Von Finanzhaien hat jeder schon gehört. Mindestens genauso gefährlich sind aber die kleineren Tiere, die auf den ersten Blick unscheinbar daherkommen: die Finanzquallen. Mit welchen Tricks sich Abzocker tarnen, um an das Geld nichtsahnender Sparerinnen und Sparer zu kommen, lesen Sie hier.
So ein Bürotag ist ja nicht immer nur unterhaltsam. In meinem Berufsleben habe ich viel mit Tabellen, To-do-Listen und einer Software namens Tango zu tun, deren einzige Gemeinsamkeit mit dem argentinischen Nationaltanz leider eine gewisse Unberechenbarkeit ist.
Aber es gibt auch andere, aufregende Tage, die eher einem Tiefsee-Tauchgang gleichen. Das sind die Tage, an denen die Finanztest-Redaktion auf der Spur von Finanzhaien und ihren kleinen Nachahmern ist - nennen wir sie die Finanzquallen. Die schwimmen eher unauffällig im grossen Meer der Geldanlage mit, sehen recht unscheinbar aus, aber wenn man mit ihnen Berührung kommt, tut es weh. Das Ziel dieser Spezies ist klar: Normalbürgern Geld abknöpfen. Das Ziel von Finanztest ist ebenso klar: genau das verhindern.
Ehrlich gesagt ist das sogar der Grund, warum ich gern bei Finanztest arbeite: die Idee, Menschen vor teuren Fehlern zu bewahren und Abzockern auf die Schliche zu kommen. Manchmal, wenn wieder Hunderte oder Tausende Kleinanleger auf einen üblen Trick reingefallen sind, möchte ich auf die Strasse gehen und rumschreien: "Jetzt lest endlich alle mal unsere Checklisten und haltet euch dran!"
Fünf Tipps, um Anlagebetrug zu erkennen
Mache ich natürlich nicht. Stattdessen hier ganz leise die fünf wichtigsten Tipps:
- Tipp 1: Misstrauen Sie hohen Renditeversprechen. Die Faustregel "Je höher die Rendite, desto höher das Risiko" stimmt fast immer. "Hohes Risiko" bedeutet bei Geldanlage, dass das gesamte eingesetzte Geld weg sein kann. Jede Rendite, die deutlich über den gängigen Sätzen für dreijähriges Festgeld liegt – derzeit rund 3 Prozent - ist mit Risiken verbunden.
- Tipp 2: Prüfen Sie, wo die Firma, bei der Sie anlegen möchten, ihren Geschäftssitz hat. Im Ausland ist es oft kompliziert, Schadenersatzansprüche durchzusetzen. Fragen Sie vor einer Investition auf einer Internet-Handelsplattform bei der Finanzaufsichtsbehörde des Herkunftslandes nach, ob der Anbieter dort registriert ist. Falls nicht, könnte es sich um einen Fake-Anbieter handeln, der sich mit Ihrem Geld davonmacht.
- Tipp 3: Bei Festzinsverträgen fragen Sie bei der Bank nach, ob diese den Vermittler und den Festzinsvertrag kennt.
- Tipp 4: Schauen Sie in unserer Finanztest-Warnliste nach, ob die Anlagefirma schon einmal negativ aufgefallen ist.
- Tipp 5: Lassen Sie sich nicht von Mitmenschen blenden, die auf Youtube, Tiktok oder Instagram von Gewinnen berichten, die sie mit einem genialen neuen Anlagetipp gemacht haben. Die Berichte können bezahlt sein. Oder es könnten die ersten Anleger sein, deren Erfolge als Lockmittel für weitere Einzahlungen dienen sollen.
Und sagen Sie jetzt nicht, dass Ihnen so etwas nicht passieren könnte. Viele betrügerische Webseiten sind ausgesprochen gut gemacht. Einige benutzen sogar die Adressen echter Firmen – nur dass die entsprechende Firma davon nichts weiss. Finanztest hat aufgeschrieben, mit welchen perfiden Maschen beispielsweise Online-Finanzplattformen um das Vertrauen ihrer Besucher werben.
Totalverlust statt Gewinn
Manchmal ist es erschütternd, in die Welt der Finanzquallen abzutauchen. Wie neulich, als bei der Online-Mitgliederversammlung eines Fake-Portals klar wurde, dass die meisten Einzahler ihre Zahlungen nicht wiedersehen würden. Da waren Familienväter, die ihre Ersparnisse eingesetzt hatten, kleine Selbstständige, die einen grossen Teil ihrer Rentenversicherung auf die hohen Renditeversprechen gewettet hatten. Betrogene, die statt Gewinn nun plötzlich vor dem Totalverlust standen.
Umso schöner ist es natürlich, wenn am Ende, oft nach vielen Jahren, ein Abzocker schliesslich doch noch vor Gericht landet. Gerade läuft in Augsburg ein Prozess gegen einen Mann, der jahrelang Anlegerinnen und Anleger um ihr Geld brachte, die Staatsanwaltschaft spricht von insgesamt 9 Millionen Euro Schaden. Sein Firmengeflecht steuerte er von den USA aus und konnte deshalb lange nicht belangt werden.
Als Finanztest über ihn berichtete, überzog er die verantwortliche Redakteurin mit Verleumdungen. Ein Internetportal, hinter dem er steckte, veröffentlichte frei erfundene Vorwürfe gegenüber Stiftung Warentest und speziell gegenüber der Redakteurin. Gleichzeitig erhielt sie anonyme Droh-E-Mails. Mit ähnlich rüden Methoden ging er Konkurrenten an. Gleich am ersten Prozesstag gab der Angeklagte den Anlagebetrug zu. Eine Verurteilung wird damit wahrscheinlicher.
Seinen geprellten Opfern nützt das allerdings wenig. Sie werden ihr Geld auch dann nicht zurückbekommen, wenn der Drahtzieher ins Gefängnis wandern sollte. Deshalb: Machen Sie mir eine Freude und denken Sie lieber fünfmal nach, bevor Sie sich auf ein vermeintlich lukratives Geschäftsmodell einlassen. Abgemacht?
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