Laut einem sogenannten Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) können Teilnehmer an Online-Sportwetten ihre Verluste zurückfordern. Denn die meisten Wettanbieter operierten jahrelang ohne Lizenz. Kommt nun die grosse Klagewelle? Die Aussichten, sein Geld zurückzuerhalten, sind extrem gut, wie ein Anwalt erklärt.

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Ein paar Klicks auf dem Smartphone und schon ist man dabei – Online-Sportwetten erfreuen sich grosser Beliebtheit. Das Problem: Die Anbieter hatten jahrelang gar keine Lizenz. Das erweist sich nun als Bumerang. Denn Spieler können ihre Verluste zurückfordern.

Das besagt ein sogenannter Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs (BGH). Die bisherige Praxis verstosse demnach gegen die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages, so die vorläufige Einschätzung.

"Bei Sportwetten waren alle Anbieter ohne Ausnahme bis Oktober 2020 nicht lizenziert", sagt Anwalt Igor Vasiljević, der sich mit seiner Kanzlei auf Rechtsfragen bei Sportwetten und Online-Casinos spezialisiert hat. "Die grossen und bekannten Namen, etwa Tipico, Bwin oder Bet365, haben ihre Sportwettenlizenz erst im Oktober 2020 erhalten. Jetzt hat das BGH entschieden, dass deren Angebot illegal war und dass Verluste zurückgefordert werden können."

Nach BGH-Beschluss: Jeder kann Verluste bei Online-Sportwetten zurückfordern

Das finale Urteil des BGH soll am 2. Mai erfolgen, aber der Hinweisbeschluss habe "de facto die gleiche Wirkung wie ein Urteil", erklärt Vasiljević. Bei dem Hinweisbeschluss handele es sich um ein Instrument, um im Vorhinein kundzutun, wie die Gerichte entscheiden wollen.

Was aber bedeutet der Beschluss für die Spieler, die Verluste verbuchen mussten? Ganz einfach: Praktisch alle haben die Möglichkeit, ihr Geld zurückzubekommen, wenn es sich um Verluste von vor der Lizenzierung im Oktober 2020 handelt.

Dazu müssen Betroffene eine sogenannte Transaktionsübersicht bei den Anbietern anfordern. Diese sind dazu verpflichtet, die relevanten Daten zu speichern und auf Anfrage herauszugeben. Tun sie das nicht, drohen empfindliche Strafen.

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In der Praxis könnten sich trotzdem einige Hürden auftun. Zwar sei es ohne Probleme möglich, gegen die Platzhirsche wie Tipico oder Bwin vorzugehen, erläutert Igor Vasiljević. Für kleinere und mittlere Unternehmen sei es dagegen leicht, einfach nicht zu zahlen. Vor allem an Unternehmen mit Sitz auf Curaçao komme man nicht ran. Man habe es dabei mit Gesellschaften mit wenig seriösem Hintergrund zu tun, sagt Vasiljević.

Rückforderung nach Sportwetten: Darauf sollten Sie achten

Wer sein Geld zurückfordern will, sollte also im Vorhinein abklären, wie die Chancen sind. Auch die Summe spielt dabei eine Rolle. Unter 5.000 Euro lohnt es sich nicht, einen Anwalt einzuschalten. Auch Prozessfinanzierer übernehmen dann nicht.

Oftmals liegt der Streitwert wesentlich höher. Und oft geht es um persönliche Schicksale. So berichtet Vasiljević von Anrufen schockierter Ehefrauen, die gerade erfahren hätten, dass ihr gesamtes Erspartes weg sei – manchmal Summen von 100.000 Euro und mehr.

"Den Leuten geht es nicht darum, dass sie sich bereichern", erklärt Igor Vasiljević. Vielmehr fühlten sie sich betrogen und wollten geradebiegen, was in den letzten Jahren schiefgelaufen sei.

Doch wie kann es eigentlich sein, dass Online-Wetten so lange illegal waren, aber trotzdem geduldet wurden? "Das ist überraschend für sehr viele", sagt Igor Vasiljević. Das selbstbewusste Auftreten und die omnipräsente Werbung hätten den Anschein geweckt, das Geschäft mit den Online-Wetten sei legal. "Am Ende müssen sich die Behörden an die Nase greifen."

Nach BGH-Beschluss: Image von Wettanbietern leidet

Tatsächlich hatte es über die letzten Jahre bereits zahlreiche Entscheidungen von unteren Instanzen gegeben. Das BGH-Urteil dürfte nun aber richtungsweisend sein. Was ist also für das Sportwettengeschäft zu erwarten? Bricht der deutsche Markt zusammen?

"Den Anbietern wird es finanziell wehtun", sagt Vasiljević. Zudem bedeute es einen brutalen Imageschaden. "Die Unternehmen haben ja in den letzten Jahren viel Geld investiert, um ihr Image zu polieren. Und jetzt ist höchstrichterlich festgestellt, dass sie Rechtsbrecher sind. Das dürfte deren Reputation sehr schaden."

Und doch stehe die Zukunft der Wettanbieter wohl nicht auf dem Spiel, seien in der Branche doch zwischen 2014 und 2020 rund 50 Milliarden Euro umgesetzt worden. "Die werden bald wieder schwarze Zahlen schreiben", ist sich Vasiljević sicher.

Das Geschäft kann also weitergehen. Dann legal und mit Lizenz.

Über den Gesprächspartner

  • Igor Vasiljević ist Wirtschaftsjurist und gilt als Experte in der Begleitung der Regulatorik zu Sportwetten in Deutschland.

Verwendete Quellen

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