Die Schweizer Grossbanken entdecken reiche Frauen als Zielpublikum. Die Anlegerinnen hätten andere Bedürfnisse. Ticken Investorinnen wirklich anders als Männer?
Wenn nur die Frauen das Sagen gehabt hätten. Wäre es 2008 zur weltweiten Finanzkrise gekommen, wenn die Bank, die das Desaster mit ihrem Kollaps auslöste, "Lehman Sisters" statt "Lehman Brothers" geheissen hätte?
Diese Frage stellte die damalige französische Finanzministerin
Das Thema Frauen und Finanzen ist uralt, aber nie vom Tisch. Die Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse entdecken gerade die Frauen neu, vor allem die vermögenden. Sie wollen die Vermögensberatung ansprechender für Frauen machen, wie Olga Miler sagt, Managing Director in der UBS-Vermögensberatung.
Fabienne Briggeler, Bankerin bei Credit Suisse, betont: "Uns geht es um mehr als 'shrink it and pink it'." So nennen Marketingstrategen abfällig Produkte für Frauen, die nur kleiner und aufgehübscht daher kommen.
Frauen planen langfristiger
Frauen gehen anders an die Sache des Geldanlegens ran, haben die Banken festgestellt. "Man kann es nicht pauschal sagen, aber im allgemeinen fokussieren Männer im Beratungsgespräch stärker auf technische Aspekte und die Rendite des Portfolios als Frauen", sagt Miler.
"Frauen planen langfristiger. Ihnen geht es mehr darum, Lebensziele zu erreichen." Das könne die Absicherung der Kinder sein, oder auch Investitionen, um die Gesellschaft positiv zu verändern.
Briggeler sagt: "Männer haben bei Anlageentscheidungen weniger Kriterien als Frauen. Sie haben üblicherweise mehr emotionalen Abstand zu Geld."
Frauen informieren sich vor Anlagen ausführlicher als Männer, hat die Beraterfirma Ernest & Young herausgefunden. Viele Frauen seien mit dem Service von Vermögensberatern unzufrieden, schreibt die Boston Consulting Group in einer Studie. Mehr Einfühlungsvermögen für die Vermögensberater steht deshalb nun auf dem Plan der Banken.
Fachwissen vs. Vertrauen
"Männer testen als erstes das Fachwissen des Beraters, während Frauen eher Vertrauen aufbauen wollen. Darum ist es umso wichtiger, dass Berater während des Gesprächs gut zuhören", so Briggeler. "Die Branche hat ihre eigene, teils technische Sprache entwickelt, aber Frauen sind weniger interessiert, sich mit "bank-speak“ auseinanderzusetzen", meint Miler.
Frauen suchten auch teils andere Investments: "Unsere Analysen haben gezeigt, dass die grosse Mehrheit der Frauen in Unternehmen investieren möchte, die zu sozialem Wohlergehen beitragen. Deshalb bauen wir unser Portfolio mit nachhaltigen Anlagen kontinuierlich aus", sagt Miler. Die Credit Suisse tut dasselbe.
Aber ticken Frauen bei Finanzgeschäften wirklich anders? Wolfgang Reittinger von der Wirtschaftsuniversität Frankfurt School of Finance and Management ist skeptisch. "Dass Frauen mehr auf ethische Investments schauen als Männer ist mir zu generalisiert", sagt der Fachmann für Private Banking, das Geschäft mit Vermögen von Privatkunden. Er war selbst 30 Jahre im Bankgeschäft.
"Natürlich muss man sich um Frauen als Zielgruppe kümmern. Aber das muss man nicht damit verbrämen, dass sie anders ticken."
Jeder Kunde, ob Mann oder Frau, habe andere Anlagebedürfnisse. Das herauszufinden sei Aufgabe aller Vermögensberater. "Es gibt vielleicht eine kleine Tendenz bei Frauen zu weniger Risikobereitschaft", sagt Reittinger.
Mehr Testosteron, mehr Risiko
Trotzdem, der kleine Unterschied zwischen Frauen und Männern wirkt sich auch in Finanzgeschäften aus. 2015 wies die renommierte Wissenschaftsuniversität Imperial College in London nach, dass das männliche Sexualhormon Testosteron und das Stresshormon Cortisol Entscheidungen von Börsenmaklern beeinflussen. Richtung: mehr Risiko.
Auf jeden Fall sind Frauen eine zunehmend lukrative Kundschaft. Von 2015 bis 2020 werde das private Vermögen weltweit von knapp 168 Billionen Dollar auf 224 Billionen Dollar steigen, schätzt die Boston Consulting Group.
Ein Drittel davon sei in Frauenhand, und ihr Anteil am Gesamtvolumen wachse. Neben den Millenials, Investoren bis Mitte 30, seien Frauen die zweite Gruppe, die Investmentmanagern "bedeutende Wachstumsmöglichkeiten" böten. © dpa
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