München/Berlin (dpa/tmn) - Wer viel zu vererben hat, sollte sich möglichst frühzeitig darum kümmern, seine Vermögenswerte an die nachfolgende Generation weiterzugeben. Nur so können Steuerfreibeträge bei Erbschaft und Schenkung bestmöglich ausgenutzt werden. Wer zum Beispiel ein gut gefülltes Wertpapierdepot besitzt, kann das noch zu Lebzeiten verschenken, ohne die Zügel komplett aus der Hand zu geben. Niessbrauch lautet das Stichwort.

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Der Schenkende überträgt sein Depot an den Begünstigten, der damit neuer Eigentümer wird. Die Erträge, die das Depot abwirft, werden fortan abgeschöpft und gehen an den Schenkenden, auch Niessbraucher genannt. Gleichzeitig behalte der Niessbraucher die Entscheidungsgewalt über die Anlagen und mögliche Entnahmen, sagt Rechtsanwalt Jasper von Hoerner von der Rechtsanwaltsgesellschaft LKC.

Zu versteuernder Vermögensanteil sinkt

Der Vorteil: Durch den Niessbrauch sinkt der zu versteuernde Vermögensanteil. Zusätzlich zu den sogenannten persönlichen Freibeträgen bei Erbschaft und Schenkung berücksichtigt das Finanzamt auch den Kapitalwert des Niessbrauchs. Das ist der Wert, den der Niessbrauch für den Niessbraucher hat, also in diesem Fall die Summe der zu erwartenden Depoterträge. Er hängt vom Alter des Schenkenden und von der angenommenen Jahresrendite des Depots ab.

Je jünger der Schenkende zu Beginn des Niessbrauchs und je höher die durchschnittliche Wertentwicklung des Depots, desto höher der Kapitalwert und desto niedriger der zu versteuernde Restbetrag.

Der Steuervorteil lässt sich relativ einfach kalkulieren

Beispiel gefällig? Ein Vater, 50 Jahre alt, möchte seiner Tochter ein Wertpapierdepot mit einem Wert von einer Million Euro übertragen. Ohne Niessbrauchsdepot stehen der Tochter nur 400 000 Euro davon steuerfrei zu, die restlichen 600 000 Euro müsste sie gemäss ihres Schenkungsteuersatzes versteuern.

Bleibt der Vater aber Niessbraucher, kommt auf den Freibetrag der Tochter noch der Kapitalwert des Niessbrauchs on top, der ebenfalls unversteuert bleibt. Bei einer angenommenen Jahresrendite von vier Prozent könnte der Vater so insgesamt einen Betrag von mehr als 1 000 000 Euro, und damit das gesamte Depot, steuerfrei übertragen. Die Steuerersparnis: rund 90 000 Euro. Mit welcher Jahresrendite kalkuliert wird, hängt unter anderem von der Wertentwicklung des Depots in der Vergangenheit ab.

Schenkungsvertrag ist Dreh- und Angelpunkt des Geschäfts

Aber wie überträgt man seine Wertpapiere in ein solches Niessbrauchsdepot? Jasper von Hoerner empfiehlt Schenkenden zunächst, einen Schenkungsvertrag aufzusetzen, um wichtige Details vertraglich festzuhalten. Zum Beispiel, welche Art von Erträgen zu welchem Zeitpunkt wem zufliessen sollen. Oder welcher Vermögensverwalter in Zukunft beraten soll.

Ausserdem könne man im Schenkungsvertrag gewisse Widerrufsrechte festlegen - etwa um die schenkende Generation im Fall einer kostenintensiven Pflegesituation abzusichern, sagt der Rechtsanwalt.

Haben beide Vertragspartner unterschrieben, ist der Vertrag mit Übergang des Depots gültig. Einen Notar braucht es nicht. Die Überführung des Wertpapierdepots in ein Niessbrauchdepot nimmt in der Regel die jeweilige Bank vor. Gegenüber dem Finanzamt muss noch angezeigt werden, welches Depot übertragen worden ist.

Komplexe Depots erschweren die Berechnung erheblich

Wichtig: "Die Erträge einfach im Depot zu belassen, wäre für Schenkende Steuerhinterziehung", sagt von Hoerner. "Die Erträge müssen aus dem Dunstbereich des Beschenkten auf ein Depot des Niessbrauchers gehen." Andernfalls muss nachversteuert werden. Der Rechtsanwalt warnt deshalb, ein Depot zu komplex zu gestalten. Schon mit thesaurierenden Fonds, also Fonds, die ihre Gewinne reinvestieren, sei eine parallele Rechnung zu führen. Von Hoerner empfiehlt ausschüttende Titel.

Und welche Kosten kommen durch das Niessbrauchdepot auf mich zu? "Hier muss man ganz klar unterscheiden nach Kosten auf Bankebene und Rechtsanwalts- oder Steuerberaterebene", sagt René Niemann von der V-Bank. Auf Bank- oder Vermögensverwalterseite ändere sich in der Regel nichts an den Kosten.

Er empfiehlt aber für das Aufsetzen des Schenkungsvertrags aufgrund der Komplexität einen Steuerberater oder Rechtsanwalt zu konsultieren. Hier muss man mit Kosten von rund 1500 bis 3000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer rechnen.

© dpa-infocom, dpa:220826-99-525919/3  © dpa

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