Sie fressen alles und vermehren sich rasend schnell: Ratten finden in Städten beste Bedingungen zum Leben, sind aber eine Gefahr für unsere Gesundheit. Einige Verhaltensregeln sind wichtig, denn: Wir locken sie an, ohne uns dessen bewusst zu sein.

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Sie haben einen hässlichen Ruf. Und das hat seine Gründe. Ratten sind Schädlinge. Sie können mehr als 100 Krankheiten auf den Menschen übertragen – darunter Gelbsucht, Typhus und Tollwut. Sie verunreinigen Lebensmittel- und Futterlager mit ihrem Kot und schleppen Parasiten ein. Durch die Übertragung von Tierseuchen können sie laut Umweltbundesamt (UBA) gewaltige Schäden anrichten.

"Nein, man möchte sie nicht haben", betont Kai Scheffler, Vorsitzender des Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verbands. "Aber wo Menschen und ihre Nahrung sind, wird dieser Lebensraum auch mit Ratten bevölkert. Und die erzeugen Nachwuchs. Die Populationsvergrösserung ist gigantisch, deswegen ist die Überwachung und Bekämpfung so wichtig", erklärt Scheffler.

Vermehrungsrate einer Ratte pro Jahr ist beachtlich

Wie schnell sich die Tiere vermehren, zeigen Zahlen zur Wanderratte, der hierzulande häufigsten Art, die bis zu drei Jahre alt werden kann:

  • Bis zu sechsmal im Jahr kann ein Rattenweibchen laut Umweltbundesamt Junge zur Welt bringen, durchschnittlich acht pro Wurf
  • Dieser Nachwuchs wiederum braucht nur zwei Monate bis zur Geschlechtsreife
  • Beim Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit schätzt man grob, dass einer Ratte in nur einem Jahr mehrere Generationen mit insgesamt 500 Nachkommen folgen. Schädlingsbekämpfer Scheffler hält wegen der "sehr hohen Vermehrungsgeschwindigkeit" sogar mehr als tausend Nachkommen pro Jahr für möglich.

"Ein anfänglich kleiner Rattenbefall kann sich daher relativ schnell ausweiten", warnt das UBA. Wichtig ist daher, die typischen Anzeichen eines Befalls zu kennen und die Sichtung einer Ratte der örtlich zuständigen Behörde zu melden. Auf privatem Grund sind die Eigentümer zuständig, auf öffentlichem Gelände die Kommunen.

Typische Orte für Wanderratten sind laut Experten die Kanalisation, ebenso wie Mülldeponien, Bahnhöfe, Tierställe, landwirtschaftliche und lebensmittelverarbeitende Betriebe, Rasthöfe und Spiel- und Freizeitflächen, wo Menschen gerne Essensreste liegenlassen. Doch Ratten nisten sich letztlich überall ein, wo sie dafür Platz und vor allem Nahrung finden. Das kann auch ein Haus oder – vor allem in Altbauten – eine Wohnung sein.

Ratten können leicht in Gebäude eindringen – Keime grassieren

"Verputzte Häuser mit Dämmstoffen mögen sie und können sich unter dieser Dämmung einnisten. Dass sie sich dann auch auf den Dachboden zurückziehen, ist nicht ungewöhnlich", klärt Scheffler auf. Die Tiere seien ausgezeichnete Kletterer. Auch aber habe man eine Ratte schnell mal im Keller. Gitter an den Fenstern und geschlossene Türen werden daher von Behörden als Vorkehrung empfohlen.

Wer aber denkt, allein damit Rattenbefall verhindern zu können, irrt: Eine Spalte von nur zwei Zentimetern reicht den Tieren laut Umweltbundesamt, um in einen Bau eindringen zu können. Dort machen sie ihrer Bezeichnung als "Allesfresser" alle Ehre und ernähren sich buchstäblich von allem, das sie finden können. Das Umweltbundesamt warnt entsprechend vor Kurzschlüssen, die Ratten durch das Annagen von Kabeln auslösen.

