Der Stromlieferant erhöht mitten in der Vertragslaufzeit die Preise? Der Streaminganbieter schlägt ohne Vorankündigung auf? Dagegen können Sie sich wehren – häufig sogar, ohne selbst zu klagen. Die Verbraucherzentralen führen immer häufiger Sammelklagen, denen sich Betroffene einfach anschliessen können.
Als mich meine Freundin vor ein paar Monaten wütend anschrieb, dass ihr Stromanbieter den Preis einfach verdreifacht hatte, hatte sie mein volles Mitgefühl. Mir selbst war kurz davor ebenfalls eine rechtswidrige Preiserhöhung ins Haus geschneit – zum Glück ging es nur um 5 Euro pro Monat: Nur drei Monate nachdem ich einen neuen Zweijahresvertrag abgeschlossen hatte, hob mein Kabelanbieter Vodafone den Preis für den Internet- und Telefonanschluss an. Was mich besonders empörte: Beim Gespräch über die Vertragsverlängerung hatte der freundliche Mensch an der Hotline noch gesagt, mit einem neuen Zwei-Jahres-Vertrag sei ich dann vor Preiserhöhungen geschützt – ja, Pustekuchen.
In solchen Momenten fühle ich mich ohnmächtig und wütend – ein bisschen wie damals in der Grundschule, wenn die Realschüler vom Nachbarschulhof zu uns rüber streunten und uns die Süssigkeiten wegnahmen.
Die gute Nachricht ist: In vielen Fällen bin ich gar nicht ohnmächtig. Heute, als erwachsene Kundin, muss ich rechtswidrige Preiserhöhungen nicht einfach hinnehmen. Es gibt einfache und wirksame Methoden, um sich zu wehren: Sammelklagen. Finanztest erklärt, wie sie funktionieren und welche Verfahren gerade laufen. Meine Freundin und ich haben es ausprobiert.
Wann ist eine Preiserhöhung rechtswidrig?
Aber halt - woran merkt man, dass eine Preiserhöhung nicht rechtens ist? Ein erster wichtiger Punkt ist: Bei einem laufenden Vertrag – sei es das Fitnessstudio, Netflix oder Amazon Prime – muss der Anbieter die Zustimmung des Kunden zur Preiserhöhung einholen. Eine E-Mail, die die höheren Preise einfach nur ankündigt, reicht dafür nicht. Daher bereiten die Verbraucherzentralen gerade eine Musterklage gegen den Sport-Streamingdienst Dazn vor, der bereits seit 2022 die Preise für Bestandskunden ohne Zustimmung erhöht hat. Viele von ihnen dürfen zu viel bezahlen.
Ausnahme: Automatische Preiserhöhungen können rechtmässig sein. Das setzt aber voraus, dass schon im Vertrag zu erkennen ist, wann und wie sich der Preis ändert. Ein Beispiel dafür sind Preisformeln in Fernwärmeverträgen.
In aller Regel rechtswidrig sind Preiserhöhungen innerhalb von Verträgen, die für einen bestimmten Zeitraum zu einem festen Preis vereinbart werden. Das gibt es etwa bei Mobilfunk, Internet, Strom, Gas und Fitnessstudios. Die Idee dahinter ist eigentlich, dass die Kunden sich für ein oder zwei Jahre fest an einen Anbieter binden und für diese Zeit einen vorher festgelegten Preis zahlen – was in Zeiten hoher Inflation offenbar manchen Firmen nicht mehr behagte.
Schritt 1: Bei der Verbraucherzentrale beschweren
Wenn ich den Verdacht habe, dass mir eine rechtswidrige Preiserhöhung untergeschoben werden soll, beschwere ich mich zuerst einmal bei der Verbraucherzentrale (verbraucherzentrale.de/beschwerde). Das dient nicht nur dazu, Dampf abzulassen, sondern hat ganz konkrete Auswirkungen: Wenn sich eine nennenswerte Zahl von Menschen über das gleiche Unternehmen beschwert, sehen die Verbraucherschützer sich den Fall genau an – und können eventuell einschreiten.
Schritt 2: Der Preiserhöhung widersprechen
Auch das ist einfach und schnell erledigt: Der schriftliche Widerspruch gegen die Preiserhöhung geht an den Anbieter. Es ist ein simples Schreiben, per E-Mail oder Brief. Darin sollte stehen, um welchen Vertrag es geht und welcher Preiserhöhung man widerspricht.
Schritt 3: Sich einer Sammelklage anschliessen
Vor Gericht ziehen würden wegen fünf Euro monatlich nur die wenigsten – ich auch nicht. Gut, dass das häufig die Verbraucherzentralen übernehmen. Wenn sie eine Verbandsklage erheben, können sich Verbraucher daran ohne eigenes Risiko und mit minimalem Aufwand beteiligen. Selbst die Rückerstattung von unzulässigen Gebühren in kleinen Beträgen, wie beispielsweise für die Benachrichtigung über Rücklastschriften, können Verbraucherschützer nach einer Verschärfung des Sammelklagegesetzes durchsetzen. So können sie die Erstattung der Beträge an angemeldete Betroffene erzwingen.
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Das heisst: Wo es eine Sammelklage gibt, sollten Verbraucher mitmachen. Dies ist kostenfrei und kann online einfach und schnell erledigt werden oder alternativ schriftlich über ein Formular aus Papier erfolgen.
Meine Freundin hat inzwischen eine Rückzahlung von ihrem Stromanbieter erhalten. Und mit meinem Ärger um den Internet-Vertrag war ich nicht allein: Die Verbraucherzentralen haben eine Sammelklage gegen Vodafone eingereicht, der sich Betroffene anschliessen können. Schon in den ersten Tagen nach dem Start haben sich über 60.000 Menschen angemeldet. Jetzt wünsche ich mir nur noch, dass es früher so einfach gewesen wäre, etwas gegen Schulhof-Bullies zu unternehmen.
Über die Autorin
- Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von Finanztest und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen.
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