"Es muss sich etwas ändern in diesem Land - dringend!" Speakerin und Bestsellerautorin Anja Förster, deren neues Buch "7 Superkräfte" am 1. Februar 2024 im Econ Verlag erscheint, erklärt im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news, warum uns Misserfolg und das Scheitern weiterbringen und was die Gen Z anders macht.
Sie beschreiben in Ihrem Buch "7 Superkräfte". Welche dieser Kräfte ist Ihrer Meinung nach die am meisten unterschätzte?
Anja Förster: Stille! Je mehr dauergehetzte Atemlosigkeit unser Leben bestimmt, desto wichtiger ist es, Zeiten der Stille in den Alltag zu integrieren. Genauso braucht es Arbeitsphasen, in denen wir uns tief und fokussiert auf eine Sache konzentrieren - also das, was Cal Newport "deep work" nennt. Wir sollten es nicht zulassen, dass unsere Zeit dafür durch eine Mischung aus Dauerdringlichkeit, Dauererreichbarkeit und ständiger Ablenkung "geschrumpft" wird.
Der Moment, in dem wir uns entscheiden, die Sinnhaftigkeit dieser Entwicklung zu hinterfragen und regelmässig in die Stille zu gehen, verändert alles. Vor uns liegt dann ein Ozean an Möglichkeiten. Für mich ist die tägliche Meditationspraxis die Superkraft, die ich lange Zeit unterschätzt habe. Meditation hilft mir, einen ruhigen Geist zu kultivieren, der nicht abdriftet und darüber hinaus klarer zu erkennen, was in meinen Gedanken vorgeht, und bewusster durch mein Leben zu gehen.
Wenn Menschen mir sagen, dass Meditation nichts für sie sei, dann ist meine Empfehlung: Geht raus in die Natur! Schaut den Sonnenaufgang oder -untergang an. Lauscht dem Gezwitscher der Vögel. Oder studiert die Tautropfen. In die Stille zu gehen, bedeutet nicht zwangsläufig, auf dem Meditationskissen zu sitzen. Es ist vielmehr die Selbstverpflichtung, eine bestimmte Zeitspanne pro Tag nur mit uns selbst zu verbringen.
Sie schreiben auch über eine persönliche Krise, eine Trennung. Welche der Superkräfte hat Ihnen am meisten geholfen, damit umzugehen?
Förster: Wenn eine persönliche Krise in dein Leben kommt, liegt die Lösung nicht in der Abwehr, sondern darin, anzuerkennen, dass ich mich selbst verändern muss. Das gelingt, wenn ich mir selbst Eigenmacht zugestehe, die Superkraft, die mir extrem geholfen hat. Eigenmacht heisst, Verantwortung für mich zu übernehmen und anzuerkennen, dass in allen Krisen und Umbrüchen des Lebens immer auch die Einladung zur Weiterentwicklung und zum Entdecken neuer Horizonte und Möglichkeiten steckt. Anspruchsvolle Zeiten fordern heraus und zwingen uns, neue Kompetenzen zu entwickeln. So gesehen sind Krisen sogar notwendig!
In der Berufswelt scheint die Gen Z gerade neue Massstäbe zu setzen. Was raten Sie älteren Kollegen, die sich damit schwertun?
Förster: Zunächst einmal: Nicht alle Gen Zler sind gleich - ebenso wie in den 60er-Jahren nicht jeder Hippie oder Polit-Rebell war. Was aber unbestritten ist: Viele der zwischen 1995 und 2010 Geborenen sind hoch qualifiziert und im Vergleich zu anderen Generationen überproportional wechselwillig. Zudem sind sie Digital Natives, denen digitale Technologien in die Wiege gelegt wurden. Der Schweizer Ökonom Thomas Straubhaar hat es mal so auf den Punkt gebracht: "In Kinderzimmern findet sich mehr digitale Kompetenz als in den Chefetagen der Wirtschaft."
