Zur Miete wohnen hat seine Vorteile. Es gibt aber einen grossen Haken. Wer Pech hat, muss gegen seinen Willen ausziehen: Angstwort Eigenbedarfskündigung. Was es zu beachten gibt, falls der gefürchtete Brief mit der Kündigung eintrudelt. Plus: Drei Fakten, die Sie überraschen könnten.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Für mich gab es lange Zeit keinen Zweifel, dass Mieten gegenüber einer eigenen Immobilie grosse Vorteile hat. Ein sehr persönlicher Grund war, dass ich mich nicht festlegen musste, solange ich miete. Neuer Job, neue Stadt? Kein Problem, der Mietvertrag hat nur drei Monate Kündigungsfrist.

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Selbst als wir irgendwann in einem gemieteten Einfamilienhaus mit Garten und Trampolin für die Kinder wohnten, fand ich das Arrangement eher vorteilhaft. Schliesslich war für alle grossen (und teuren) Reparaturen der Vermieter zuständig - als Mieterin konnte ich mich gelassen zurücklehnen und dem Treiben der Bauarbeiter mit einer gewissen inneren Distanz zusehen.

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Bis zu jenem Tag, an dem ich unsanft aus meiner Illusion vom sorgenfreien Mieterinnenleben gerissen wurden: Der Vermieter kündigte an, dass er das Haus selbst brauchen werde. Die schriftliche Kündigung wegen Eigenbedarfs folgte kurz vor Monatsende. Uns bleiben gerade einmal sechs Monate Zeit, ein neues Haus zu finden - und zwei Kinder, die um ihr Zuhause weinten.

Warum ich jetzt Wohnungsgesellschaften mehr vertraue als privaten Vermietern

Seitdem finde ich grosse Wohnungsgesellschaften mit Tausenden Wohnung gar nicht mehr so unsympathisch - immerhin ist man da sicher vor einer Eigenbedarfskündigung. Bei Privatvermietern, zu denen man im besten Fall einen kürzeren Draht hat und viele Probleme leichter lösen kann, ist das leider anders.

Das Damoklesschwert, dass ein naher Angehöriger auftauchen und die Wohnung nutzen will, hängt immer über einem; und das, obwohl Mieterinnen und Mieter ansonsten sehr gut vom Gesetz geschützt sind. Ohne Eigenbedarf dürfen Mietverträge nicht gekündigt werden, solange die Mieter ihre Pflichten erfüllen und vor allem ihre Miete pünktlich bezahlen.

Eigenbedarf anmelden, so weit ist die Sachlage klar, können Haus- oder Wohnungsbesitzer, wenn sie das Objekt selbst nutzen wollen oder nahe Angehörige das wollen. Dazu zählen Geschwister, Eltern und Kinder der Eigentümer. Alles Wichtige dazu hat "Finanztest" hier zusammengestellt.

Drei Fakten zur Eigenbedarfskündigung

Doch es gibt drei Fakten zur Eigenbedarfskündigung, die Sie höchstwahrscheinlich noch nicht kennen - die aber wichtig sind, falls Sie sich fragen, ob eine solche Kündigung zulässig ist.

  • Patchworkfamilien können Eigenbedarf geltend machen: Die Regel, dass Eigenbedarf fürs eigene Kind angemeldet werden kann, gilt in Zeiten immer komplexerer Familienverhältnisse zum Teil ebenfalls für nicht leibliche Kinder. Dann nämlich, wenn eine Eigentümerin oder Eigentümer mit einem Elternteil des Kindes verheiratet ist. Aber auch dann, wenn es sich um Unverheiratete handelt, das Kind aber längere Zeit mit im Haushalt gewohnt hat.
  • Nutzung als Zweitwohnung kann Eigenbedarf sein: Mich persönlich hat das überrascht: Jemand soll ausziehen, weil der Eigentümer künftig ab und zu beruflich in Berlin zu tun hat und ungern ins Hotel möchte? Ja, das kann passieren. Zwar gibt es Hürden: Eigentümer müssen belegen, dass sie die Wohnung tatsächlich brauchen, eine pauschale Angabe "Zweitwohnung benötigt" reicht nicht. Aber möglich ist es und geschieht in Grossstädten mit stark umkämpftem Wohnungsmarkt immer mal wieder.
  • Hohes Alter allein reicht nicht, um als Härtefall in einer Wohnung bleiben zu dürfen: Wenn ein Umzug eine unzumutbare Härte darstellen würde, ist eine Eigenbedarfskündigung unwirksam. Zu der Frage, was ein solcher Härtefall ist, gibt es zahlreiche Gerichtsurteile. Hohes Alter allein reicht nicht aus, es müssen eine Erkrankung oder eine starke Verwurzelung in der Nachbarschaft hinzukommen.

Was also tun, wenn eine Eigenbedarfskündigung kommt?

Zuerst einmal die Kündigungsfrist überprüfen. Entgegen einem weit verbreiteten Glauben ist die Kündigungsfrist in diesem Fall genauso lang oder kurz wie bei einer normalen Kündigung eines Mietvertrags: Wer bis zu fünf Jahre in einer Wohnung gelebt hat, hat drei Monate Zeit bis zum Auszug, bei bis zu acht Jahren Mietdauer steigt die Kündigungsfrist auf sechs Monate. Bei mehr als acht Jahren sind es neun.

Zweitens: Lassen Sie sich beraten, falls Sie denken, dass die Eigenbedarfskündigung nicht haltbar ist. Ebenso sollten Sie sich beraten lassen, wenn Sie denken, dass Sie wegen hohen Alters und Krankheit möglicherweise unter die Härtefallklausel fallen und eine Eigenbedarfskündigung deshalb nicht infrage kommt. Beide Fälle sind rechtlich kompliziert - holen Sie sich daher Hilfe beim Mieterverein oder bei einem auf Mietrecht spezialisierten Anwalt.

Drittens: Handeln Sie schnell. Ein Widerspruch muss spätestens zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist beim Vermieter sein. Bei drei Monaten Kündigungsfrist bleiben da gerade mal ein Monat. Doch auch hier gilt: Auf jeden Fall Rechtsrat einholen.

Der Gang vor Gericht sollte gut überlegt sein

Falls der Vermieter hart bleibt, bleibt häufig nur der Weg vors Gericht. Das sollten Sie auf jeden Fall genau abwägen, denn die Kosten können mehrere Tausend Euro betragen. Gewinnt am Ende der Vermieter, müssen die Mieter nicht nur ausziehen, sondern auch die Verfahrenskosten zahlen, falls keine Rechtsschutzversicherung oder Mieterverein sie übernimmt.

Tipp: Bei Rechtsschutzversicherung sind Mietrechtsstreitigkeiten nicht automatisch in jedem Tarif enthalten. Umgekehrt kann man diesen Baustein einzeln abschliessen. "Finanztest" hat aufgeschrieben, welche Möglichkeiten Mieterinnen und Mieter – und auch Vermieter – haben, sich für Rechtsstreits abzusichern.

Meine Eigenbedarfskündigung verlief damals denkbar unspektakulär. Da unser Vermieter, der das Haus nach der Trennung von seiner Frau selbst nutzen wollte, sechs Kinder hat, war es klar, dass wir uns etwas Neues suchen mussten – was uns tatsächlich innerhalb der sechsmonatigen Kündigungsfrist gelang. Am Ende wohnten wir kaum teurer, aber schöner als vorher. So etwas gibt es auch manchmal.

Über die Autorin

  • Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von "Finanztest" und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Das Verbrauchermagazin "Finanztest" gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und "Finanztest" sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.

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