Chefs sind auch nur Menschen. Und machen Fehler. Nur: Ihr Handeln wirkt sich entscheidend auf die Motivation der Mitarbeiter und damit den Erfolg der ganzen Firma aus. Hier die zehn häufigsten Fehler von Führungskräften und ihre weitreichenden Folgen – die manchmal länger bleiben als der Chef selbst.

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"Die brauchen nicht zu denken, dass ich hier auch nur noch einen Strich mehr mache als nötig": Diese Einstellung ist in der Arbeitswelt nicht die grosse Ausnahme. Im Gegenteil: Laut dem Gallup Engagement Index von 2019 hat die grosse Mehrheit der Beschäftigten in Deutschland (69 Prozent) eine geringe emotionale Bindung zum eigenen Unternehmen. Rund jeder Sechste (16 Prozent) hat innerlich bereits gekündigt. Das führt laut den Autoren der Studie zu einem volkswirtschaftlichen Schaden von 105 bis 122 Milliarden Euro pro Jahr.

"Die Ursachen für so viel Frust sind natürlich vielfältig. In einem Grossteil dieser Fälle ist die ‚innere Kündigung‘ aber primär eine Reaktion auf das Verhalten von Führungskräften", vermutet der Münchner Berater Max Meisinger. Was es noch komplizierter macht: "Selbst wenn die Führungskraft wechselt, legt der Mitarbeiter diese Haltung meist nicht ab, sondern überträgt sie auf die gesamte Organisation", erklärt Meisinger, der dieses Phänomen aus seiner Arbeit als Konfliktmanager und Coach für Führungskräfte nur zu gut kennt.

Was zeigt, wie langfristig sich Fehler und Versäumnisse in Führungsetagen auswirken. "Und leider gibt es eine Vielzahl von Fehlern, die man als Führungskraft machen kann", sagt er. Im Gespräch mit unserer Redaktion nennt er die typischsten.

1. Wenn Chefs nicht zuhören

Ein häufiger Fall: Jemand steigt aufgrund seiner fachlichen Leistungen auf, bringt aber nur wenig Leidenschaft für Führung mit: "Da fangen die Fehler schon an: wenn sich der Chef oder die Chefin nicht wirklich für die Mitarbeiter interessiert und hauptsächlich mit der eigenen Agenda beschäftigt ist", sagt Meisinger.

Wer Führung wirklich annehme, stelle sich Fragen wie: Was erwarten meine Mitarbeiter? Wie geht es ihnen? Was hemmt sie? Wo brauchen sie mich und wo nicht? Entscheidendes erfahre nur, wer fragt und vor allem: bereit ist, genau zuzuhören. Dabei sei eine Schlüsselfrage:

  • "Wie empfinden Sie in Ihrer täglichen Arbeit das Verhältnis von erfüllenden Herzblutaufgaben zu lästigen Pflichtaufgaben?"

"Offenbart sich im Gespräch ein Verhältnis von 50:50 oder schlechter, besteht Handlungsbedarf. Herzblutaufgaben sollten überwiegen. Dann gehen Mitarbeiter mit Freude und Leistungsbereitschaft zur Arbeit, was letztlich auch zu besseren Ergebnissen führt. Das zu ermöglichen, ist eine Kernaufgabe von Führung", bringt es Meisinger auf den Punkt.

Er hält es aber nicht für die Aufgabe des Chefs, alleine auf Lösungssuche zu gehen: "Es gilt, gemeinsam gestalterisch tätig zu werden: Was können wir ändern?" Lösungen lägen oft viel näher als gedacht: "Vielleicht wurde einfach jahrelang nicht mehr über die Aufgabenverteilung gesprochen. Oder ganz häufig: Jemand hat sich vor langer Zeit bereit erklärt, eine Aufgabe ein- oder zweimal zu übernehmen – und ist sie nie wieder losgeworden. Dieses ‚Kleiner Finger, ganze Hand‘-Prinzip ist ein absolutes Führungs-No-Go."

