Was taugen die Tipps und Rezepte der Selbstversorger? Sind sie nur etwas für Öko-Freaks oder tatsächlich alltagstauglich? Wir haben ein paar Rezepte einem Praxistest unterzogen.
Zahnpasta selbstgemacht? Als ich den Text von Lisa Pfleger in ihrem Blog "Experiment Selbstversorgung" entdecke, runzle ich erstmal die Nase. Meine Skepsis wird grösser, als ich die Hauptzutaten lese: Kokosfett und Natron. Das klingt nicht unbedingt "lecker", wie die Überschrift anpreist. Andererseits: was wohl in meiner Zahnpasta drin ist? Ich frage Google und höre bei Hydroxyethylcellulose auf zu lesen. Klingt eher nach einem Chemiebaukasten. Ich beschliesse, das Rezept einfach mal zu testen.
Ein paar Klicks weiter entdecke ich ein Rezept für ein Shampoo aus Apfel, Rosmarin und Kastanien. Ein Rezept, das tatsächlich lecker klingt, und sofort zur Zahnpasta auf die Liste kommt. Gleich dahinter kommt ein Punkt, den ich schon länger mal probieren wollte: Brot selbst backen. Im Internet gibt es massig Rezepte – doch ich frage lieber die Frau, die meiner Meinung nach das beste Brot der Welt macht: meine Oma.
Erste Hürde: die Zutaten besorgen
Gemeinsam mit einer Freundin stelle ich mich dann der ersten grossen Hürde: dem Besorgen der Zutaten. Beim Shampoo fängt es ganz gut an. Bei meiner Oma hole ich ein paar Äpfel vom Herbst aus dem Keller, Rosmarin wächst bereits auf meinem Balkon. Doch wo zum Teufel bekommen wir nun, im Frühling, Rosskastanien her? Natürlich haben weder meine Freundin noch ich im Herbst einen Vorrat angelegt. Wir müssen noch einiges lernen, als Selbstversorger-Novizen, merken wir. Also entscheiden wir uns um und für ein Lavendel-Peeling. Wieder ein Rezept mit Kokosfett, scheint ein Allround-Talent zu sein.
Um dem Öko-Gedanken der Rezepte auch gerecht zu werden, kaufen wir die Zutaten auf dem Markt und im Bio-Supermarkt. Dann legen wir mit dem Brot los. Man brauche zwei Pfund Mehl, am besten eine Weizen-Roggen-Mischung, erklärte Oma, und ein wenig Salz. Dann eine Kuhle buddeln und Hefe hineinbröseln, mit etwa 500 ml lauwarmem Wasser übergiessen und kräftig kneten.
Während der Teig seine erste Runde geht, erwärmen wir das Kokosöl für die Zahnpasta. Da uns Pfefferminzöl zu teuer war, haben wir frische Minze gekauft, hacken sie nun klein und geben sie in das nun flüssige Fett und seihen es ab. Dann rühren wir das Natron ein. So richtig mischen wollen sich Öl und Natron nicht, also rühren wir beständig, bis das Fett wieder hart ist.
Unser Teig ist inzwischen kräftig gewachsen. Ich knete ihn nochmal mit etwas Mehl durch und forme einen Laib, der in eine Kastenform kommt und noch eine zweite Runde gehen darf. Danach kommt das Brot bei 225 Grad in den Ofen, zusammen mit einer Schüssel Wasser. Nach 30 Minuten senken wir die Temperatur auf 175 Grad – für weitere 30 Minuten.
Während das Brot backt, rühren wir das Peeling in wenigen Minuten zusammen. Einfacher geht es kaum und es riecht richtig gut, nach Sommer.
Das Brot schmeckt toll
Unser Brot ist fertig und duftet herrlich. Kaum ist es etwas abgekühlt, testen wir die ersten Scheiben. Es schmeckt toll, deutlich intensiver als Supermarkt-Brot und ist richtig luftig. Nach dem Frühstück am nächsten Tag ist nichts mehr übrig. Der nächste Brotbacktermin steht bereits fest.
Auch das Lavendel-Peeling ist eine schöne Überraschung und lässt sich gut auf der Haut verteilen. Das Kokosöl hinterlässt einen Film auf der Haut, der zuerst etwas ungewohnt ist, sich dann aber richtig gut anfühlt. Balsam für wintertrockene Haut.
Die Do-it-yourself-Zahnpasta überzeugt nicht
Zum Schluss die Zahnpasta. Bei Zimmertemperatur hat sie nun etwa die Konsistenz von Butter. Ich trage etwas auf die Zahnbürste und fange an zu putzen. Der Kokosgeschmack ist extrem intensiv, die fettige Konsistenz erinnert eher an Essen. Nach etwa 30 Sekunden habe ich das Gefühl, dass ich dringend mal meine Zähne putzen müsste. Und das tue ich auch, mit meinem altbekannten Chemiebaukasten.
Mein Fazit: Sich damit auseinanderzusetzen, was und wie wir konsumieren und sich nach umweltverträglicheren Alternativen umzusehen, schadet auf keinen Fall. Blogs wie das "Experiment Selbstversorgung" können dabei wertvolle Anregungen geben und vielleicht auch den Anstoss, das eine oder andere einfach mal auszuprobieren. Ich hätte zum Beispiel nicht gedacht, dass Brot backen so einfach ist. Und es muss ja nicht gleich die Zahnpasta sein, die man selbst macht: Man kann auch mit ganz kleinen Schritten anfangen.
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