Was sie zur Gefahr für unsere Gesundheit werden lässt: Sie verunreinigen die Räume mit Kot und Urin: "Das stinkt nicht nur, sondern Sie können so mit gefährlichen Krankheitskeimen in Kontakt kommen", warnt Scheffler. Auch die Begegnung mit der Ratte möchte man vermeiden: "Die Tiere sind zwar nicht auf Angriff gepolt, aber wenn sie sich etwa auf dem Dachboden von Ihnen in die Enge gedrängt fühlt, ist das kein Spass. Sie möchte an Ihnen vorbei - und dafür wird sie sich wehren." Dabei könnten sie "ausgesprochen aggressiv reagieren, beissen und bis zu eineinhalb Meter hoch springen", informiert das UBA.

Vorsicht: Vogelfutter, Müll und Komposthaufen ziehen Ratten an

Eine Bekämpfung durch Giftköder beziehungsweise einer Kombination aus Schlagfallen und Giftköder sei bei Befall zwar unerlässlich, erklärt Scheffler: "Aber sie ist auch das letzte Mittel. Ein wichtiger Teil unserer Arbeit als Schädlingsbekämpfer sind Beratung und Vorbeugung, damit wir die Rattenpopulation hierzulande unter Kontrolle halten".

Eine Rattensichtung sei ein deutliches Alarmsignal, da sich die Tiere eigentlich nur ungern zeigen. Typische Anzeichen für einen Befall seien auch Kotballen (kugelförmig bis länglich und ein bis drei Zentimeter lang), Nagespuren oder im Aussenbereich faustdicke Erdlöcher.

Ausserdem sind diese Verhaltenstipps wichtig, um Ratten fernzuhalten:

  • In Gebäuden sollte man Ritzen und Löcher sowie undichte Türen so weit möglich verschliessen, an Kellerfenstern engmaschige Gitter anbringen
  • Achtung, jegliches Futter zieht sie an: "Wer Vögel im Garten füttert, bietet damit auch Ratten Nahrung", warnt Scheffler. Auch sonstiges Tierfutter, im Garten etwa für Hühner oder Kaninchen, ist willkommene Nahrung für die Schädlinge.
  • Im Park bedenken viele nicht: Wer dort Tiere wie Tauben oder Enten füttert, füttert Ratten mit. Parkbesucher legten manchmal "Unmengen von Brot aus", zitiert die dpa Mario Heising, Vorsitzender des Landesverbands Berlin/Brandenburg im Deutschen Schädlingsbekämpferverband. Das habe schon zu "massiven Rattenplagen" geführt.
  • Ratten brauchen Wasser – jegliche Wasserquellen wie Teiche oder Behälter mit Wasser machen eine Umgebung für sie als Nistplatz attraktiv.
  • Mülltonnen und -beutel immer fest verschliessen: Selbst der "gelbe Sack" zieht Ratten an, wenn die Verpackungen nicht zu hundert Prozent von Speiseresten befreit sind.
  • Komposthaufen mit Speiseresten: "Sie sind ein gedeckter Tisch für Ratten", warnt das Ordnungsamt Wiesbaden.
  • Essensreste nicht über die Toilette entsorgen! "Das ist der grösste Gefallen, den wir Ratten tun können – und damit der grösste Fehler. Sie liefern den Ratten in der Kanalisation und den Rohrsystemen damit sozusagen das Essen am Fliessband", sagt Scheffler.

Ratten in Kanälen stören doch niemanden? Nicht nur im eigenen Haus, auch in den Kanälen sind Ratten ein Hygiene-Problem für uns Menschen. "Die Keimdichte ist in städtischen Abwassersystemen hoch und die Gefahr der Keimverschleppung durch die Nager erheblich", informiert das UBA. Das Problem: Sie wechseln typischerweise zwischen Kanal und oberirdischem Lebensbereich und somit eben mitunter auch Gebäuden hin und her.

Städte überwachen Rattenaufkommen

Deshalb ist es jeder Stadt ein grosses Anliegen, die Rattenpopulation so weit möglich in Grenzen zu halten. Das aktuell berühmteste Negativbeispiel ist New York, wo Menschen die Millionen von Ratten als Plage empfinden. Seit kurzem ist erstmals eine "Rattenzarin" im Einsatz, eine stadtweite Direktorin für Nagetierbekämpfung. Allein im Viertel Harlem sollen 3,5 Millionen Dollar in die Reduzierung der Ratten-Population fliessen.

