Berlin (dpa/tmn) – Der Job läuft gut, fachlich ist alles einwandfrei. Doch wenn es darum geht, eigene Rechte gegenüber dem Chef durchzusetzen, werden selbst gestandene Profis unsicher.
Ganz egal, ob es um die Elternzeit oder die Überstunden geht: Wenn der Chef den Kopf schüttelt und "Geht nicht" sagt, wissen sich viele nicht zu helfen. Schliesslich sitzt man immer am kürzeren Hebel. Oder?
Das Problem ist: Oft ist das nicht so. Viele Arbeitnehmer kennen ihre Rechte aber gar nicht. Der erste Schritt bei Problemen sollte deshalb sein, sich ordentlich zu informieren. Die Rechte und Pflichten eines Arbeitnehmers sind im Arbeitsvertrag, gegebenenfalls im Tarifvertrag, in der Betriebsvereinbarung und in den Arbeitsgesetzen geregelt.
Eine Internetrecherche kann ein Anfang sein - ohne Rückversicherung beim Experten geht es aber oft nicht. Denn im Detail und im Einzelfall können die Rechte auf Urlaub, auf Pausen, auf ein Arbeitszeugnis oder rund um die Kündigung ganz unterschiedlich ausfallen.
Recht haben ist aber nur die eine Hälfte - Recht bekommen die andere, und oft die kompliziertere. Was tun, wenn der Chef abblockt? Hier sind sich Experten einig: Der Ton macht die Musik. "Gleich mit dem Anwalt zu kommen, verstehen Arbeitgeber als Affront. Da redet man schnell über einen Vertrauensverlust, obwohl der Arbeitnehmer nur seine Rechte verfolgt", sagt der Arbeitsrechtler Peter Meyer.
Er rät deshalb, als erstes zu versuchen, die Probleme selbst zu lösen - mit guten Argumenten, die man sich vorher zurecht gelegt hat. Bei der Vorbereitung kann eventuell die Gewerkschaft oder ein Anwalt helfen. Auch der Betriebsrat hat vielleicht Tipps, auch wenn er keine Rechtsberatung durchführen darf. "Der Arbeitsmarkt ist ein Arbeitnehmermarkt geworden. Ein schlauer Arbeitgeber kann keine unzufriedenen Arbeitnehmer gebrauchen. Das sollte man im Hinterkopf haben", sagt Meyer.
Wichtig sei dabei ein taktisches Vorgehen, sich die Situation also genau anzusehen. Bei grösseren Unternehmen gibt es häufig Strukturen, den Betriebsrat etwa oder eine gute Personalabteilung, in denen man Konflikte ansprechen und um eine Vermittlung bitten kann. Börsennotierte Unternehmen müssen dafür sogar Compliance-Strukturen schaffen. Schwieriger ist es bei ganz kleinen Betrieben, wo es eigentlich nur einen Chef gibt. Hier ist die Art und Weise, wie man Wünsche äussert und Rechte einfordert, umso wichtiger.
Reagiert so ein Alleinherrscher-Chef nicht auf Wünsche beziehungsweise begründete Forderungen des Arbeitnehmers, bleibt oft nur noch der Gang zum Anwalt oder zur Gewerkschaft. "Allein die jährlichen Meldungen über Überstunden, die von Arbeitnehmern geleistet werden, ohne sich diese bezahlen zu lassen, zeigt, wie oft die Arbeitnehmer auf Rechte verzichten", sagt Tjark Menssen vom Rechtsschutz des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).
Angestellte in kleineren Betrieben seien hier sicher eher betroffen, sagt der Rechtsexperte, "weil Arbeitnehmer bis zu einer Betriebsgrösse von zehn Arbeitnehmern keinen Kündigungsschutz geniessen und deshalb Hemmungen haben, ihre Rechte durchzusetzen." Gewerkschaftsmitglieder können sich von den Organisationen kostenlos beraten lassen. Und wer nicht in der Gewerkschaft ist, aus finanziellen Gründen aber eine Beratung beim Anwalt scheut, bekommt vielleicht über eine Rechtsschutzversicherung die Kosten erstattet.
Ein ganz andere Ansatz der Konfliktlösung hat die Mediation. Die Idee dahinter: Eine Begegnung auf Augenhöhe, ohne längeren Hebel auf der einen oder auf der anderen Seite. "Viele Streitigkeiten in Unternehmen sind gar nicht rechtsbezogen, meistens geht es dabei um die Klärung von Rollen, Strukturen und die Gestaltungsmöglichkeit der Zusammenarbeit", sagt Susanne Fest, Wirtschaftsmediatorin und Inhaberin des Kölner Institut für Konfliktmanagement. "Wir erleben gerade einen Kulturwandel in der Wirtschaft. Die Hierarchien verflachen immer mehr – das wirft neue Fragen auf."
Zunächst sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber versuchen, diese Fragen selbst zu klären - das sieht Fest so wie andere Experten. Erst wenn alle Möglichkeiten zur Klärung mit eigenen Mitteln ausgeschöpft sind, ruft man den Mediator. Sinnvoll kann das vor allem sein, wenn sich im Betrieb gerade etwas ändert: "Manchmal gibt es sehr herausfordernde Situationen im Betrieb, etwa neue Vorgaben durch das Mutterhaus oder Herausforderungen durch Umstrukturierungen", sagt Fest. Eventuell ist das Ergebnis der Mediation dann nachhaltiger als ein Gerichtsurteil - weil die Parteien es gemeinsam gefunden haben. © dpa
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