"Sie hat ihre Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erfüllt" - was gut klingt, entspricht in der Praxis nur der Schulnote 3. Eine Empfangsdame gab sich mit ihrem Arbeitszeugnis nicht zufrieden und klagte durch drei Instanzen. Den Richtern des Bundesarbeitsgericht konnte die Angestellte jedoch nicht nachweisen, eine bessere Beurteilung zu verdienen . Wissen Sie, was die Arbeitszeugnis-Floskeln im Klartext bedeuten?
Arbeitszeugnisse sind häufig Anlass für Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und ihren Mitarbeitern, die regelmässig auch Gerichte beschäftigen. Der Grund ist die knifflige Regelung im Gesetz: Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, den Angestellten eine Leistungsbewertung auszustellen. Das "qualifizierte Zeugnis" muss ein Gesamturteil wiedergeben, das der Wahrheit entspricht und gleichzeitig wohlwollend formuliert ist. Firmen dürfen Beschäftigten kein Bein für zukünftige Bewerbungen stellen. Deswegen haben sich Formulierungen etabliert, die auch negative Aspekte vordergründig positiv klingen lassen. Diese Floskeln werden von den Personalern verstanden – vielen Angestellten bleibt jedoch verborgen, was das Zeugnis über sie aussagt.
Die üblichen Formulierungen in der Leistungsbeurteilung
"Frau Amund hat die ihr übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt."
Auch wenn dieser Satz in der Alltagssprache etwas übertrieben und ausserdem nach schlechtem Deutsch klingt – wenn Sie der Ansicht sind, dass sie herausragende Leistungen erbracht haben, sollten Sie auf eine solche Formulierung bestehen.
"Voll" kann eigentlich nicht gesteigert werden, aber diese Floskel hat sich als beste Bewertung durchgesetzt. Wichtig ist dabei, dass die Bewertung eine zeitliche Aussage ("stets", "immer") und eine sehr gute qualitative Bewertung ("vollste", "ausserordentlich", "in allerbester Weise") enthalten ist. Eine solche Bewertung entspricht der Schulnote 1 und ist angemessen, wenn ein Mitarbeiter konstant sehr gute Leistungen erbracht hat.
"Herr Berthold hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt."
In der Alltagssprache klingt dieser Satz sehr gut, im Arbeitszeugnis entspricht er aber nur der Schulnote 2. Auch eine gute Bewertung muss eine Aussage über die Dauerhaftigkeit der guten Leistung ("stets") beinhalten. Damit sagt der Verfasser aus, dass ein Mitarbeiter während der gesamten Beschäftigungszeit gute Leistungen erbracht hat.
"Herr Bose hat die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt."
Das bedeutet: Es kam hin und wieder vor, dass der Arbeitgeber mit den Leistungen von Herrn Bose voll zufrieden war. Wenn die Dauerhaftigkeit nicht mit Wörtern wie "immer" oder "stets" angezeigt wird, vergibt der Arbeitgeber nur die Schulnote 3. Das gleiche gilt, wenn die Qualität der Leistung nicht mit positiven Adjektiven ausgeschmückt wird: "Er hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer Zufriedenheit erledigt", ist darum ebenfalls nur eine 3. Unterm Strich sagt die Beurteilung aus, dass der Mitarbeiter eine nicht zu beanstandende aber auch keine besonders gute Leistung erbracht hat.
"Frau Thiele hat die ihr übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit erledigt."
Auch in dieser Beurteilung fehlt eine Aussage über die Dauerhaftigkeit. Die Qualität der Arbeit wird zudem nicht mit positiven Adjektiven gewürdigt. Was im Alltagsdeutsch ganz in Ordnung klingt, entspricht im Arbeitszeugnis nur der Schulnote 4. Im Klartext heisst das, der Mitarbeiter hat gleichbleibend ein mässiges Leistungsniveau gezeigt ohne besondere Ausreisser nach oben oder unten.
"Frau Götze hat die ihr übertragenen Aufgaben im Grossen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit erledigt."