"Ratten-Zaren" braucht Deutschland keine, doch ohne Bekämpfung geht es nicht: In Berlin etwa geben einzelne Bezirke nach dpa-Informationen Tausende Euro im Jahr für die Bekämpfung aus, manche sogar fünfstellige Beträge. In Stuttgart etwa sind Köderboxen im Einsatz, die sogar Daten über die Besuche senden. "Sind tatsächlich Ratten an die Lockköder gegangen, werden diese durch Giftköder ersetzt", erklärt ein Sprecher. Doch selbst mit dieser modernen Technologie lasse sich nicht seriös ableiten, wie viele Ratten in Städten leben. Auf Anfrage unserer Redaktion heisst es aus Köln und München, man beobachte jährliche Schwankungen, aber unterm Strich gleichbleibende Zahlen.

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Bei Rattenbefall Hilfe von Profis holen

"Ratten dürfen ausschliesslich mit zugelassenen Ködermitteln bekämpft werden", teilt der Sprecher des Gesundheitsreferats in München mit. Zum Schutz von anderen Tieren und Menschen legten Fachfirmen diese verdeckt in sogenannten Köderschienen oder Köderboxen aus - bis kein "Anfrass" mehr stattfinde.

Wer wegen eines Rattenbefalls einen Schädlingsbekämpfer beauftragt, sollte sich vorher ein Angebot machen lassen, rät Scheffler. Im Schnitt koste eine Bekämpfung bei einem seriösen Anbieter mit den entsprechenden Kontrollterminen zwischen 250 und 1.000 Euro. "Das hängt davon ab, wie stark der Befall ist und wie häufig Kontrollen nötig sind", erläutert er. Wichtig zu wissen – auch um seriöse Anbieter von unseriösen zu unterscheiden: "Es gibt keine 'Spritzmittel' gegen Ratten. Der Schädlingsbekämpfer legt Köder aus beziehungsweise stellt Fallen auf. Darin kommen sogenannte Antikoagulanzien der zweiten Generation zum Einsatz." Dabei handelt es sich um ein spezielles Gift:

  • Antikoagulanzien hemmen die Blutgerinnung, so dass die Ratten einige Tage nach dem Fressen des Köders verenden – meist ziehen sie sich dafür in ihren Bau zurück. "Dass die Ratte nicht sofort tot umfällt, ist durchaus von Bedeutung: Das wäre ein Signal an ihre Artgenossen, Abstand von den Ködern zu halten. Ratten haben gute Instinkte", weiss Scheffler.

Ohne Hilfe von Profis, etwa mit Rattengift aus dem Gartencenter, sollte man Ratten auf keinen Fall bekämpfen, warnen auch die Behörden. Im schlimmsten Fall lockt man noch mehr von ihnen an, tötet sie aber nicht: "Die Gifte sind schwächer, die Ratte muss sie mehrfach aufnehmen und es liegen immer häufiger Resistenzen dagegen vor, erläutert Scheffler.

Erkrankung durch Ratten im Sandkasten: Ursache bleibt oft unerkannt

Während viele froh sind, wenn der Schädlingsbekämpfer schnell anrücken kann, müssen Ausübende dieses Berufes auch viel Kritik aushalten. Lege man etwa Giftköder in öffentlichen Anlagen aus, komme es häufig zu Diskussionen mit Eltern und Hundehaltern, berichtet Heising. Dann erkläre er, welche Gefahr von den Keimen ausgehe.

Ansteckungen erfolgen in der Regel unbemerkt über die Ausscheidungen der Tiere. Heising nennt das Beispiel Sandkasten, wo Kinder in Kontakt mit Rattenkot und -urin kommen können. Treten später Erbrechen und Durchfall auf, heisse es: Magen-Darm. An eine Verbindung zu Ratten denke kaum jemand.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Kai Scheffler, Vorsitzender des Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verbands e.V. in Ibbenbüren und CEO der Schädlingsbekämpfungsfirma Protectis Pest Control GmbH in Paderborn
  • Umweltbundesamt (UBA)
  • Schriftlicht Stellungnahmen der Städte Köln und München
  • dpa
  • Ordnungsamt Wiesbaden
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