Berlin (dpa) - Die grosse Mehrheit der Menschen hierzulande sähe es gerne, wenn Reiche mehr von ihrem Vermögen abgeben müssten. Das zeigen die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung für eine Studie der Bertelsmann Stiftung zum Gerechtigkeitsempfinden in Deutschland.
Danach stimmen drei von vier Erwachsenen (75,3 Prozent) der Aussage zu, der Staat solle "für eine Verringerung des Unterschieds zwischen Arm und Reich sorgen". Eine Vermögensteuer für "Reiche" fänden etwa genauso viele Menschen (76,5 Prozent) gut oder sogar sehr gut. Wer zu den "Reichen" zählt und ab welchem Betrag das Vermögen besteuert werden sollte, war in der Fragestellung allerdings nicht vorgegeben.
Nicht leistungsgerechte Entlohnung
Die von der Mehrheit empfundene Verteilungsungerechtigkeit hat ihre Ursache aus Sicht vieler Bundesbürger unter anderem in einer nicht leistungsgerechten Entlohnung. Der Aussage "Man wird in Deutschland entsprechend seiner Leistung vergütet" stimmte nicht einmal jeder Vierte (23,7 Prozent) zu. Als die Meinungsforscher wissen wollten, ob das eigene Einkommen im Vergleich zu dem, was andere erhalten, als gerecht empfunden werde, lag die Zustimmung allerdings mit rund 35 Prozent etwas höher.
Die Forscher stellten zudem fest, dass der Drang zur Umverteilung etwas abnimmt, wenn es ans eigene Portemonnaie geht. Laut Studie wären lediglich 37 Prozent der Befragten bereit, mehr Steuern zu zahlen, wenn ärmere Menschen dafür eine höhere finanzielle Unterstützung vom Staat bekämen. Interessant ist: wer ein geringeres Nettoeinkommen, ist eher bereit, für dieses Ziel davon etwas abzugeben als diejenigen, die über mehr Geld verfügen können.
Noch ein Befund, der die Forscher überrascht hat: Wer die heutige Gesellschaft als ungerecht empfindet, spricht sich zwar häufiger für mehr Umverteilung aus als andere. Für Massnahmen, die erst in der Zukunft wirksam werden, also eher die Generationengerechtigkeit betreffen, gilt das aber insgesamt nicht. Doch immerhin: Dass der Staat mehr tun sollte, um die Klimaziele zu erreichen, findet die Zustimmung von 68,5 Prozent der Bürger.
Wenig Vertrauen in die Politik
Für die Studie, die vom Ifo Institut begleitet wurde, waren im Herbst 2021 bundesweit 4900 Menschen im Alter zwischen 18 Jahren und 69 Jahren durch das Unternehmen Bilendi&respondi befragt worden. Mit Blick auf die seit der Befragung gestiegenen Preise für Energie und Lebensmittel sagte Kai Unzicker, einer der Autoren der Studie: "Meine Vermutung ist, dass das, was wir hier gesehen haben, sich in den letzten Monaten noch einmal verschärft hat."
Schon im Herbst vergangenen Jahres fühlten sich der Studie zufolge viele Menschen nicht ausreichend von der Politik beachtet. Lediglich rund jeder Fünfte stimmte der Aussage zu "Die Politik kümmert sich ausreichend um Leute wie mich". Dass die Interessen von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie von den politisch Verantwortlichen vernachlässigt worden seien, ist eine Feststellung, der sich mehr rund 72 Prozent der Befragten anschlossen. Nur knapp jeder Vierte gab an, viel Vertrauen in Politikerinnen und Politiker zu haben.
Das Vertrauen in die Polizei war dagegen bei rund 70 Prozent der Befragten hoch und lag damit in etwa auf dem Niveau der zurückliegenden Befragung von 2017.
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