Magdeburg - Der schwarze Schäferhund-Mischling Tommy schaut einen mit seinen braunen Augen direkt vom Bildschirm an, ein Wisch nach rechts und er hätte vielleicht bald ein neues Zuhause.
Möglich macht es die App "FindUs", entwickelt von einem Team aus wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studierenden an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Sie funktioniert nach dem Prinzip der Dating-App Tinder. Nur das diese bereits Millionen von Downloads zählen kann. "FindUs" ist seit Oktober 2022 kostenlos im App-Store erhältlich und mit 1300 Downloads noch nicht ganz bei den Verbrauchern angekommen.
Die Idee hinter der App: "FindUs" soll vor allem schwer vermittelbaren Tieren ein neues Zuhause schenken. "Vielleicht verlieben sich Menschen auf den ersten Blick und sehen dann über andere Hindernisse leichter hinweg", sagt Hannes Feuersenger, einer von vier "FindUs"-Mitbegründern. Das oft als zu oberflächlich kritisierte Dating-Prinzip sei damit durchaus ein Vorteil für die Tier-Vermittlung. So könnte vielleicht auch Tommy, der umständehalber ins Tierheim Schönebeck kam, ein neues Zuhause finden.
Auch Sachsen-Anhalts Tierschutzbeauftragter Marco König sieht im Swipen den Vorteil, die Erwartungen des Interessenten an sein zukünftiges Heimtier zu "artikulieren und zu filtern". Das könne späteren Enttäuschungen vorbeugen. Ein weiterer Pluspunkt sei die sehr einfache Bedienung der App. Tierheime fotografieren ihre Bewohner, füllen ein paar Eckdaten aus und stellen das Tier online. Privatpersonen könnten kein Tier einstellen, so König.
Apps ersetzen erstes Zusammentreffen nicht
Grundsätzlich ersetzen solche Apps aber das tatsächliche erste Zusammentreffen nicht, das sei "wie beim Onlinedating zwischen Menschen", sagt König. Das sieht auch das Tierheim Schönebeck so. Es kooperiert seit über einem Jahr mit den vier Gründern. "Es kommt vor, dass die Chemie zwischen Tier und Interessenten nicht stimmt, dann geben wir unseren Schützling auch nicht ab", sagt Kerstin Kauert vom Tierschutzverein Schönebeck und Umgebung.
Derzeit sind laut den Programmierern knapp 500 Tiere in der App gelistet. Bisher ist auf diesem Weg aber noch kein Tier vermittelt worden. "Ich denke, die App müsste zunächst bekannter werden", sagt Kauert. Darin sieht auch König, der Landestierschutzbeauftragte, das grösste Problem. Eine App lebe natürlich davon, welche Verbreitung und Anwendung sie letztlich erfahre.
Erfolg oder Misserfolg
Die Downloadzahlen werden über den Erfolg und Misserfolg der Gründer aus Schönebeck entscheiden. "In den nächsten Monaten steht die Akquise von weiteren Tierheimen und Kooperationspartnern sowie die Öffentlichkeitsarbeit ganz oben auf unserer Agenda", so App-Mitgründer Feuersenger.
Wie viel Arbeit da auf die Startup-Unternehmer zukommt, weiss Daniel Medding, Geschäftsführer der Webseite "Tierheimhelden". Die nach einem ähnlichen Suchprinzip funktionierende Seite habe vor zehn Jahren ebenfalls als Startup begonnen. "Allein die Überzeugung von Tierheimen, sich der Webseite anzuschliessen, ist eine Mammutaufgabe", sagt Medding. Das Thema sei definitiv kein Selbstläufer und werde meist absolut unterschätzt.
Medding und seine Gründerkollegen haben seit Jahren "weit über 20 Plattformen und Apps" beobachtet, die sich etablieren wollten, unter anderem auch in Kooperation mit ihnen. Darunter seien auch mindestens fünf "Tinder für Tiere" gewesen, erzählt Medding. Grundsätzlich seien aber alle Ideen, bei denen das Tierwohl im Vordergrund stehe, gut. Zudem schliesst der Tierarzt eine Kooperation mit den App-Gründern nicht aus. Seine Webseite arbeite mittlerweile mit vielen hundert Partnertierheimen zusammen.
Startup-Wettbewerb "Make Tomorrow New"
Die Idee für "FindUs" entstand im November 2020, wie Feuersenger sagt. Mit der ersten Rohfassung der App nahm das Team aus Schönebeck bei dem von einem Privatkonzern ins Leben gerufenen Startup-Wettbewerb "Make Tomorrow New" teil. Dort schafften es die Sachsen-Anhalter unter die Top 5 von knapp 1600 Ideen. Das Preisgeld in Höhe von 20.000 Euro diente den Jungunternehmern als Startkapital. Die Finanzierung sei eine der schwierigsten Aufgaben des Projektes.
Derzeit würden die elf Mitarbeiter noch freiwillig ohne Bezahlung arbeiten und es laufe viel über Eigenfinanzierung. Geplant seien aber Crowdfounding-Aktionen und Einnahmen über Kooperationen und Coupons, die Neu-Tierbesitzer nach erfolgreicher Vermittlung in der App angeboten bekämen. Durch solche Kooperationen solle die App "FindUs" auch künftig kostenlos bleiben. © dpa
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