Einige sind nie pünktlich, manchen fehlt das Durchhaltevermögen. Andere Jugendliche können schwer lernen. Sie haben deshalb Probleme, eine Lehrstelle zu finden. Manchmal hat die Wirtschaft auch zu hohe Ansprüche an den Nachwuchs, sagt ein Bildungsforscher.

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Trotz einer entspannten Lage am Arbeitsmarkt finden immer noch Zehntausende Jugendliche keinen Ausbildungsplatz. Woran das liegt, erläutert der Bildungsforscher Prof. Klaus Klemm der Deutschen Presse-Agentur im Interview.

Wieso schaffen jedes Jahr rund 80.000 Jugendliche den Schritt in die Ausbildung nicht?

Klaus Klemm: Man muss differenzieren. Wir haben Regionen, in denen es nach wie vor deutlich mehr Ausbildungsbewerber als -plätze gibt. Das gilt etwa für das Ruhrgebiet. Hier kommen auf einen Lehrstellensuchenden im Schnitt 0,7 Plätze. Da ist das Angebot einfach zu knapp. In München sieht das anders aus. Da kommen auf einen Suchenden im Schnitt 1,7 Plätze.

In den Regionen mit zu wenigen Plätzen muss man schauen: Kann man die Wirtschaft mobilisieren, dass sie mehr Jugendliche ausbildet? Und wenn nicht: Kann man mehr überbetriebliche Ausbildungsplätze anbieten? Dann gibt es aber auch Jugendliche, die nach der Schule nicht genug können, um eine Ausbildung erfolgreich abzuschliessen. Hier muss man schauen: Was kann man zur Unterstützung machen?

Manche Betriebe klagen, Jugendliche seien nicht ausbildungsreif. Versagen die Schulen?

Generell können wir nicht bestätigen, dass das Kompetenzniveau bei den Ausbildungsanfängern sinkt. Bildungsstudien wie PISA zeigen eher etwas anderes. Die Gruppe der Risikoschüler - das sind Jugendliche, die ein bestimmtes Kompetenzniveau nicht erreichen - ist in den letzten 15 Jahren nicht grösser geworden, sondern kleiner.

Trotzdem beklagen manche Betriebe mangelnde Ausbildungsreife. Woran liegt das?

Die Wirtschaft hat sich sehr daran gewöhnt, sich die besten Bewerber aussuchen zu können. Die Banken sagten irgendwann: Ich will nur noch Bewerber mit Abitur. Sie können aber auch Jugendliche mit einem anderen Abschluss ausbilden, wenn sie sich etwas bemühen. In vielen Fällen ist bei den Betrieben beim Ausbilden von Schwächeren Luft nach oben.

Dann gibt es aber Jugendliche, die tatsächlich nicht ausbildungsfähig sind, weil sie zum Beispiel die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen. Die auszubilden, ist wirklich schwierig. Da ist unser Problem, dass die einfachen Berufe abnehmen.

Gibt es so etwas, wie eine abgehängte Gruppe am Arbeitsmarkt?

Ja, wir haben Leute, die im Ausbildungssystem nicht erfolgreich sind. Sie schliessen weder eine Ausbildung noch ein Studium ab. Manche sind tatsächlich lernschwach, anderen fehlt es an Eigenschaften wie Durchhaltevermögen, Verlässlichkeit und Pünktlichkeit. Diese Gruppe ist in hohem Mass gefährdet, sozial abgehängt zu werden. Sie hat ein grosses Risiko, arbeitslos zu werden. Und wenn sie Arbeit hat, wird sie deutlich schlechter bezahlt. In der Gruppe der 20- bis 30-Jährigen gibt es etwa 1,2 Millionen Ungelernte. Viele von ihnen gehören zu dieser abgehängten Gruppe.

Zur Person: Prof. Klaus Klemm hat von 1977 bis zu seiner Emeritierung 2007 an der Universität Duisburg-Essen im heutigen Fachbereich Bildungswissenschaften gelehrt. Der Bildungsforscher war bis Ende 2006 Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der PISA-Studien. Ausserdem war er an der Erstellung mehrerer Bildungsberichte beteiligt – zuletzt 2016.

  © dpa

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