Wenn man im Supermarkt wieder mehr gekauft hat, als man wollte, wird das wahrscheinlich vor allem daran gelegen haben, dass die Preisgestalter einen guten Job gemacht haben. Denn, so sagen Forscher, die Preisgestaltung hat von allen Methoden, die das Marketing zu bieten hat, den grössten Einfluss auf das Verhalten der Kunden.

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1,99 statt 2 Euro, 44,44 statt 45 Euro, 15.875 statt 16.000 Euro - krumme Preise sind nicht nur bei Lebensmitteln häufig zu finden, sondern auch beim Kauf von Handys, Waschmaschinen und Autos.

Was sie bezwecken sollen, ist eigentlich jedem klar: den Absatz zu steigern. Doch wie die Psychologie dahinter funktioniert, wird noch gar nicht so lange systematisch erforscht.

Früher (also vor mehr als 100 Jahren) dachten Ökonomen, dass die Nachfrage einfach umso grösser ist, je kleiner der Preis ist. Mittlerweile weiss man: So einfach ist das nicht.

Denn entscheidend ist nicht allein, welcher Preis auf dem Etikett steht, sondern wie der Preis wahrgenommen wird.

Jedes Produkt, schreibt der Wirtschaftswissenschaftler Markus Husemann-Kopetzky in seinem Buch "Preispsychologie", habe für jeden Kunden einen subjektiven Preis, der dann ebenso subjektiv in Kategorien eingeordnet werde: zu teuer, akzeptabel, zu billig (also von schlechter Qualität).

Kunden verändern ihr Urteil über einen Preis gerne mal

Dass sich diese Einordnung verschieben kann, zeigt der Erfolg sogenannter Köderprodukte. Mehrere Wissenschaftler, vor allem in den USA, haben diesen Effekt nachgewiesen.

Grob gesagt geht es darum, von einem Artikel mehr zu verkaufen, indem man einen weiteren, ähnlichen danebenstellt.

Ein Beispiel: Ein Supermarkt möchte den Absatz einer bestimmten Biermarke erhöhen. Bislang hat er zwei Biere in seinem Sortiment: eines, das von den Kunden wegen seiner Qualität geschätzt wird (und teurer ist) und ein billigeres.

Er möchte nun, dass mehr von dem teureren (besseren) Bier verkauft wird und führt deswegen eine dritte Marke ein: ein Bier, das genauso gut ist wie das teurere, aber noch mehr kostet.

In den Studien hat das tatsächlich funktioniert. Teilweise stieg der Absatz des "Zielbieres" um mehr als 20 Prozentpunkte.

Günstige Butter = günstiger Laden?

Wenn es nicht nur darum geht, wie viel ein einzelner Artikel kostet, sondern darum, welchen Eindruck der Laden insgesamt auf den Kunden machen soll (günstig oder teuer), spielen die sogenannten Eckartikel eine wichtige Rolle.

In Supermärkten sind das etwa Milch, Butter, Brot oder Kaffee, deren Preise der Verbraucher gut kennt, weil er sie oft kauft, und deswegen auch gut vergleichen kann.

Sind sie günstig, wird der Laden insgesamt als günstig wahrgenommen und kommt so an neue Kunden, wie Simon Herrmann und Martin Fassnacht in ihrem Buch "Preismanagement" schreiben.

Doch auch die Darstellung von Preisen – und damit zurück zu den "krummen" Beträgen – spielt eine Rolle beim Kauf. Zunächst einmal erzeugen solche Beträge Aufmerksamkeit beim Kunden.

Das kann positiv oder negativ sein, wichtig ist aber zunächst einmal, dass der Kunde sie wahrnimmt. Es gibt verschiedene Arten von krummen Ziffernfolgen: gebrochene (also die, die knapp unter einem runden Wert liegen), aufsteigende, absteigende und gleichbleibende.

Linke Ziffern wichtiger als rechte

Da sie (wie die Buchstaben in der lateinischen Schrift ja auch) von links nach rechts gelesen werden, haben die linken Ziffern eine grössere Bedeutung als die rechten.

Tatsächlich haben US-Wissenschaftler gezeigt, dass zwei Zahlen gar nicht weiter miteinander verglichen werden, wenn sich die Ziffern unterscheiden.