Hier wurde das Zeitelement nicht einfach ausgelassen, durch die Formulierung "im Grossen und Ganzen" ist das Urteil ausdrücklich eingeschränkt. Eine ähnlich abwertende Bedeutung hat das Wörtchen "insgesamt". Dazu kommt, dass der Autor die "Zufriedenheit" nicht mit positiven Adjektiven aufwertet. Der Arbeitgeber bescheinigt Frau Götze in diesem Beispiel die Schulnote 5. Wenn das Wort "Zufriedenheit" fehlt, ist die Darstellung noch negativer: "Sie hat unsere Erwartungen grösstenteils erfüllt."
Besonders schwierig wird die Entschlüsselung, wenn der Zeugnisaussteller positiv klingende Worte in anderem Zusammenhang einfügt: "Sie führte die ihr übertragenen Aufgaben mit grossem Fleiss zu unserer Zufriedenheit durch", ist genauso schlecht, wie bei dem Beispiel oben. Eine solche Bewertung ist nur dann angebracht, wenn die Leistung nachweisbar deutliche Mängel aufwies.
"Herr Knorr bemühte sich, die ihm übertragenen Aufgaben zufriedenstellend zu erledigen."
Dieser Satz bedeutet: "Herr Knorr wurde seinen Aufgaben nicht gerecht" und entspricht der Schulnote 6. Ähnlich irreführend sind Aussagen wie "Er bemühte sich mit Fleiss und Interesse um sinnvolle Lösungen" oder "Neue Aufgaben betrachtete er als Herausforderung, die er gerne annahm." Wenn nur Aussagen über die Art und Weise, wie der Arbeitnehmer seine Aufgaben anging, getroffen werden, aber jegliche Äusserung über das Ergebnis der Arbeit unterbleibt, ist das die schlechteste Bewertung, die ein Arbeitgeber vornehmen kann.
Was sagen die Floskeln zur Bewertung des Verhaltens aus?
Bei der Formulierung im Arbeitszeugnis kommt es auf Feinheiten an. Wenn der Verfasser die Ehrlichkeit einer Kassiererin zum Beispiel nicht erwähnt, kann ein Personaler das als Warnung verstehen. Die beschriebene Person könnte sich aus der Kasse bedienen.
Vorsicht ist auch bei zweideutigen Formulierungen geboten: Steht im Zeugnis, dass sich jemand gut mit den Kollegen verstanden hat, kann das auch bedeuten, dass der Mitarbeiter geschwätzig war oder sich im Betriebsrat engagiert hat. Solche Aussagen werden aber relativiert, wenn ausserdem hervorgehoben wird, dass das Verhalten des Mitarbeiters stets einwandfrei war. Angestellte, die sich nur "stets einwandfrei gegenüber Kollegen" verhalten haben, sollten sich über diese Einschätzung allerdings nicht freuen. Denn was ist mit dem Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Geschäftskunden?
Hier sind einige Phrasen, die kein gutes Licht auf Mitarbeiter werfen:
"Durch seine Geselligkeit trug er zur Verbesserung des Betriebsklimas bei." Gemeint ist: "Er neigt zu übertriebenem Alkoholgenuss."
"Herr Y trat engagiert für die Interessen seiner Kollegen ein." Gemeint ist: "Herr Y ist Betriebsratsmitglied."
"Herr Y galt im Kollegenkreis als toleranter Mitarbeiter." Gemeint ist: "Für seine Vorgesetzten war er ein harter Brocken."
"Für die Belange der Mitarbeiter bewies er immer Einfühlungsvermögen." Gemeint ist: "Sucht ständig Kontakte sexueller Art mit anderen Beschäftigten."
Wenn sich die Leistungsbewertung in Ihrem Arbeitszeugnis auch nach diesen Kriterien gut liest, sollten Sie auf eine weitere Kleinigkeit achten: Es gehört zur üblichen Form, dem Mitarbeiter in der Schlussfloskel für seine Leistungen zu danken. Fehlt der Dank, können Personaler das ebenfalls als ein versteckter Hinweis auf mangelhafte bis ungenügende Leistungen lesen, auch wenn der Autor im Zeugnistext eine bessere Leistung attestiert.
(ada mit Material der dpa)
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