Sie sind klein, dennoch ist ihr Einfluss auf das Familienbudget riesig. Weil Kinder Werbung ungefiltert aufnehmen, haben Unternehmen sie längst als lukrative Zielgruppe erkannt. Wie können Erwachsene die Jüngsten vor aggressiver Reklame schützen?
Aus Sicht der Werbeindustrie haben Kinder gegenüber Erwachsenen einen enormen Vorteil: Sie sind unerfahren, leichtgläubig und eine unkritische Zielgruppe.
Welchen Einfluss haben Kinder auf das Familienbudget?
Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass bereits Mädchen und Jungen unter drei Jahren massgeblich Einfluss auf das Konsumverhalten ihrer Familien nehmen. Laut einer Studie von Ehapa Egmont, einem Verlag für Kinderzeitschriften, haben Kinder auf bis zu 66 Prozent aller Anschaffungen Einfluss. Über 50 Prozent der Erstkäufe in Supermarkt und Kaufhaus entscheidet der Nachwuchs sogar komplett allein. Und selbst bei grösseren Ausgaben, ob etwa ein bestimmtes Auto gekauft werden soll oder wohin die nächste Urlaubsreise geht, haben Mädchen und Jungen heutzutage – anders als vor zehn Jahren – Mitspracherecht.
Wie werben Unternehmen gezielt für ihre Produkte?
Wer glaubt, der Nachwuchs sei hauptsächlich vor dem Fernseher mit Werbung konfrontiert, der irrt. Viel eher gilt, dass sie überall davon umzingelt sind. Das beginnt bereits im Kindergarten: So erhielten beispielsweise vor den Sommerferien 70.000 Mädchen und Jungen in Kindertagesstätten eine kostenlose Geschenkbox inklusive des Magazins "Mein Ferienheft". Dahinter steht die Agentur Blattwerk-Media, die das Produkt unter anderem von Super RTL, dem dm-drogerie markt, Panini und vielen anderen sponsern liess. Auch in in Schulen und Sportvereinen, die Firmen unter anderem mit Malutensilien und Fussballtrikots unterstützen, sind Kinder für die Werbeindustrie erreichbar.
Marketing im Supermarkt und im Internet
Die Lebensmittelindustrie setzt beispielsweise schon länger auf Comicfiguren, die die Kleinen vom Fernsehen oder Comicheft kennen. Im Supermarkt stehen dann neben dem Erdbeerjoghurt mit dem Wikingerkind "Wickie" die "Feine Lyoner Pastete Lauras Stern" und "Sandmännchen Käsesterne" im Regal.
Im Internet haben Unternehmen ebenso die jüngsten Konsumenten am Wickel. So geriet die Seite "pombaer.de" erst kürzlich in die Kritik, weil kleine Fans auf der Seite Teil eines eigenen sozialen Netzwerkes rund um den goldigen Bären aus der Chips-Werbung werden konnten. Ziel der Spiele dort: Eine Art Pom-Bär-Welt aufzubauen, deren Inventar man mit einem Code kauft, der auf den realen Tüten aufgedruckt ist.
Für diese Produkte werben die Firmen
Über Spielzeug hinaus werben die Unternehmen vor allem für überzuckerte Lebensmittel wie Schokoriegel, Kinderjoghurt, Süssigkeiten oder Softdrinks sowie für digitale Produkte und Markenkleidung.
Über wie viel Geld verfügen die Jüngsten?
Laut einer Studie des Münchener Meinungsforschungsinstituts "Iconkids & Youth" sind Kinder und Jugendliche in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die wichtigsten Konsumenten. Die Untersuchung hat ergeben, dass den in Deutschland lebenden 6- bis 19-Jährigen im Jahr 2015 rund 19,8 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, rund 600 Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr.
Warum wirkt sich Kinderwerbung auf das Eltern-Portemonnaie aus?
Einerseits betrachten selbst die Jüngsten die vielen Anzeigen in Zeitschriften mit riesigem Interesse. Andererseits geben Eltern dem Impuls des Habenwollens bei Mädchen und Jungen oft nach. Auch die demografischen Entwicklung trägt dazu bei, dass Eltern immer spendabler werden. "Kinder werden immer mehr zu einem knappen Gut. Und je weniger Kinder es gibt, desto mehr investiert man in sie", sagt Ingo Barlovic, Leiter der Studie von "Iconkids & Youth".
Wie können Kinder Werbung erkennen?
Untersuchungen haben ergeben, dass Kinder bereits im Alter von drei Jahren Markenlogos erfassen können. Mit Werbung bringen sie diese deshalb aber noch lange nicht in Verbindung. Das geschieht erst mit Beginn des Grundschulalters.
Wie können Eltern ihre Kinder schützen?
Von Verboten halten Experten nichts. Werbung - ob im Fernsehen, in Zeitschriften oder im Internet - gehöre heutzutage schlichtweg zum Alltag, meinen sie. Stattdessen sollten Eltern die Anzeigen gemeinsam mit ihren Kindern anschauen und diskutieren. Kinder sollten lernen, beim Fernsehen Sendungen und Reklame auseinander zu halten. Vor dem Einkauf bietet es sich an, zu besprechen, was auf der Besorgungsliste steht und was nicht. Warum möchte das Kind genau dieses Produkt? Haben die Wünsche etwas mit der Werbung im Fernsehen zu tun? Wenn Eltern den Kleinen altersgerecht über Marketing aufklären, können auch Grundschulkinder verstehen, warum Firmen werben und wem das nützt.
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