund, vier Millionen Kinder aber leben in Familien, bei denen das Geld knapp ist. Darunter sind zwei Millionen Kinder in Hartz-IV-Familien und zwei Millionen Kinder, deren Eltern arbeiten, aber trotzdem nicht genug verdienen. Diese zwei Millionen Kinder haben Anspruch auf den Kinderzuschlag. Die Änderungen am Bildungs- und Teilhabepaket betreffen laut Ministerium bis zu vier Millionen Kinder.

WIE BEANTRAGEN: Bisher, so sagt Giffey, halte die Bürokratie viele davon ab, den Kinderzuschlag zu beantragen. Nur 30 Prozent nehmen ihn überhaupt in Anspruch. Das soll besser werden - mit einfacheren Formularen und Anträgen sogar am Smartphone. Ausserdem wird das Geld für sechs Monate am Stück bewilligt. Wenn sich das Einkommen der Familie in dieser Zeit ändern, muss sie nichts neu beantragen oder gar zurückzahlen.

KOSTEN: Für die Reform des Kinderzuschlags ist bis Ende 2021 eine Milliarde Euro eingeplant. Die Verbesserungen im Bildungs- und Teilhabepaket kosten nach Ministeriumsangaben rund 220 Millionen Euro pro Jahr.

DISKUSSION IM BUNDESTAG: Alle Fraktionen loben, dass die Bundesregierung etwas gegen Kinderarmut tut - doch kritisiert vor allem die Opposition das Gesetz als zu bürokratisch. "Zwei Drittel der Familien bekommen das nicht - und sie werden es auch mit diesen Massnahmen nicht bekommen", sagte der FDP-Abgeordnete Grigorios Aggelidis. Grüne und Linke wollen deshalb, dass der Kinderzuschlag automatisch, ohne Antrag ausgezahlt wird. Grünen-Chefin Annalena Baerbock warb für eine Kindergrundsicherung: "Wenn Sie wirklich wollen, dass jedes Kind zum Kindergeburtstag gehen kann, dass Alleinerziehende nicht noch einen zweiten Job annehmen müssen (...), dann brauchen sie eine Kindergrundsicherung", sagte sie.

(dpa/fra)

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