Die besten Drehbücher schreibt immer noch das Leben. Gerade diese Woche wieder: Eine Geschichte von Aufstieg und Absturz, Ehrgeiz, Gier und Eifersucht - versteckt in den Wirtschaftsnachrichten. Und das Beste: Ich habe viel daraus gelernt über die menschliche Natur und meine eigenen Fehler beim Umgang mit Geld.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ab und zu gibt es eine Wirtschaftsmeldung, die mich packt. Nicht, weil es um viel Geld geht, das geht es oft. Sondern weil sie die dunklen Seiten des menschlichen Wesens ausleuchtet, wie es sonst nur Krimis können. Diese Woche war es die Geschichte rund um den Absturz der Krypto-Börse FTX.

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Ich weiss, dieses Firmenkürzel klingt auf den ersten Blick eher unverständlich als spannend. Mein Interesse stieg, als ich gelesen habe, dass der Gründer von FTX, der bis vergangenen Freitag ein Vermögen von 16 Milliarden Dollar besass, ein wuschelköpfiger 30-Jähriger ist, der in Meetings nebenher Videospielen frönte. Es aber geschafft hatte, den Football-Star Tom Brady und dessen Noch-Ehefrau, Top-Model Gisele Bündchen, als Markenbotschafter zu gewinnen. Und: Dass besagter Gründer in einer Villa auf den Bahamas lebte und sich dort Eifersuchtsdramen mit seiner Freundin lieferte, die zudem das zweitwichtigste Unternehmen seiner Firmengruppe leitete.

Sam Bankman-Fried: Vermögen in nur zwei Wochen zu grossen Teilen weg

Sam Bankman-Fried – so heisst der 30-jährige Ex-Multi-Milliardär – hat innerhalb von nur vier Jahren die drittgrösste Handelsplattform für Kryptowährungen wie Bitcoin aufgebaut. Innerhalb von zwei Wochen brach sein Unternehmen zusammen und zieht seitdem den gesamten Markt für Krypto-Anlagen in den Abgrund.

Seit Anfang dieser Woche ist Bankman-Fried nicht nur pleite, sondern muss auch noch amerikanischen Ermittlern Rede und Antwort stehen, die ihm Anlagebetrug vorwerfen. Spannend an seiner Geschichte ist aber nicht so sehr der spektakuläre Absturz. Noch spannender ist sein kometenhafter Aufstieg, der nicht möglich gewesen wäre ohne eine zutiefst menschliche Eigenschaft: Gier.

Und ganz ehrlich: Sind wir nicht alle ein bisschen gierig? Das gilt beileibe nicht nur für Bitcoin-Fans. Wenn wir bei Finanztest Anlagebetrüger entlarven, erschrecken wir häufig darüber, dass viele ganz normale, sonst sehr vernünftige Menschen einen grossen Teil ihrer Ersparnisse aufs Spiel setzen, weil die Aussicht auf hohe Zinsen oder Gewinne stärker ist als ihre Vernunft.

Eine unserer wichtigsten Webseiten ist daher die Warnliste Geldanlage: Dort stehen alle Firmen, Webportale und Personen, von denen wir wissen, dass sie mit unsauberen Methoden arbeiten und von denen Anlegerinnen und Anleger unbedingt die Finger lassen sollten. Sollten Sie also jemals in Versuchung sein, dem Versprechen auf hohe Zinsen oder verlockenden Anlagechancen nachzugeben: Werfen Sie zuerst einen Blick auf die Finanztest-Liste.

Der Absturz des Krypto-Unternehmers Bankman-Fried

Der jugendlich-unkonventionelle Krypto-Unternehmer Bankman-Fried schaffte es jahrelang, seine Gier geschickt zu verstecken. Teil seines Images als Wunderkind der Anlageszene war, sich als künftiger Grossspender im Stil von Bill Gates zu geben.

Er selbst brauche das Geld nicht, sagte er. Doch um wirklich Gutes zu tun in der Welt, müsse man märchenhaft viel Geld haben, um dieses dann spenden zu können, so sein Credo, mit dem er es auf die Titelseiten vieler angesehener Wirtschaftsmagazine schaffte. Ob er selbst daran glaubte oder alles nur ein infamer Werbeschachzug war, will ich an dieser Stelle nicht beurteilen.

Doch ganz gleich zu welchem Zweck: Als er seine Unternehmen mit Mitte 20 gründete, war sein Ziel, möglichst viel Geld zu machen. Damit war er nicht allein: Seine Investoren, die ihm Hunderte Millionen Euro liehen, verfolgten dasselbe Ziel, und vermutlich auch viele, die ihre Kryptowährungen auf seinen Plattformen lagerten, angelockt von den immensen Kurszuwächsen von Bitcoin und Konsorten in den vergangenen Jahren.

Übrigens: Falls Sie trotz der bekannten Risiken einen Teil ihres Geldes in Bitcoin, Ethereum oder anderen Kryptowährungen anlegen wollen, hat Finanztest untersucht, welche in Deutschland regulierten Plattformen das mit einem vertretbaren Risiko ermöglichen. Als Wirtschaftsjournalistin freue ich mich natürlich über alle, die sich mit Geldanlage und Altersvorsorge beschäftigen. Aber der Boom des Bitcoin macht deutlich, dass wir dabei häufig in Denkfallen tappen – auch ich selbst.

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Die grösste Falle: Wir überschätzen das Neue, das kurzfristig Verlockende und vernachlässigen dafür bewährte, aber langweilig erscheinende Strategien, die sich auf lange Frist auszahlen. Ich merke das an mir selbst: Wie verlockend war es während des Börsenbooms der vergangenen Jahre, über rasant steigende Aktien und Bitcoin-Kurse nachzudenken – und wie langweilig dagegen ein solides Portfolio aus einem Welt-ETF, also einem Fonds, der einen grossen Börsenindex nachbildet, und einem Teil Tages- oder Festgeld.

Solides Portfolio beflügelt keine Fantasien - ist aber sicherer

Eine solche Mischung eignet sich für fast alle Anleger, die ihr Geld über zehn, zwanzig oder dreissig Jahre anwachsen lassen wollen. Im Idealfall lässt man so ein Depot weitgehend in Ruhe, justiert ein- oder zweimal im Jahr nach und sitzt schlechte Börsenzeiten aus. Aber diese Methode beflügelt eben keine Fantasien – ganz anders als die wilden Zukunftsvisionen der Krypto-Propheten. Dabei zeigen Untersuchungen, dass für Normalverbraucher ein ausgewogenes Portfolio über einen Zeitraum von zehn, zwanzig oder dreissig Jahren kaum zu schlagen ist.

Diese Erkenntnis hat ja auch etwas Beruhigendes: Ganz gleich, welcher Anlage-Hype gerade auf allen Kanälen verbreitet wird, die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass man gar nicht viel verpasst. Versöhnt mit meinem langweiligen Festgeldkonto lehne ich mich jetzt zurück, trinke einen Tee und lese die neuesten vollmundigen Versprechen selbstverliebter Anlagekünstler – aber nur zu Unterhaltung.

Über die Expertin: Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von Finanztest und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Das Verbrauchermagazin Finanztest gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und Finanztest sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.
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