Ist Schweinezucht sinnvoller als Kindererziehung? In der Talkshow "Hart aber fair" des WDR wurde kürzlich über Kinder auch mit Blick aufs Steuerrecht diskutiert. So haarsträubend der Vergleich sein mag – in der Tat "investieren" Eltern Zehntausende Euro in ihren Nachwuchs, oftmals noch weit über die Volljährigkeit hinaus.
Provokative Fragen sind oft hilfreich, wenn es darum, Diskussionen anzufachen. Ob die Steuerberaterin und alleinerziehende Mutter Reina Becker über dieses Ziel hinausgeschossen ist, als sie sich in Frank Plasbergs Politshow zu dem Satz verstieg, "steuerlich gesehen" sei es "sinnvoller, Schweine aufzuziehen, als Kinder", mag dahingestellt bleiben. Immerhin gilt es festzustellen, dass niemand Kinder grosszieht, um sie anschliessend gewinnbringend zu verkaufen – was bei der Schweinezucht Sinn und Zweck ist.
Doch auch wenn es Eltern nicht darum geht, Windeln und Bobbycar, Schultüte und Fussballschuhe von der Steuer abzusetzen und über ihre Kinder eine Art Gewinn- und Verlustrechnung fürs Finanzamt aufzustellen – unbestritten ist, dass deren Erziehung ein teurer Spass ist.
Letzte Zahlen stammen aus dem Jahr 2013
Das Bundesamt für Statistik weiss Genaueres zum Thema. Allerdings stammt die Untersuchung zu "Konsumausgaben von Familien für Kinder" aus dem Jahr 2013. Zahlen für 2018 liegen zwar bereits vor, doch mit der Aufbereitung der Daten dauert es noch.
Wer den Zahlendschungel der Statistiker durchforstet, erkennt zunächst, dass sich die Ausgaben für Kinder kaum über einen Kamm scheren lassen – die Unterschiede zwischen den Einkommensschichten sind enorm.
So gaben Paare mit zwei Kindern und einem monatlichen Netto-Haushaltseinkommen von 2.067 Euro im Jahr 2013 durchschnittlich 679 Euro pro Monat für ihre Kinder aus. In der höchsten untersuchten Einkommensschicht (Nettoeinkommen 9.518 Euro pro Monat) lagen die Ausgaben für die beiden Kinder fast dreimal so hoch: Sie summierten sich hier auf 1.817 Euro pro Monat.
Der durchschnittliche Verdienstausfall ist schwer zu berechnen
Die Zahlen zeigen: Die Ausgaben für Kinder können hoch sein, man kann aber auch sparen. Wer mag (oder muss), kann beispielsweise das zweite Kind zum grossen Teil mit gebrauchter Kleidung des älteren Geschwisterkindes ausstatten. Doch Gebrauchtes steht nicht immer zur Verfügung. Windeln etwa kosten für jedes Kind extra – nach Berechnung des Vergleichsportals idealo von 2015 etwa 1.350 Euro für die ersten zwei Jahre. Schon vorher fallen laut idealo für die Baby-Grundausstattung mindestens 2.140 Euro an – inklusive Stillkissen, Lätzchen, Bürste fürs Milchfläschchen und vielem mehr. Die "minimale Grundausstattung" bis zum Schulanfang beziffert idealo auf rund 45.000 Euro. "Gebraucht kaufen kann die Kosten halbieren", werden skeptische Familienplaner getröstet.
Doch spätestens mit dem Ende des Babyalters wird die Berechnung schwieriger: Die Sätze für Kinderkrippen und Kindergärten schwanken nicht nur nach Bundesländern, sondern auch nach Gemeinden. Andere Fixkosten wie Taschengeld, Urlaube, Kosten für den Kommunikationsbedarf und Freizeitaktivitäten wiederum fallen je nach Einkommensverhältnissen stark unterschiedlich aus.
