Wiesbaden - Das Leben in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr sprunghaft verteuert. Die Verbraucherpreise schnellten im Jahresdurchschnitt um 7,9 Prozent in die Höhe, wie das Statistische Bundesamt anhand vorläufiger Daten errechnet hat. Das ist die höchste Inflation seit Gründung der Bundesrepublik. 2023 verspricht zumindest etwas Entspannung.
Was sind die wichtigsten Gründe für die gestiegene Inflation?
Vor allem die enorm gestiegenen Energiepreise nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine heizten die Teuerung an. Gas und Heizöl kosteten teilweise mehr als das Doppelte als im jeweiligen Vorjahresmonat. Die Spritpreise erreichten nie gekannte Höhen. Die Wiesbadener Statistiker beobachteten im Laufe des Jahres zunehmend auch "Preisanstiege bei vielen anderen Gütern, besonders bei Nahrungsmitteln" in Europas grösster Volkswirtschaft.
Wie wirkten 9-Euro-Ticket und Tankrabatt?
Die auf drei Monate befristeten Massnahmen sorgten im Sommer für etwas Entlastung. Nach dem Auslaufen des günstigen Tickets für den öffentlichen Personennahverkehr und der Steuersenkung auf Kraftstoffe zog die Inflationsrate wieder an. Die höchste Rate wurde im Oktober gemessen: In dem Monat stiegen die Verbraucherpreise zum Vorjahresmonat um 10,4 Prozent.
Was unternimmt die Europäische Zentralbank?
Die Währungshüter erhöhten im vergangenen Jahr erstmals seit elf Jahren wieder die Zinsen im gemeinsamen Währungsraum. Weitere Anhebungen werden 2023 erwartet. "Wir lassen nicht nach. Wir müssen eine längere Strecke gehen", betonte EZB-Präsidentin Christine Lagarde Mitte Dezember. Erhöhungen der Leitzinsen verteuern Kredite und bremsen die Nachfrage. Das hilft, die Inflationsrate zu senken. Allerdings geht das nicht von heute auf morgen. Zinserhöhungen wirkten in der Regel mit einer Verzögerung von eineinhalb bis zwei Jahren, erläuterte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel: "Deswegen muss ich an dieser Stelle noch um Geduld bitten."
Welche Folgen haben die Energiepreisbremsen?
Mit Preisbremsen für Strom und Gas will der Staat die Folgen der gestiegenen Kosten für Verbraucher und Unternehmen abfedern. Für Haushalte sowie kleine und mittlere Firmen sollen die Bremsen ab März gelten. Für Januar und Februar ist eine rückwirkende Entlastung geplant. Nach Einschätzung von Volkswirten wird das den Anstieg der Inflation dämpfen. Der Konjunkturchef des Wirtschaftsforschungsinstitutes IfW, Stefan Kooths, sagt aber: "Die niedrigere Inflationsrate (...) wird über massive Subventionen teuer erkauft, die die Energiekrise nur vordergründig mildern."
Ist in diesem Jahr ein deutlicher Rückgang der Inflation zu erwarten?
Im Dezember lag die Inflation im Vergleich zum Vorjahresmonat bei 8,6 Prozent - und damit niedriger als noch im November. Ökonomen machen Verbrauchern und Unternehmen aber für das neue Jahr trotz der staatlichen Preisbremsen wenig Hoffnung auf einen deutlichen Rückgang. "Im Verlauf von 2023 dürfte die monatlich gemeldete Inflationsrate zwar wieder sinken, zunächst jedoch nur graduell", erwartet die Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib. Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen im Schnitt mit Teuerungsraten zwischen gut 5 Prozent und mehr als 6 Prozent. Erst 2024 dürfte der Preisdruck nach ihrer Einschätzung deutlich nachlassen.
Wird die Inflation zusätzlich durch steigende Löhne angetrieben?
Bislang gibt es wenig Anzeichen dafür, dass stark steigende Löhne als Reaktion auf die Inflation die Preise zusätzlich anheizen. Nach vorläufigen Berechnungen des Tarifarchivs des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung erhöhten sich die Tariflöhne 2022 zum Vorjahr um durchschnittlich 2,7 Prozent. Der Anstieg lag damit deutlich unter der Inflationsrate.
In diesem Jahr können Beschäftigte dem WSI zufolge angesichts der jüngsten Abschlüsse auf insgesamt deutlich höhere Tarifzuwächse hoffen. Nach Einschätzung von Bundesbank-Präsident Nagel haben die Lohnabschlüsse allerdings die Balance zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gehalten, wie er kürzlich dem "Stern" sagte. © dpa
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