Ein 24 Jahre alter Blogger hat die Europawahl in Zypern auf den Kopf gestellt. Der zuvor in der Politik völlig unbekannte Fidias Panagiotou erhielt aus dem Stand 19,4 Prozent der Stimmen. Er lag damit nur wenige Prozentpunkte hinter den etablierten Parteien, der erstplatzierten konservativen Partei DISY (24,8 Prozent) und der kommunistischen AKEL (21,5 Prozent).
Politischer Beobachter werten den Erfolg als Protest vieler unzufriedener Wähler. So sieht das auch Fidias Panagiotou selbst: "Es ist nicht cool, zu sagen, dass ich ein Politiker bin, denn Politiker haben Zypern beschmutzt", erklärte er am Sonntagabend nach der Wahl vor Journalisten.
Seine Wahl müsse ein Alarmsignal an die etablierten Parteien sein, die "seit Jahren miteinander um die eigenen Interessen zanken und sich nicht um das Volk kümmern". Er spielte damit auf die in Nikosia herrschende Vetternwirtschaft unter Politikern und innerhalb der Parteien an, die viele Zyprer kritisieren. Sein Ziel sei es nun, der beste EU-Abgeordnete zu werden, den es jemals im Strassburger Parlament gab.
Fidias Panagiotou hat keine Ausbildung abgeschlossen und nach eigenen Angaben bislang keine Ahnung von Politik; auch über das Europäische Parlament wisse er nichts, werde jetzt aber viel fragen, lesen und lernen. Bisher arbeitet er als Blogger und hat mit seinen - teils auch umstrittenen - Videos auf Tiktok und Youtube vor allem auf Zypern eine grosse Zahl von Followern. Dass er hartnäckig sein kann, wenn er an etwas glaubt oder etwas erreichen will, zeigt ein Video, in dem er dokumentiert, wie er monatelang versuchte, Unternehmer und Milliardär Elon Musk zu treffen und ihn in den Arm zu nehmen - was schliesslich auch gelang.
Selbst viele politische Beobachter auf Zypern können dem Erfolg des jungen Manns etwas abgewinnen: Immerhin hätten sich die Wähler für ihn entschieden und nicht, wie in anderen Ländern, für rechtsextreme Parteien. Die rechtsextremistische zyprische Partei ELAM legte zwar bei der EU-Wahl im Vergleich zu 2019 um gut zwei Prozentpunkte auf 11,2 Prozent zu, doch ihre Hoffnung, noch mehr Protestwähler und Nichtwähler anzuziehen, erfüllte sich nicht. Die Menschen fanden den fröhlichen Blogger ohne politischen Inhalt wählbarer. © dpa
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