Was das Miteinander von Alt und Jung so herausfordernd macht, ist die Priorisierung der Gen Z auf Aspekte wie Freiraum, Selbstbestimmung und eine ausgewogene Work-Life-Balance. Aspekte, die so gar nicht zu dem Credo vieler älterer Kollegen passt, dass "man sich die Sporen erstmal verdienen muss". Zudem werden von der jungen Generation klassische Hierarchien nicht als gegeben hingenommen. Warum soll die ältere Generation in der Top-Etage über eine Zukunft entscheiden, die diese gar nicht mehr selbst erleben wird? Also reichlich Reibungspotenzial.
Meine Conclusio: Wir brauchen beides: Alt und Jung, Erfahrungswissen und neue Ideen. Alle sind aufeinander angewiesen. Das Neue hat keine Chance, wenn es nicht auch tiefes Wissen und Erfahrung gibt. Und das Alte hätte keine Chance, wenn das Neue es nicht in die Zukunft führt. Wir sollten sensibel für die Konflikte sein und gleichzeitig das Miteinander betonen.
Deutschland hat den Ruf, keine Kultur des Scheiterns zu haben. Was bedeutet das für den einzelnen und die Gesellschaft?
Förster: Erfolg bestätigt, aber der Misserfolg und das Scheitern bringen uns weiter. Warum? Weil der gescheiterte Versuch eine Lektion enthält. Weil Irrtümer und gescheiterte Experimente die natürlichen Wegmarken auf der Suche nach neuen Lösungen sind. Das lässt sich in den USA anschaulich besichtigen: Es ist kein Fehler zu scheitern, aber es ist ein Fehler, es nicht wieder zu versuchen. In dieser Mentalität liegt sicherlich einer der Gründe, warum das Silicon Valley in den USA und nicht in Deutschland liegt. Hierzulande wird von vielen Sicherheit und Planbarkeit über alles geschätzt und das Risiko gescheut. Aber der Wunsch, sich in die Zukunft zu bewegen, mutig zu experimentieren - und das mit Geling-Garantie und ohne Risiko - ist ebenso paradox wie der Wunsch, in den Himmel zu kommen, ohne vorher sterben zu müssen. Meine Überzeugung: In gewissem Sinne sind fehlgeschlagene Experimente sogar Bausteine des Erfolgs und der Weiterentwicklung - individuell und kollektiv. Es muss sich etwas ändern in diesem Land - dringend!
Haben Sie konkrete Tipps, wie man den kleinen und grossen Umbrüchen mit Gelassenheit begegnet und sich dabei selbst weiterentwickelt?
Förster: Wir brauchen Umbrüche und Krisen im Leben, denn sie haben eine Entkalkungsfunktion - sie zwingen uns zum Lernen und zur Weiterentwicklung. Ein echter Gamechanger in diesem Zusammenhang ist die radikale Akzeptanz. Wer diese Superkraft in seinem Leben zulässt, öffnet die Tür zum gelasseneren Umgang mit der Situation und befördert zudem die eigene Entwicklung. Tatsächlich verhalten wir uns aber oft gegenteilig. Wenn eine Situation so überhaupt nicht unseren Wünschen entspricht, ist die Versuchung gross, in die Abwehr zu gehen. Aber der innere Widerstand gegen etwas, das ich nicht ändern kann, ist das, was enorm viel Kraft kostet und letztlich sinnlos ist.
Was ich für mich erkannt habe: Es war ein Befreiungsschlag, als ich in der Zeit des tiefen Umbruchs in meinem Leben die Erwartungshaltung abgelegt habe, wie die Situation sein sollte. Da hat mich von meinem inneren Widerstand befreit, der nur runterzieht und überhaupt nichts an der Situation ändert.
Die wichtigste Lehre: Indem ich kein Urteil fälle und die Gegenwart annehme, so wie sie ist, verlasse ich die Opferrolle. Ich kann zwar den Wind nicht bestimmen, aber ich kann die Segel richten! (hub/spot) © spot on news
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