Immer mehr Schüler und Studenten fühlen sich dem schulischen Druck nicht gewachsen und pushen sich mit zum Teil verschreibungspflichtigen Medikamenten zu schulischen Höchstleistungen. Ein hohes Gesundheitsrisiko für die Karriere.

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Dopingmittel sind in Schule, Studium und Beruf längst verbreitet. Laut einer Studie, für die die Universität Mainz 2010 rund 1.500 Schüler und Studenten befragte, würden 80 Prozent bedenkenlos zu aufputschenden Mitteln greifen, wenn sie keine Nebenwirkungen oder Langzeitschäden zur Folge hätten. Etwa vier Prozent gaben sogar an, schon einmal versucht zu haben, mit legalen oder illegalen Substanzen ihre Leistung zu steigern. Bei solchen Substanzen handelt es sich in vielen Fällen um verschreibungspflichtige Medikamente und Wirkstoffe.

Verschiedene Studien belegen, dass die Leistungen des Gehirns durch Medikamente tatsächlich gesteigert werden können. Man spricht in diesem Zusammenhang von "Neuro Enhancement" (Steigerung der Hirnleistung) und "Neuro-Pushern". Experten weisen jedoch darauf hin, dass davon eher Menschen "profitieren", die vor der Einnahme übermüdet waren oder anlagebedingt kognitive Defizite aufwiesen. Kandidaten mit normaler oder überdurchschnittlicher geistiger Leistungsfähigkeit hingegen schnitten in Tests nach dem Konsum häufig schlechter ab als in nüchternem Zustand.

Das ist aber noch nicht alles. Auch die erheblichen Nebenwirkungen dieser Gehirn-Dopingmittel sollten nicht unterschätzt werden. So können nicht nur Nervenschäden und Abhängigkeit die Folge sein, in seltenen Fällen kann eine missbräuchliche Einnahme auch zum Tod führen.

Ritalin

Nächtelang an der Seminararbeit feilen oder auf wichtige Prüfungen vorbereiten: Um ihre Leistung zu steigern, greifen viele angehende Akademiker zu Amphetaminen oder verwandten Substanzen. Auch in anderen Berufen ist Doping verbreitet.

Einer Studie der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) zufolge nehmen rund 800.000 Bundesbürger regelmässig Aufputschmittel, um ihre Aufgaben zu bewältigen - vor allem "Ritalin". Das Medikament, das seit 2011 nicht mehr nur Kindern, sondern auch Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) verschrieben wird, fällt wegen der Suchtgefahr unter das Betäubungsmittelgesetz. Doch das scheint die Konsumenten nur wenig zu interessieren: Allein im letzten Jahr wurden laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte rund 1,7 Tonnen des Wirkstoffs Methylphenidat in deutschen Apotheken verkauft (1993 waren es gerade mal 34 Kilogramm).

Mit dem Wirkstoff Methylphenidat beeinflusst "Ritalin" den Dopaminhaushalt im Gehirn. Der Preis für mehr Konzentration und Dauerwachsein sind mögliche Nebenwirkungen, die von Kopfschmerzen, Panikzuständen bis hin zum plötzlichen Herztod reichen können.

Modafinil

"Modafinil" ist ein Wirkstoff, der bei Patienten mit Narkolepsie eingesetzt wird. Betroffene, die an dieser seltenen Krankheit leiden, werden am helllichten Tag von plötzlich auftretenden Schlafattacken heimgesucht. Indem "Modafinil" die Ausschüttung eines Schlaf fördernden Botenstoffes verlangsamt, hält es Narkoleptiker wach - und ist dadurch auch für Schüler und Studenten interessant, die sich durch die Einnahme des Medikaments eine gesteigerte Wachheit und Aufmerksamkeit versprechen.

Einer DAK-Studie zufolge hat sich die Zahl der verordneten Tagesdosen von "Modafinil" im Zeitraum von 2005 bis 2007 mehr als verdoppelt. Bei knapp 24 Prozent der Versicherten konnte allerdings keine entsprechende Diagnose nachgewiesen werden. Begründet wird diese Entwicklung auch mit der Tatsache, dass die Substanz seit Februar 2008 keiner gesonderten Verschreibungspflicht mehr unterliegt.

Wie bei "Ritalin" sind auch bei diesem Medikament die Nebenwirkungen nicht zu unterschätzen. So können etwa Schlafstörungen, Depressionen, Schwindel und Herzrasen durch "Modafinil" ausgelöst werden.

Piracetam

Auch der eigentlich gegen Demenz eingesetzte Wirkstoff Piracetam, der gegen Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Ermüdung und Antriebsmangel wirkt, wird zunehmend als Aufputschmittel missbraucht.

Piracetam regt den Hirnstoffwechsel an und soll so Demenzpatienten zumindest eine vorübergehende Verbesserung ihrer kognitiven Fähigkeiten ermöglichen. Schüler und Studenten versprechen sich von dem Mittel vor allem eine Hilfe beim Vokabellernen, da Piracetam auch das Sprachzentrum im Gehirn anregt.

Das Gesundheitsrisiko, das man mit der Einnahme von Piracetam jedoch eingeht, ist erheblich: Die Nebenwirkungen des Wirkstoffes können von Übelkeit, über Depressionen bis hin zu Angststörungen und aggressivem Verhalten reichen.

Sinemet

Eigentlich zur Behandlung von Parkinson eingesetzt, ist auch das Medikament "Sinemet" mittlerweile immer öfter in Pillendöschen von Berufstätigen und Studierenden zu finden. Es enthält den Wirkstoff Levodopa, der im Gehirn zu Dopamin umgewandelt wird und so die Leistung steigern soll.

Allerdings kann der Konsum auch genau das Gegenteil bewirken: Neben häufig auftretenden Nebenwirkungen wie etwa Spasmen und Übelkeit, sind teilweise auch Schläfrigkeit, Verwirrung und Kraftlosigkeit nach Einnahme des Medikaments beobachtet worden. Für viele offenbar dennoch kein Grund, auf Gehirn-Dopingmittel zu verzichten: Zwanzig Prozent der Befragten der DAK-Studie sind der Ansicht, dass die Risiken der Mittel im Vergleich zum Nutzen auch bei Gesunden vertretbar sind.

Betablocker

Betablocker haben eine dämpfende Wirkung und werden Patienten mit erhöhtem Blutdruck verschrieben. Weil sie die Herzfrequenz deutlich senken, wirken diese Substanzen eher leistungshemmend. Dennoch sind sie in den Listen häufig verwendeter Dopingmittel zu finden. Der Grund: Bei manchen Sportarten wie Schiessen oder Golf werden sie gezielt zur Beruhigung eingesetzt.

In Schule und Studium haben sich Betablocker als Mittel gegen Prüfungsangst verbreitet. Ähnlich wie Alkohol werden sie "zum Runterkommen" nach stressigen Tagen konsumiert. Die Ergebnisse der DAK-Studie deuten darauf hin, dass zum Beispiel der Betablocker "Metropol" missbräuchlich verwendet wird. Jeder zehnte Versicherte konnte keine der zugelassenen Diagnosen wie Bluthochdruck, Herzinsuffizienz oder Migräne nachweisen.

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