So kam der Mehrheit der Befragten dieser Studie der Unterschied zwischen 0,93 und 0,79 US-Dollar grösser vor als der zwischen 0,89 und 0,75 US-Dollar, obwohl er in Wirklichkeit gleich ist.

Sind die ersten Ziffern gleich, kommt es darauf auf, ob die nachfolgenden hoch oder niedrig sind. Zum Beispiel wurde der Unterschied von 222 und 211 als grösser eingeschätzt als von 199 und 188, weil prozentual gesehen der Unterschied zwischen 1 und 2 grösser ist als von 8 und 9.

Das spielt bei Rabatten eine Rolle. Ebenso wie der sogenannte Ankereffekt, der besagt, dass Kunden Preise anders bewerten, wenn sie eine Bezugsgrösse vorgesetzt bekommen.

Für Preisschilder bedeutet das, dass es gut ist, wenn der ursprüngliche direkt neben dem rabattierten Preis steht (samt Ersparnis in Prozent) oder – wenn es keinen Rabatt gibt – die unverbindliche Preisempfehlung (UVP) des Herstellers.

Präzise, aber bitte nicht zu präzise

Zum Erfolg von 0,99- und 2,99-Euro-Beträgen hat unter anderem Hermann Diller geforscht. In seinem Buch "Preispolitik" schreibt der Wirtschaftswissenschaftler, dass Menschen Preise in Bewertungskategorien einteilten.

Kostet ein Artikel also einen Euro statt 99 Cent, rutscht er schon in eine andere Kategorie und ist vielleicht damit schon zu teuer.

Bei hohen Beträgen spielen diese Kategorien immer weniger eine Rolle, allerdings haben auch hier krumme Zahlen einen Effekt, wie der Wirtschaftspsychologe David Loschelder herausfand.

So hatte beim Autoverkauf ein Eröffnungsgebot von 14.875 Euro höhere Chancen, dass für den Verkäufer am Ende mehr Geld herauskommt, als ein Gebot von 15.000 Euro.

Die Erklärung: Ein präziser Betrag suggeriert, dass man sich genau überlegt hat, was das Produkt wert ist. Allerdings gelte das eher für Käufer, die sich nicht so gut mit dem Produkt auskennen. Fachleuten seien solche Angaben eher suspekt.

Lieber im Paket

Es gibt zahlreiche weitere Kniffe der Marketingstrategen und Preispsychologen, ein paar weitere seien noch erwähnt: So hat ein Artikel bessere Verkaufschancen, wenn er im Paket angeboten wird (zum Beispiel "Drei Paar Socken für 6,99 Euro").

Das gilt allerdings nicht, wenn es um Versandkosten oder Servicegebühren geht. Sie sollten separat ausgewiesen werden.

Erfolgreich sind auch Aktionen, die Knappheit signalisieren, wie eine Gruppe von US-Wissenschaftlern um J. Jeffrey Inman herausfand. Etwa, wenn ein Unternehmen damit lockt, dass ein Angebot "nur diese Woche" gilt.

Von Flug- oder Hotelbuchungen dürften viele auch diese Lockmittel kennen: "Nur noch zwei Zimmer verfügbar" oder "Acht weitere Kunden sehen sich dieses Angebot gerade an".

Dass damit nicht immer alles mit rechten Dingen zugeht, hatten vor einiger Zeit Recherchen des NDR ergeben.

Völlig legitim ist es indes, mit Farben, Schriftgrössen und Platzierungen zu arbeiten: Der Marketingfachmann Nick Kolenda hat auf seiner Seite die wichtigsten Punkte dazu zusammengefasst.

So sollten Preise immer links unten stehen, weil sie dann als kleiner empfunden werden – und dazu noch in relativ kleiner Schrift geschrieben werden. Der teurere Referenzpreis (also zum Beispiel die UVP) sollte in grösserer Schrift danebenstehen.

Bei grösseren Preisen sollten Punkte vermieden werden, da ein Preis mit Punkt phonetisch länger sei und dadurch grösser wirke. Das Beispiel: 1.499 spricht sich "Ein-tausend-vier-hundert-neun-und-neunzig". 1499 spricht sich "Vierzehn-hundert-neun-und-neunzig".

Das zu wissen, wird sicher nicht dazu führen, dass man jetzt nur noch streng nach Einkaufszettel einkauft. Aber vielleicht wird man sich nicht mehr ganz so leicht angeln lassen, wenn die Industrie wieder einen Köder auswirft.

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