Berlin - Bienen fliegen auf der Suche nach Blüten über Wiesen, Igel erwachen aus ihrem Winterschlaf: Was eigentlich den Beginn den Frühlings ankündigt, passiert in diesem Jahr teilweise schon im Januar. Milde Temperaturen bringen die Natur aus dem Rhythmus.

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"Unser Ökosystem ist aufeinander abgestimmt", erklärt Julian Heiermann, Naturschutzexperte des Naturschutzbundes (Nabu). Insekten, die früher fliegen, bräuchten dann auch Nahrungspflanzen. "Das ist in der Natur normalerweise synchronisiert. Wenn es jetzt noch extremer wird, und es irgendwann vielleicht gar keinen Winter mehr gibt, habe ich Bedenken, dass das aus dem Takt gerät."

Aussergewöhnlich milde Temperaturen zu Jahresbeginn

Die Temperaturen zu Jahresbeginn waren bisher aussergewöhnlich mild. "Der Januar befindet sich im Hinblick auf die Temperatur auf einem beständigen Höhenflug", schrieb der Deutsche Wetterdienst (DWD) nach der ersten Januarwoche. Seit Wochen sei es wechselhaft, teilte er jüngst mit. "Es fühlt sich eher nach windigem Herbstwetter statt Winter an."

Durch Klimaveränderungen gebe es mehr Wetterauffälligkeiten wie trockene, heisse Sommer oder warme und zu trockene Winter, sagt Derk Ehlert, Wildtierexperte der Berliner Umwelt-Senatsverwaltung. Diese Veränderungen wirkten sich unterschiedlich auf Pflanzen und Tiere aus - meist jedoch zu deren Nachteil. Ein gesunder, starker Bestand könne solche Veränderungen besser verkraften, sagt Ehler. "Aber durch trockene Sommer, Hitze und Dürre geschwächte Tiere und Pflanzen, die könnten darauf reagieren."

Welche Auswirkungen das Wetter konkret hat, ist von Tier zu Tier unterschiedlich. Die grobe Steuerung des Winterschlafs und der Winterstarre etwa funktioniere durch eine innere Uhr, sagt Heiermann. "Aber wenn es lange sehr mild ist, dann funktioniert die Feinsteuerung nicht. Das kann dazu führen, dass die Tiere, obwohl es noch zu früh ist, schon aktiv werden."

Wenn etwa ein Igel früher als üblich erwacht, dann braucht er auch früher Energie. Dafür verbrauche er das sogenannte braune Fett, sagt Ehlert. Das könne schnell in Energie umgewandelt werden. "Wenn es wieder kälter wird, fehlt den Tieren dann diese Energie für den eigentlichen Frühjahrsstart."

Auch Bienen und Frösche zu früh unterwegs

Aber auch andere Tiere können bei milden Temperaturen Probleme bekommen. Bei Honigbienen etwa könne es fatal sein, sagt Ehlert. Diese würden dann losfliegen und keine Blüten finden. "Auch Frösche können zu früh zum Laichen losziehen."

Doch milde Winter kennen auch Gewinner. "Die Wildschweine freuen sich sicher über die Wetterverhältnisse", sagt Ehlert. "Sie kommen gut in den Boden und können nach Nahrung suchen." Auch Vögel aus Nord- und Osteuropa profitieren laut Experten von lockeren Böden und finden dadurch mehr Nahrung. "Wir merken das direkt an den Futterplätzen. Die werden gar nicht besucht, weil die Vögel genügend Futter haben."

Und wie sieht es mit den für den Menschen eher nervigen Mücken aus? Profitieren die auch von den Temperaturen? "Bei Mücken gibt es sogenannte Populationswellen: Wenn es einen kurzen Winter gibt und einen späten Wintereinbruch am Ende des Jahres, dann bilden die Mücken mehr Generationen aus als in einer kürzeren Vegetationszeit", erklärt Heiermann. "Das potenziert sich dann schnell." Allerdings sei es noch zu früh, um Rückschlüsse auf den kommenden Sommer zu ziehen. "Es ist richtig, dass mehr Insekten den Winter überleben, aber die Frage ist, ob sie auch über das Frühjahr kommen."

Erneute Kälteeinbrüche könnten zur Gefahr werden

Nicht unbedingt der warme Januar ist also ein Problem für manche Tiere - sondern mögliche Kälteeinbrüche nach der milden Phase. Das ist auch für Pflanzen problematisch. Spätfrostereignisse könnten Pflanzen, die bereits ausgetrieben haben, schaden, sagt Heiermann.

Auch in der Landwirtschaft könne das zum Problem werden. "Wenn das Wintergetreide in der Landwirtschaft bei milden Temperaturen früher im Winter nach oben schiesst, dann sind die Getreidepflanzen sensibler für folgenden Frost als wenn sie klein sind. Und das kann dann zu Ernteausfällen führen."

Insgesamt seien Trockenheit und Dürre im Sommer ein viel grösseres Problem für die Natur als milde Winter, sagt Ehlert. "Dadurch sind viele Arten geschwächt." Daher sollte man sich über jeden Regen zurzeit freuen. "Eine gute Nachricht für Januar ist aber, dass wir bereits die notwendige Regenmenge für die erste Januarhälfte erreicht haben", betont er. "Je mehr Regen in den Wintermonaten fällt, desto gestärkter geht die Natur in den Frühling."  © dpa

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