- Jedes Jahr wird der "Equal Pay Day" ermittelt, um auf den Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen hinzuweisen.
- Laut einer Studie erwarten Frauen zum Berufseinstieg rund 12.000 Euro weniger Jahresgehalt als Männer.
- Eine Finanzexpertin erklärt, warum sich Frauen oft mit weniger Lohn zufriedengeben und wie die Gehaltsverhandlung mit der richtigen Vorbereitung die eigenen Erwartungen übertreffen kann.
Geht es ums Thema Geld, sind wir Frauen oft sprachloser als wir sein sollten. Das beweist der sogenannte "Gender Pay Gap": die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Danach verdienten Frauen in Deutschland im Jahr 2021 durchschnittlich 18 Prozent weniger als Männer. Die Ursachen sind vielschichtig. So viel vorweg: Der Weg zur erfolgreichen Gehaltsverhandlung ist ein ganzheitlicher Prozess.
"Wir Deutschen haben eine Art Geld-Angst", sagt Finanzcoach Susan J. Moldenhauer. "Diese Angst kann durch die Kriege entstanden sein, durch Börsencrashs, aber auch durch die individuelle Prägung: Wie sind zum Beispiel die eigenen Eltern mit Geld umgegangen, was haben sie für ein Bild vermittelt?
So haben wir unseren eigenen negativen Glaubenssatz, der uns prägt – und gerade Frauen fragen sich beim Thema Gehaltsverhandlung: Was, wenn ich zu viel verlange? Wirke ich dann nicht zu forsch und unsympathisch?"
Stark und selbstbewusst – wenn es um andere geht
Wenn Frauen hingegen andere verteidigen müssen, fällt ihnen Durchsetzungsvermögen und Stärke nicht schwer. "Nur wenn es um die eigene Leistung geht, leidet unser Selbstwert", sagt die Karriere-Expertin. "Er wird von uns gar nicht wahrgenommen und wir haben auch gar nicht gelernt, für ihn einzustehen: Wir verkaufen uns tendenziell unter Wert."
Diese Unsicherheit im Selbstwert kann unter anderem eine geschichtliche Ursache haben: Noch bis in die späten 70er Jahre durfte eine Frau nur arbeiten, wenn der Ehemann es erlaubte – denn dieser konnte das Arbeitsverhältnis seiner Frau einfach kündigen.
"Mädchen wurden auch anders erzogen", erklärt die Karriere-Expertin. "Sie sollten zurückhaltend, freundlich und kooperativ sein. Evolutionsbiologisch ist das auch begründbar, denn wir sind nicht für Kampf und Flucht gebaut, sondern freunden uns eher mit dem Feind an, da wir ihm körperlich sowieso unterlegen wären. Die Verhaltensforschung spricht von der Tend-and-befriend-Reaktion."
Die Verhandlung aus Sicht eines Agenten sehen
Obwohl Kooperation und Freundlichkeit keine schlechten Berater in der Gehaltsverhandlung sind, ist das stereotype Rollenmuster der "zurückhaltenden Frau" oft so sehr in den Köpfen beider Verhandlungsseiten festgesetzt, dass viele Gespräche scheitern.
"Wir können in der Verhandlung aber auch so tun, als wären wir zum Beispiel die Agentin für eine Freundin, die einen Job oder mehr Geld möchte", sagt Moldenhauer. "Dann sind wir sehr stark und können gut argumentieren."
Vor der Gehaltsverhandlung
Neben der Idee, in der Verhandlung scheinbar für jemand anderen zu streiten und damit die Angst vor einer möglichen Zurückweisung zu schmälern, gibt die Expertin vor einer anstehenden Gehaltsverhandlung folgende vier "Hausaufgaben":
1. Informationen holen
Damit sind Recherchen zum eigenen Marktwert, zum Gehalt und zum Arbeitgeber gemeint. "Ich sollte mir unbedingt auf mehreren Plattformen im Netz anschauen, was grundsätzlich in meiner Branche los ist und welche Gehaltsspanne es gibt", erklärt die Finanzwirtin.
"Auch kann es bei einem neuen Job hilfreich sein, wenn ich mich über den Arbeitgeber informiere und mich frage, wie die Unternehmenskultur aussieht und ob ich da richtig aufgehoben bin."