2. Nicht wissen, was Mitarbeiter motiviert

Wer nicht wirklich zuhöre und regelmässig das Gespräch suche, werde auch keine Vorstellung davon bekommen, was die Mitarbeiter motiviert. Genau darauf komme es aber an: "Es überrascht mich immer wieder, wie wenig manche Führungskräfte darüber wissen, was ihre Mitarbeiter antreibt oder ausbremst. Oftmals höre ich dann ‚Das einzige, was meine Mitarbeiter motiviert, ist mehr Geld.‘ Sicherlich ist ein gutes Gehalt für viele wichtig, doch wer hier im besten Sinne neugierig bleibt, bekommt bald Begriffe wie ‚Wertschätzung‘, ‚Gerechtigkeit‘ oder ‚Verantwortung‘ zu hören."

Was nach Meisingers Erfahrung entscheidende Faktoren sind, die Demotivation vermeiden, von Führungskräften aber unterschätzt werden: eine gute Ausstattung am Arbeitsplatz - weniges nervt so wie ein ungeeignetes Büro oder minderwertige Hard- und Software – und ein Chef, der einem vertraut.

3. Zu wenig Vertrauen in Mitarbeiter

Jedoch ist ein Satz, den der Coach immer wieder von Führungskräften hört: "Meine Mitarbeiter können oder wollen nicht. Wenn sie ein bisschen beweglicher wären, dann..." Das sei eine "äusserst ungünstige Ausgangslage. Der Kit, der Menschen zusammenhält, ist Vertrauen. Das gilt nicht nur im privaten, sondern auch im professionellen Umfeld." Er rät daher dazu, Mitarbeitern mit einem beträchtlichen Vertrauensvorschuss zu begegnen und immer wieder über gegenseitige Erwartungen zu sprechen.

4. "Ich erledige das lieber selbst"

Mitarbeitern wichtige Aufgaben zu überlassen, fällt vielen Führungskräften aber schwer. "In Ratgebern kann man lesen, Delegieren spare Zeit - doch das Gegenteil ist erst einmal der Fall", benennt Meisinger das Problem. Heranzuführen, zu coachen – das bedeute zunächst mehr Aufwand. Das und manchmal auch der Hang zu Perfektionismus führten oft zu einem fatalen "Dann mache ich es lieber schnell selbst"-Reflex. Die Folge: Das Team ist frustriert und verliert Motivation.

5. Eigene Gefühle unterdrücken

So wenig wie den Kontroll-Freak wünscht man sich jedoch tobende Choleriker als Vorgesetzte: "Es gibt leider auch erschreckende Fälle von Machtmissbrauch und Entwürdigung", sagt Meisinger. Doch eine Führungskraft, der auch mal der Kragen platzt, findet er nicht grundsätzlich verkehrt.

"Tatsächlich halte ich es für einen Fehler, nicht über Emotionen zu sprechen oder diese zu unterdrücken – das ist ein falsches Verständnis von Professionalität. Doch glücklicherweise wächst seit einigen Jahren in Führungskreisen die Bedeutung der sogenannten ‚emotionalen Intelligenz‘." Eines der wichtigsten Anliegen von Angestellten nämlich: "Ich möchte nicht nur als Funktionsträger wahrgenommen werden, sondern als Mensch“. Das bedeute aber: Auch der Chef oder die Chefin darf Mensch sein und Gefühle zeigen.

6. Nicht auf Augenhöhe kommunizieren

"Ich will doch die Leute mitnehmen. Ich will auf Augenhöhe mit ihnen sein!": Das wiederum äussern viele Führungskräfte als Anliegen. Zugleich müssen sie aber klare Ansagen machen und Entscheidungen treffen können. Beides unter einen Hut zu bringen, ist nicht gerade jedem in die Wiege gelegt. Ein Rat aus der Kommunikationspsychologie:

  • Der sogenannte Reversibilitätstest: "Wäre meine Art der Kommunikation als Führungskraft auch umgekehrt denkbar – könnte der Mitarbeiter so mit mir sprechen? Wird der Unterschied zu gross, ist zumeist destruktive Macht im Spiel." Insbesondere bei Feedback-Gesprächen sei das eine gute Orientierungshilfe.

