- Grössere Augen, glattere Wangen - mit Fotofiltern ist das in sozialen Medien kein Problem.
- Immer mehr Jugendliche wollen aber ohne digitale Hilfe so aussehen, sagen plastische Chirurgen.
- Auch Erwachsene entwickeln in der Pandemie neue Schönheitswünsche.
Seit mehr als 30 Jahren erfüllt Werner Mang Schönheitswünsche. Immer mehr junge Patienten schicke er aber wieder weg, sagt der Leiter der Bodenseeklinik für plastische Chirurgie in Lindau.
"Heute in der Früh hatte ich hier wieder ein 13 Jahre altes Mädchen, das die Nase von
Soziale Medien und Fotofilter als Treiber eines neuen Schönheitswahns bei Jugendlichen?
Auch der plastische Chirurg Alexander Hilpert sieht darin eine gefährliche Entwicklung. "Wer häufig Bilder von sich versendet, will auch schöner aussehen", sagt der 56-Jährige, der in Duisburg und Düsseldorf praktiziert. "Das hat sich in den letzten Jahren extrem verstärkt, diese Anfragen kommen inzwischen täglich."
Verlässliche Zahlen dazu liegen der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) nicht vor. In seiner Jahresstatistik 2020 erfasste der Verband nur tatsächlich vorgenommene Eingriffe und die Motivation dazu, nicht aber die abgelehnten Anfragen. Demnach legten Patienten nur in 2,3 Prozent der Fälle digital bearbeitete Vorlagen von sich selbst als Zielvorstellung vor - ein Minus von 11,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
"Die Statistik ist Corona geschuldet", sagt Hilpert. "Ich gehe ganz sicher davon aus, dass diese Anfragen wieder ansteigen." Schliesslich seien Jugendliche während der Pandemie noch häufiger im digitalen Raum unterwegs als zuvor. "Die Leute sehen dort nur noch schön gemorphte Vorbilder", betont Hilpert. "Und wenn man Tänze auf Tiktok nachmacht, möchte man oft auch so aussehen."
Der Ende vergangenen Jahres vorgestellten JIM-Studie zufolge haben Jugendliche im Pandemie-Jahr 2020 Instagram, Snapchat, Tiktok und Co. gegenüber dem Vorjahr häufiger genutzt. Am deutlichsten war der Anstieg demnach bei Tiktok: Die Zahl der Jugendlichen, die angaben, die App mindestens mehrmals wöchentlich zu nutzen, stieg um 19 Prozent. Besonders beliebt war die App bei Zwölf- bis 15-Jährigen.
Bei der Wahl des Schönheitschirurgen ist Vorsicht geboten
Wer Vorbildern dort oder seinem eigenen Filter-Selfie ähnlicher werden wolle, schicke man wieder weg, betonen Mang und Hilpert. "Es ist aber klar, dass die dann woanders hingehen", sagt Mang. "Oft kommen sie dann leider wieder zu mir, wenn der Schaden schon entstanden ist." Mang fordert deshalb strengere Kriterien bei der Ausbildung von ästhetisch-plastischen Chirurgen.
"Das ist ein Wildwuchs", sagt Mang. "Es ist möglich, dass jemand eine Nase operiert, ohne das vorher jemals in der Ausbildungszeit getan zu haben." Bei der Suche nach einem Arzt solle man deshalb auf den Titel "plastische Chirurgie" oder "plastische Operationen" achten.
Abseits dessen gebe es viele Fachärzte aus anderen Bereichen, die sich durch Schönheitseingriffe Geld dazuverdienten, sagt Alexander Hilpert. Sie dürften sich Schönheitschirurgen nennen, weil dies keine geschützte Berufsbezeichnung sei. "Sogar Heilpraktiker dürfen dem Gesetz nach Falten unterspritzen, die Ausbildung kann man auch online machen", sagt Hilpert. "Dabei muss man da schon Ahnung von Anatomie haben, um zum Beispiel nicht wichtige Blutgefässe zu treffen."
Um Eingriffe durch unqualifizierte Anbieter zu vermeiden, empfehle er jungen Patienten oft, einfach ein paar Jahre später wiederzukommen, sagt Hilpert. "Dann kriegt man auch einen kleinen Rabatt."
Nicht nur Jugendliche sind von diesem Wahn betroffen
Auch Erwachsene sehen sich wegen der Corona-Pandemie immer öfter selbst auf dem eigenen Bildschirm: Video-Konferenzen gehören für viele Arbeitnehmer im Homeoffice inzwischen längst zum Alltag. Nach Angaben der DGÄPC ging es bei Schönheitseingriffen 2020 auffällig häufig um Veränderungen im Gesicht.
"Viele haben sich in der Corona-Zeit ständig selbst bei Zoom gesehen", sagt Hilpert. "Viele kommen deshalb und sagen, sie hätten gern eine Augenlid-Operation." Videokonferenzen zeigten das Alter der Teilnehmer eben "schonungslos", sagt Klinikleiter Werner Mang. Angaben der DGÄPC deuten darauf hin, dass das auch im Fernunterricht der Fall war: 27 Prozent der Mitglieder gaben an, dass Lehrer im Frühjahr 2020 häufiger als üblich in ihre Praxis kamen.
"Schönheitspapst" Werner Mang bleibt auch bei diesen Eingriffen zurückhaltend. Er selbst habe sich noch nie unters Messer gelegt, betont der 71-Jährige. "Ich bin stolz auf meine Tränensäcke." (dpa/nis)
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