Warum können manche Hunde einfach nicht aufhören, zu fressen? Eine neue Studie beleuchtet die genetischen Hintergründe und gibt Tipps, wie Übergewicht bei Vierbeinern vermieden werden kann.
Zu viele Kilos auf den Rippen: Das ist längst kein rein menschliches Problem mehr, sondern betrifft auch eine wachsende Zahl von Haustieren. Verschiedenen Schätzungen zufolge sind etwa ein Drittel oder gar die Hälfte aller Hunde in Deutschland übergewichtig – mit gesundheitlichen Folgen: Auch bei Tieren kann Übergewicht zu Arthrose, Diabetes und Krebs führen.
Eine Studie, über die im Fachblatt "Science" berichtet wird, hat untersucht, welche genetischen Faktoren für die Fettleibigkeit von Hunden eine Rolle spielen könnten. Die internationale Forschungsgruppe unter Leitung der Universität Cambridge zeigt, dass bei Hunden wahrscheinlich die Gene Schuld daran tragen, wenn sie den Hals buchstäblich nicht voll bekommen können. Die Forschungsfrage sei auch für Menschen relevant, da tierisches Übergewicht oft durch ähnliche Umwelteinflüsse – wie Bewegungsmangel und übermässige Fütterung – begünstigt werde.
Gene und Gewicht: Die Rolle von DENND1B bei Labradoren
Für ihre Studie untersuchte das Team 241 Labrador Retriever. Diese Rasse ist bekannt dafür, zu Übergewicht zu neigen. Die Forschenden massen das Körperfett der Tiere, bewerteten ihr Fressverhalten und nahmen Speichelproben zur Untersuchung der DNA. Durch den Vergleich des Erbguts mit dem Fettleibigkeitsstatus der Hunde konnten sie herausfinden, welche Gene mit dem Gewicht der Tiere in Verbindung stehen.
Dabei stellte das Team fest, dass ein Gen namens DENND1B am stärksten mit Fettleibigkeit bei Labradoren assoziiert ist – ein Gen, das auch beim Menschen vorkommt. DENND1B beeinflusst den sogenannten Leptin-Melanocortin-Signalweg, der eine zentrale Rolle im komplexen System der Hunger- und Sättigungsregulation spielt. Dieser Signalweg wird durch zwei zentrale Botenstoffe gesteuert: das Hormon Leptin und das melanozytenstimulierende Hormon. Beide regulieren das Sättigungszentrum im Gehirn.
In der Studie hatten nun die Labradore mit dem DENND1B -Gen etwa acht Prozent mehr Körperfett als jene Hunde ohne diese Genvariante.
Erkenntnisse über das Fressverhalten: Appetit und Genetik
Neben DENND1B identifizierte die Forschungsgruppe vier weitere Gene, die bei den Labradoren mit Übergewicht in Verbindung stehen, wenn auch mit kleinerem Effekt. Auch diese Gene seien beim Menschen zu finden. "Wir haben herausgefunden, dass Hunde mit einem hohen genetischen Risiko für Fettleibigkeit ein grösseres Interesse am Futter haben", wird Erstautorin Natalie Wallis in einer Mitteilung zitiert. "Hunde mit einem hohen genetischen Risiko für Fettleibigkeit zeigten Anzeichen für einen grösseren Appetit, wie dies auch bei Menschen mit einem hohen genetischen Risiko für Fettleibigkeit festgestellt wurde".
Verspricht die Identifikation dieser Gene nun vielleicht neue pharmazeutische Mittel gegen Übergewicht? Biologin und Mitautorin Alyce McClellan verneint das: "Diese Gene sind keine unmittelbaren Ziele für Medikamente zur Gewichtsreduktion, da sie andere wichtige biologische Prozesse im Körper steuern, in die nicht eingegriffen werden sollte." Die Ergebnisse der Studie unterstrichen jedoch die Bedeutung grundlegender Hirnbahnen für die Kontrolle von Appetit und Körpergewicht.
Anstatt auf die Entwicklung neuer Medikamente legen die Forschenden den Fokus auf einen anderen Aspekt: So habe die Studie gezeigt, dass mit der entsprechenden Ernährung und Bewegung selbst bei Hunden mit hohem genetischen Risiko Übergewicht verhindert werden könne. Ähnliches gelte für Menschen: Auch sie könnten mit einer disziplinierten Diät und regelmässigem Sport ihr Gewicht im Griff behalten - neigten aber bei genetischer Veranlagung eher zu einer Gewichtszunahme. Sowohl für Hunde als auch Menschen gelte dabei, dass nicht ein einzelnes Gen verantwortlich sei, sondern der kombinierte Effekt mehrerer genetischer Varianten.
"Die Untersuchung der Hunde hat uns etwas sehr Wichtiges gezeigt: Besitzer von schlanken Hunden sind nicht moralisch überlegen", führt Studienleiterin Eleanor Raffan aus. Das Gleiche gelte für schlanke Menschen: "Wenn man ein hohes genetisches Risiko für Fettleibigkeit hat, neigt man dazu, zu viel zu essen und an Gewicht zuzunehmen, es sei denn, man strengt sich enorm an, es nicht zu tun."
Was können Hundehalter tun?
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben auch einige Ratschläge für die Besitzer übergewichtiger Hunde: Sie könnten ihre Vierbeiner vom ständigen Hunger ablenken, indem sie Leckerlis mithilfe eines Futterautomaten rationieren, Futter im Garten verstreuen, sodass es länger dauert, es zu finden, oder auf sättigendere Nahrungsmittel setzen.
Lesen Sie auch
Eleanor Raffan fasst zusammen: "Diese Arbeit zeigt, wie ähnlich Hunde dem Menschen genetisch sind. Das Studium der Hunde führte uns dazu, uns auf dieses spezielle Gen zu konzentrieren, das uns einen grossen Schritt weitergebracht hat, um zu verstehen, wie unser eigenes Gehirn unser Essverhalten und unseren Energieverbrauch steuert." (dpa/bearbeitet von ali)