Unmöglich ist es auch, die sogenannten "Opportunitätskosten" zu beziffern: Wenn beispielsweise ein Elternteil zugunsten der Kindererziehung für längere Zeit oder auch nur vorübergehend auf die eigene Erwerbstätigkeit verzichtet, fallen Einnahmen weg, die in einer realistischen Buchführung als Verluste abzubuchen wären. Doch wie oft solche Einkommensverzichte vorkommen, wie lange sie im Schnitt dauern und wie hoch die Einbussen der betroffenen Eltern sind, hat auch das Statistische Bundesamt nicht erfasst. Ebenfalls nicht in den Berechnungen der Statistiker enthalten: Ausgaben für Versicherungen und Vorsorge.
Die Wäscheleine – 700 Meter lang
Basierend auf den Daten des Bundesamtes hat das ZDF im Jahr 2013 eine Dokumentation gedreht. Das Resümee der Reportage: "Kinder kosten eine Menge Geld". Ein besonders gelungenes Bild dieser Reportage: Die Macher liessen sämtliche Klamotten, die ein Kind von der ersten Windel bis zum 18. Lebensjahr benötigt, an einer Wäscheleine aufhängen – sie war 700 Meter lang. Diese Wäscheleine voller Kinderkleidung hätte gut 9.100 Euro gekostet. Dabei ist die Kleidung nach den Zahlen der Wiesbadener Statistiker von 2013 nur der viertgrösste Posten.
An erster Stelle rangieren die Ausgaben fürs Wohnen (Wasser, Energie, Miete) in Höhe von knapp 32.700 Euro, auf dem zweiten Platz folgt die Ernährung mit 25.600 Euro, an dritter Stelle liegen "Freizeit und Sport" mit 15.600 Euro.
Die Ausgaben sind natürlich nicht von Anfang an konstant – sie wachsen mit dem Kind. Nicht nur der Appetit wird mit den Jahren grösser – auch die Bedürfnisse und die Ansprüche steigen. Während das Kindergartenkind noch mit vergleichsweise preiswertem Spielzeug auskommt, "braucht" der 10-jährige Nachwuchs oft schon ein Smartphone, der 14-jährige einen Laptop, und mit 18 will der Führerschein finanziert sein. So errechnen die Statistiker bis zum 6. Lebensjahr durchschnittliche Ausgaben von 519 Euro pro Monat, die für das Alter von sechs bis zwölf auf 604 Euro ansteigen und für die 12- bis 18-Jährigen 700 Euro pro Monat betragen.
Kind kostet bis zum 18. Lebensjahr weit über 100.000 Euro
Am Ende der Berechnung steht eine erkleckliche Summe: In der Berechnung des ZDF sind es 117.000 Euro, andere Untersuchungen kommen auf 130.000 Euro, die bis zum 18. Lebensjahr fällig sind.
Allerdings wissen Eltern, dass das "Kind" mit dem Erreichen des Erwachsenenalters finanziell oftmals noch längst nicht auf eigenen Beinen steht. Nach einer Erhebung des Deutschen Studentenwerkes von 2016 gibt der durchschnittliche Student im Monat 819 Euro aus. Macht für ein dreijähriges Bachelorstudium 29.500 Euro, für den vierjährigen Master 39.300 Euro. Mehrausgaben für eines oder mehrere Auslandssemester nicht mitgerechnet. Wenn ihr Haushaltseinkommen die Grenzen überschreitet, unter denen der Staat mit BaföG hilft, brauchen Eltern also weiterhin jede Menge "Investitionskapital". Gut, dass sie normalerweise nicht, wie Steuerberater, eine Gewinn- und Verlustrechnung aufstellen. Oder gar, wie Schweinezüchter, an Reinvestition und Profit denken.
Verwendete Quellen:
- Statistisches Bundesamt: Konsumausgaben von Familien für Kinder. Berechnungen auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013
- Recherchen beim Statistischen Bundesamt Wiesbaden
- "Was kostet ein Kind?" – ZDF-Dokumentation von Matthias Fornoff
- Idealo: Wie viel kostet ein Kind?
- Deutsches Studentenwerk: Wofür geben deutsche Studierende ihr Geld aus?
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