Als erste grosse Notenbank hat die EZB hat die Leitzinsen gesenkt - und zwar um 0,25 Prozentpunkte. Der Schritt wurde von Fachleuten erwartet - obwohl die Teuerungsrate zuletzt wieder etwas angezogen hat. Was bedeutet die Zinswende für Verbraucherinnen und Verbraucher?
Von Kreditnehmern ersehnt, von Sparern befürchtet: Die Europäische Zentralbank (EZB) senkt nach ihrer beispiellosen Serie von Leitzinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation wieder die Zinsen im Euroraum. Nach knapp neun Monaten auf Rekordhoch verringern die Euro-Währungshüter den Einlagenzins, den Banken für geparkte Gelder erhalten, um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent.
Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt:
Was bedeutet dieser Schritt für die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Wirtschaft?
Warum hat die EZB die Zinsen so stark erhöht?
Im Juli 2022 beendete die EZB ihre jahrelange Politik der Null- und Negativzinsen, um die zeitweise auf Rekordhöhe gekletterte Inflation in den Griff zu bekommen. Zehnmal in Folge schraubte die Notenbank in der Folge die Zinsen nach oben, ehe sie eine Pause einlegte. Der Zins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, ist mit 4,5 Prozent derzeit so hoch wie zuletzt im August 2001. Der Einlagenzins, den Banken im Euroraum für geparkte Gelder erhalten, hat mit 4,0 Prozent das höchste Niveau seit Bestehen der Währungsunion 1999 erreicht.
Warum jetzt die Trendwende?
In den vergangenen Monaten ist die Teuerung tendenziell gefallen, was Spielraum für Zinssenkungen eröffnet. Denn höhere Zinsen sorgen zwar einerseits dafür, dass Kredite mehr kosten, was die Nachfrage bremsen und hohen Inflationsraten entgegenwirken kann. Zugleich aber sind teurere Finanzierungen eine Last für Unternehmen und private Investoren. Angesichts der schwächelnden Konjunktur und zurückgehender Inflationsraten mehrten sich zuletzt Forderungen, die Zinsen wieder zu senken. Seit Monaten bereiten die Euro-Währungshüter die Märkte auf einen ersten Zinsschritt nach unten im Juni vor.
Was bedeutet eine Zinssenkung für Sparerinnen und Sparer?
"Wenn eine Zinsentscheidung weithin erwartet wird, passen sich die Marktpreise schon im Vorfeld an. Das heisst: Wenn die Zinsentscheidung gemäss der allgemeinen Erwartung fällt, dann dürfte sich eigentlich nichts ändern, weil das bereits eingepreist ist", hatte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel jüngst schon ARD Plusminus und tagesschau.de gesagt.
Wer jetzt Geld für einen längeren Zeitraum anlegen möchte, bekommt bei vielen Geldhäusern schon nicht mehr so hohe Zinsen wie noch vor ein paar Monaten. Brachten bundesweit verfügbare Festgelder mit einem Jahr Laufzeit im Dezember noch durchschnittlich 3,34 Prozent Zinsen, so sind es aktuell noch 2,98 Prozent, wie das Vergleichsportal Verivox errechnet hat. Verivox hat die Konditionen von etwa 800 Banken und Sparkassen für eine Anlagesumme von 10.000 Euro ausgewertet (Stichtag: 1.6.2024).
Auch mit den Tagesgeldzinsen geht es der Verivox-Auswertung zufolge weiter nach unten: Im Mai sanken die Durchschnittszinsen bundesweit verfügbarer Tagesgeldangebote den zweiten Monat in Folge auf 1,72 Prozent. "Die Tagesgeldzinsen haben ihren Zenit überschritten", sagt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. Im Fall einer EZB-Zinssenkung müssten sich Sparerinnen und Sparer darauf einstellen, "dass auch die Tagesgeldzinsen noch deutlicher als bisher sinken werden".
Profitieren Kreditnehmer?
Die Bauzinsen, die sich an der Verzinsung von Bundesanleihen orientieren, sind bereits gefallen: Für zehnjährige Kredite waren nach Angaben der FMH-Finanzberatung zuletzt 3,66 Prozent pro Jahr fällig (Stand: 3.6.2024), Ende Oktober waren es noch mehr als vier Prozent. Das verbilligt Immobilienfinanzierungen. "Wer heute einen Immobilienkredit aufnimmt, zahlt schon jetzt weniger Zinsen als noch vor einigen Monaten. Denn die Marktakteure erwarten schon länger, dass die Zinsen im Juni gesenkt werden", erläuterte Schnabel.
Welchen Kurs wird die EZB in den nächsten Monaten einschlagen?
Vieles deutet darauf hin, dass die Notenbank nach der jetzt erfolgten Senkung zunächst keine weiteren folgen lassen wird. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel, der im EZB-Rat über die Geldpolitik für den Euroraum mitentscheidet, zum Beispiel hatte betont, aus einer ersten Zinssenkung könne man keine "Art Autopilot" ableiten, bei dem gleich die nächste Zinssenkung folgen müsse. Man dürfe nichts überstürzen. Es gelte, die Preisentwicklung von Sitzung zu Sitzung zu beobachten, sagte Nagel.
EZB-Chefvolkswirt Philip R. Lane vertrat in einem Interview mit der britischen Wirtschaftszeitung "Financial Times" die Auffassung, die EZB-Geldpolitik müsse trotz absehbarer Lockerungen "das ganze Jahr über restriktiv" bleiben. Als restriktiv gilt eine Geldpolitik, wenn der Leitzins auf einem "neutralen" Niveau liegt, sodass die Wirtschaft weder gebremst noch angetrieben wird. Im kommenden Jahr sehe es vermutlich etwas anders aus, wenn die Inflation sichtbar in den Zielbereich der EZB sinke, sagte Lane. Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an. (dpa/AFP/szu)
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