Ob Plätzchen, Gänsebraten, Lebkuchen oder Stollen: An Weihnachten wird geschlemmt. Und obwohl die Menschen immer umweltbewusster leben (wollen), landen noch immer 18 Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich im Müll – aus Unwissenheit oder Bequemlichkeit.

Anja Delastik
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Anja Delastik dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Früher wurde gegessen was auf den Tisch kam, zumindest bei mir zuhause. Und weggeschmissen wurde erst recht nichts, Verfallsdatum hin oder her. Gemüse gab‘s saisonal, Kartoffeln kellerten wir ein, Obst wurde eingeweckt oder zu Marmelade und Most verarbeitet. Und falls doch mal altes Brot oder welker Salat übrig blieb, brachte meine Oma die Essensreste zum Nachbarn, der sie an seine Tiere verfütterte. Das hat mich geprägt.

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Noch heute bereitet es mir körperliches Unbehagen, wenn mir in Restaurants Portionen serviert werden, die so gross sind, dass ich sie unmöglich aufessen kann, oder ich verdorbene Lebensmittel wegwerfen muss. Deshalb glaube ich auch, dass der Umgang mit Essen und die Wertschätzung von Lebensmitteln nicht zuletzt auch Erziehungssache sind.

Essen ist immer und überall verfügbar

Dass diese Einstellung nicht jeder teilt, kann man gut an Frühstücksbuffets in Hotels beobachten. Da sieht man Menschen, die sich aus Bequemlichkeit mehrere Teller mit Essen beladen. Hauptsache, nicht mehrmals aufstehen und zum Buffet gehen müssen.

Erst neulich sass ich neben einer Mutter und ihrem circa zehnjährigen Sohn. Die "Essensreste", die beide nach ihrem Frühstück auf dem Tisch zurückliessen, hätten eine fünfköpfige Familie satt machen können: ein Teller voller Honig- und Wassermelonenstücke, mehrere Brötchen, diverse Scheiben Wurst und Käse, zwei angebrochene Joghurts, ein paar Gürkchen und Tomatenschnitze.

Menschen verlieren zunehmend die Wertschätzung für Lebensmittel. Auch, da diese ständig und überall verfügbar sind, zu einem immer günstigeren Preis. Erst kürzlich berichtete die Verbraucherzentrale: Während die Ausgaben für Nahrungs- und Genussmittel 1950 noch 50 Prozent des Haushaltseinkommens betrugen, liegen sie aktuell bei nur noch bei zehn Prozent.

Selber kochen? Zu anstrengend

Und obwohl es scheint, als würden Menschen heute zunehmend bewusst, nachhaltig und Bio einkaufen und sich ebenso ernähren, hält der Trend zu Fertigprodukten an. Selber kochen? Viel zu anstrengend, viel zu wenig Zeit. Stattdessen gehen durchschnittlich 40 Prozent der Lebensmittelausgaben für Essen ausser Haus drauf.

Kein Wunder, dass viele Menschen deshalb nicht mehr richtig einschätzen können, wie viele Lebensmittel sie benötigen oder überhaupt konsumieren können. Geschweige denn, wie sie ihr Essen richtig lagern oder zubereiten.

Die Folge: Es wird im Überfluss eingekauft – und immer mehr weggeschmissen.

Viele Lebensmittelabfälle sind vermeidbar

Ein Bekannter, dem ich von meiner grotesken Hotelfrühstücks-Beobachtung erzählte, meinte neulich zu mir: "Arbeite mal eine Woche im Supermarkt!" Er berichtete mir schliesslich von Kunden, die sich Nahrungsmittel in den Wagen packen, nur um sich dann kurz vor der Kasse zu entscheiden, dass sie es doch nicht mehr wollen.

Vorzugsweise Frischeartikel oder Tiefkühlprodukte, die dann in ein beliebiges Regal gestopft und erst Tage später gefunden werden. Der Klassiker: Wurst, Käse, Fleisch oder Fisch von der Bedientheke, die irgendwo hingeworfen werden, weil der fertig abgepackte Artikel dann doch billiger ist. Oder Kunden, die meinen, es sei ganz normal, Packungen aufzureissen, um "zu kosten" oder zu gucken, wie viel drin ist.

Jeder verschwendet 80 Kilogramm Essen pro Jahr

Gewiss, in der viel zu langen Wertschöpfungskette gibt es vielfältige Gründe, warum Lebensmittel entsorgt werden. Und zur Verschwendung tragen viele bei, darunter Hersteller, Landwirtschaft, Handel. Doch macht es das besser?

Zudem entstehen alleine beim Verbraucher ungefähr 40 Prozent aller Lebensmittelabfälle. Jeder einzelne von uns wirft durchschnittlich 80 Kilo Essen jährlich weg – der Grossteil davon ist vermeidbar. Und zu Weihnachten ist es besonders dramatisch.

Um nochmal meinen Bekannten aus dem Supermarkt zu zitieren: "Die Abschriften, die in jedem x-beliebigen Supermarkt durch Bruch entlang der Lieferkette entstehen, sind ein Fliegenschiss im Vergleich zu denen durch das Einkaufs- und Konsumverhalten von Kunden." Er findet übrigens, dass Menschen, die aus Ignoranz oder Bequemlichkeit asozial mit Lebensmitteln umgehen, dazu verdonnert werden sollten, sich ein Jahr lang ausschliesslich aus der Biotonne zu ernähren.

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