Frankfurt/Main (dpa) - Anlegerinnen und Anleger werden nach Einschätzung der Frankfurter Privatbank Metzler noch länger mit niedrigen Zinsen umgehen müssen. "Positive Realzinsen sehe ich absehbar nicht", sagte Metzler-Vorstand Emmerich Müller der Deutschen Presse-Agentur.
"Wir erleben seit Jahren eine schleichende Enteignung der Sparer." Der Realzins ist der Zins für Spareinlagen nach Abzug der Teuerungsrate.
Zinserhöhungen halten mit Inflation nicht Schritt
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zwar inzwischen die Wende hin zu steigenden Zinsen eingeleitet und weitere Zinserhöhungen werden erwartet. Allerdings ist auch die Inflation zuletzt deutlich geklettert. "Die EZB war leider zögerlicher als die Fed und ist im Grunde zu spät dran", sagte Müller mit Verweis auf den Kurs der US-Notenbank Fed. Die Bekämpfung der Inflation über höhere Zinsen sei in der aktuellen Situation allerdings auch schwierig, weil diese über die Angebotsseite und weniger über die Nachfrageseite getrieben sei. "Gegen gestörte Lieferketten helfen höhere Zinsen zum Beispiel nicht", erklärte Müller.
"Wir werden mittel- bis langfristig mit einem etwas höheren Preisniveau leben müssen. Die gestiegenen Preise werden nicht so schnell wieder verschwinden", prognostizierte Müller. "Bei Energie zum Beispiel wird es nach meiner Erwartung nicht mehr auf das Niveau von vor der Krise zurückgehen."
Die Menschen in Deutschland seien allerdings vielleicht auch "zu verwöhnt", sagte Müller: "Viele geben sich immer noch der Illusion hin, dass Belastungen und Krisen an ihnen vorüberziehen, ohne dass sie diese bemerken."
Müller findet zielgerichtete Entlastungen richtig
Höhere Preise seien natürlich ein Problem für die Bürger. "Insofern ist das politische Bemühen richtig, zielgerichtet zu entlasten", sagte Müller. "Welches die richtigen Mittel sind, darüber lässt sich diskutieren, allerdings halte ich die permanente Kritik an den politischen Massnahmen für unangebracht. Es ist nicht einfach, in solch einer Situation immer die richtigen Massnahmen zu ergreifen."
Die aktuellen Krisen erfordern nach Ansicht von Müller Spielräume bei staatlichen Ausgaben. "Wir wissen nicht, was in den nächsten Monaten noch auf die Haushalte und Unternehmen zukommen wird. Daher könnte etwas Flexibilität erforderlich sein", sagte der Bankier. "Die Schuldenbremse wird wieder eingehalten werden. Ob das schon 2023 der Fall sein muss, wird sich zeigen."
Die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erlaubt dem Bund nur in geringem Masse neue Kredite. 2020 und 2021 machte der Bund wegen hoher Pandemielasten von der Ausnahmeregelung Gebrauch, dieses Instrument in Notsituationen vorübergehend aufheben zu können. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will die Schuldenbremse 2023 wieder einhalten. Da ist angesichts der aktuellen Herausforderungen in der Ampel-Koalition nicht unumstritten.
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