Die Luft wird dünner für Johann Schneider-Ammann: Nach dem Korruptionsskandal im Seco werden nun auch immer mehr Einzelheiten über die zweifelhafte Steuerpraxis der Ammann-Group bekannt. Einzelne Politiker fordern bereits seinen Rücktritt. Ist Schneider-Ammann als Wirtschaftsminister noch tragbar?
Die Kritik an Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann wird lauter. Kürzlich erst wurde aufgedeckt, dass das ihm unterstellte Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) unzählige Aufträge für Informatiksysteme der Arbeitslosenversicherung unter der Hand vergab und dafür kräftig kassierte. Mitarbeiter des Seco sollen Aufträge zu überhöhten Preisen an eine Informatikfirma erteilt haben und dafür Flüge und VIP-Tickets kassiert haben. Der entstandene Scaden für den Bund geht dabei in Millionenhöhe.
Briefkastenfirmen und Offshore-Geschäfte
Letzte Woche wurden zudem Einzelheiten zur fragwürdigen Steueroptimierungspraxis der Ammann-Group bekannt, die Schneider-Ammann bis 2010 leitete. Im Mittelpunkt stehen dabei eine Briefkastenfirma in Luxemburg und Offshore-Geschäfte auf der Kanalinsel Jersey.
Von 1992 bis 2007 sass der Unternehmer im Verwaltungsrat der Luxemburger Manilux S. A. Die Firma vergab Kredite an Tochterunternehmen der Ammann-Group und erhielt dafür intern Zinsen. Das Unternehmen bunkerte über Jahre 230 Millionen Franken - in den Bilanzen sind dafür allerdings keine Steuern ausgewiesen. Hätte das Firmenvermögen aber überhaupt in der Schweiz versteuert werden müssen? Oder war Manilux ein ganz legaler Steuertrick?
Ausschlaggebend für diese Beurteilung ist seit 2003, ob Offshore-Tochterfirmen Personal zu ortsüblichen Löhnen angestellt haben sowie über eigene Büros in den Steuerparadiesen verfügen. Im Verwaltungsrat der Manilux sassen neben Schneider-Ammann jedoch nur ein weiterer Schweizer Geschäftsmann sowie ein Luxemburger, der zufällig auch noch ein Studienfreund von Schneider-Ammann ist. Auch hatte die Manilux weder eigene Angestellte und noch eigene Büros in Luxemburg.
1996 gründete die Ammann-Group eine weitere Tochterfirma auf der Kanalinsel Jersey, die Jerfin Limited, zu der die Erträge der Manilux flossen. Ammann löste die Jerfin 2009 auf und führte das Geld zurück in die Schweiz. Die Summe wurde in die neu gegründete Firma Afinsa investiert, bei der es sich Berichten zufolge ebenfalls um eine steuerpriviligierte Briefkastenfirma in Bern handeln soll.
Untragbarer Saubermann?
Schon vor seiner Wahl in den Bundesrat galt Schneider-Ammann als Patron mit hoher Ethik und hat dieses Image seitdem konsequent gepflegt. Er präsentiert sich stets als Saubermann, der es "unlauter" findet, Vermögen steuerfrei "im Ausland zu bunkern". Bei sich selbst und seinen Geschäften scheint Schneider-Ammann jedoch andere moralische Massstäbe anzusetzen, zu denen er sich bisher jedoch nicht äussern möchte: "Ich werde zu allen angesprochenen Themen öffentlich Stellung nehmen, spätestens wenn die internen Arbeiten der Berner Steuerbehörden abgeschlossen sind." Er habe jedoch jederzeit korrekt gehandelt und stehe zu all seinen Entscheiden. FDP-Parteichef Philipp Müller betonte, dass "gemäss Recherchen der 'Rundschau' diese Anlagen legal waren und der wirtschaftlichen Unabhängigkeit des international tätigen Unternehmens dienten"
Für SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen ist Schneider-Ammanns Glaubwürdigkeit dagegen dahin. Sie hält den FDP-Politiker für "kaum mehr tragbar im Bundesrat". Auch die Kantonalberner SP fordert ebenso wie die Juso Ammanns Rücktritt, falls er tatsächlich gegen das Steuerrecht verstossen hat. Eine klare Stellungnahme zu den Vorwürfen wünschen sich auch die Grünen und die SVP. Nationalrätin Natalie Rickli: "Wenn jemand nicht transparent kommunizieren will, muss man davon ausgehen, dass an den Vorwürfen etwas dran ist."
Der Präsident der BDP, Martin Landolt, warnt dagegen vor einer Vorverurteilung Schneider-Ammanns und mahnt, die Ergebnisse der Untersuchungen abzuwarten. Auch die CVP glaubt noch an das Gute im Menschen Schneider-Ammann. "Vielleicht konnte die Ammann-Gruppe ihre Aktivitäten von Jersey aus besser finanzieren als von der Schweiz. Die Steuerersparnis war möglicherweise nur ein Nebeneffekt", wird der Zuger CVP-Regierungsrat Hegglin zitiert.
Die Steueraffäre kommt für den Wirtschaftsminister zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Es gilt als fraglich, ob die FDP ihre beiden Sitze im Bundesrat auch nach den Wahlen 2015 noch halten kann. Vor diesem Hintergrund tragen Schneider-Ammann und Aussenminister Didier schon seit längerem einen kaum verborgenen Konkurrenzkampf aus. Wenn am kommenden Sonntag der Bundesrat Stellung zu den Resultaten über die Abstimmung zur Personenfreizügigkeit nehmen wird, wird statt Schneider-Ammann nun Didier Burkhalter vor die Medien treten. Auch wenn die FDP ihrem Schneider-Ammann noch immer volle Rückendeckung zusichert: Die Luft scheint dünner zu werden für den Wirtschaftsminister.
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