2. Klarheit gewinnen
Damit ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Situation gemeint: "Was kann ich und für welche Werte stehe ich ein?", erklärt Moldenhauer. "Bin ich Einsteigerin, Umsteigerin, möchte ich mich verändern?"
Und: "Keine Angst vor einem möglichen Zickzack-Lebenslauf! Die Lebensentwürfe heutzutage sind ganz anders als die unserer Eltern oder Grosseltern, bei denen das Arbeitsleben in vielen Fällen geradlinig verlief."
3. Einstellung überprüfen
Damit ist die Auseinandersetzung mit der Einstellung zu Geld und Autoritäten gemeint. "Es ist hilfreich, sich zu fragen, wie man selbst zum Thema Geld steht oder wie man damit aufgewachsen ist", erklärt der Karrierecoach.
"Auch ist es wichtig zu wissen, welche Erfahrungen man mit Autoritäten mitbringt, beispielsweise Lehrern. Erinnert mich mein Chef beispielweise an den schrecklichen Musiklehrer von damals? Kann es deswegen sein, dass ich solche negativen Prägungen unbewusst im Gespräch abrufe?"
Eine Hilfestellung könne beispielsweise ein Perspektivwechsel sein: Auch der Chef spielt gerade eine Rolle, nämlich die des Vorgesetzten – weil er es muss. "Letztlich kann es sein, dass er sich genauso unwohl in der Gehaltsverhandlung fühlt wie ich", sagt Moldenhauer.
4. Haltung haben
Der letzte und wichtigste Punkt fängt bei der Bewerbung an und endet bei der eigenen Sprache und Körperhaltung. Folgende Fragestellungen ergeben sich: "Stehe ich hinter meinen bisherigen Leistungen?", erklärt die Verhandlungs-Expertin.
"Stehe ich auch zu meinen Zielen, die ich anpeile? Dann wird es meine Körpersprache untermauern. Habe ich aber Angst davor, meine grosse Gehaltszahl zu nennen, wird auch das sichtbar: Ich werde vielleicht kleiner, ducke mich, kann die Zahl vielleicht gar nicht richtig aussprechen. Ich kann vielleicht deswegen auch mal meine Freunde fragen, wie sie mich wahrnehmen. Oder meine Stimme aufnehmen und abhören, wie sie sich in verschiedenen Launen anhört. All das hilft, meine Forderungen und Ziele stark zu übermitteln."
In der Gehaltsverhandlung
Sind die Hausaufgaben erledigt, können in der Gehaltsverhandlung folgende Tipps helfen:
1. Die Ankertechnik anwenden
Dabei sollen sich laut der Autorin drei Ziele überlegt werden:
- Ziel 1 ist das Maximalziel: das höchste Gehalt, was man sich bei der Stelle erträumt.
- Ziel 2 ist die unterste Schmerzgrenze des Gehalts. "Die sollte immer mein Geheimnis bleiben", sagt Moldenhauer.
- Ziel 3 wäre die Alternative zu beiden Gehältern.
"Der erstgenannte Wert ist der Referenzpunkt", erklärt die Finanzwirtin. "Unsere Gehirne merken sich immer wieder diesen Wert als Orientierung. Man sollte sich also ruhig trauen, das Maximalziel zu platzieren. Manche Personaler wollen bewusst die Schmerzgrenze wissen, etwa mit der Frage: 'Was möchten Sie mindestens verdienen?' und wollen damit den niedrigen Anker setzen. Von dort aus kann ich später aber schlecht nachverhandeln. Daher platziere ich meinen höchsten Anker mit dem Maximalziel – und falls mehrere gut argumentierte 'Neins' erfolgen, habe ich mein Alternativziel 3, das ich als Entgegenkommen in der Verhandlung nutzen kann."
2. Geldwerte Vorteile aushandeln
Nicht immer wird die Forderung nach einer Gehaltsanpassung erfüllt. Doch auch die sogenannten geldwerten Vorteile bringen viel. "Das kann zum Beispiel ein regelmässiger Tankgutschein sein, ein Firmenwagen, den man auch privat nutzen kann, Fortbildungen, eine zusätzliche arbeitgeberfinanzierte Altersvorsorge, eine 4-Tage-Woche bei gleichem Gehalt oder das Kindergartenentgelt", erklärt die Autorin. "Nachfragen lohnt sich immer."
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