7. Konflikte aussitzen

Einen der häufigsten Fehler von Führungskräften sieht der Berater darin, Konflikte gar nicht oder nicht rechtzeitig anzusprechen: "Zu warten, bis sich jemand beschwert, ist grob fahrlässig. Als Chef oder Chefin muss ich Konflikte – und die gibt es in jedem Team, ob fünf- oder hundertköpfig – ansprechen, spätestens wenn ich spüre: Das ist kein schlafender Hund mehr, das ist der Elefant im Raum."

Konflikte liessen sich so enttabuisieren und womöglich frühzeitig lösen. Man müsse sie allerdings unterscheiden von blossen Meinungsverschiedenheiten: "Im Meeting dürfen ruhig auch die Fetzen fliegen, danach sollte aber alles wieder gut sein. Wenn nicht, führe ich als Führungskraft am besten klärende Gespräche, indem ich meine Eindrücke teile und versuche, die Perspektiven der anderen kennen zu lernen. Gut gemeinte Appelle sind dabei genauso wirkungslos wie die Hoffnung, dass Konflikte sich von alleine lösen."

8. Scheindebatten

Mit das Schlimmste, was Chefinnen und Chefs aus Sicht des Coaches ihren Mitarbeitern antun können: eine Diskussion führen, wo längst eine Entscheidung getroffen ist. "Das sind gleich mehrere Fehler in einem: Mangel an Transparenz, Fairness und Vertrauen sowie völliges ausser Acht lassen, was das für die Motivation bedeutet." Es sei fraglich, ob es in künftigen Diskussionen überhaupt noch zu Wortmeldungen komme.

Führungskräfte müssten freilich auch Entscheidungen im Alleingang treffen. Dann sollten sie dies aber auch kundtun – beispielsweise so:

  • "Ich habe darüber nachgedacht, das gemeinsam zu diskutieren – mich dieses Mal aber dagegen entschieden. Und zwar aus folgenden Gründen."

Sollten sich diese Gründe nicht benennen lassen, "könnte das ein Anhaltspunkt dafür sein, die eigene Entscheidung noch mal zu hinterfragen", meint Meisinger.

9. Der "Sandwich-Fehler"

In keiner einfachen Position befinden sich Führungskräfte, die weitere Chefetagen über sich haben: "Oftmals widersprechen sich die Erwartungen von Management und Mitarbeitern. Ein typischer Fehler in dieser Sandwich-Position ist, sich zu schnell und zu eindeutig zu positionieren, egal auf welcher Seite. Möchte der Chef-Chef etwa Veränderungen einführen, hilft es dem Team nicht, wenn ich meine eigene Ohnmacht kommuniziere: ,Er ist schliesslich unser Brötchengeber, also machen wir es so.‘" Die Bedenken der Mitarbeiter kleinzureden, sei ebenso ein Fehler wie die Verbrüderung mit ihnen.

  • Besser: "Welche Schwierigkeiten könnten auftreten? Welche Erfahrungen haben wir mit solchen Veränderungen in der Vergangenheit schon gemacht? Was wäre ein guter nächster Schritt? Was könnte uns helfen?" Das Team brauche an dieser Stelle jemanden, der in den Austausch geht, zuhören kann und zu gestalten beginnt.

10. Mitarbeiter für eigenen Aufstieg missbrauchen

Ein häufiger Frustauslöser gerade in grösseren Unternehmen mit "Sandwich-Chefs": Die Führungskraft profitiert von der Leistung der Mitarbeiter und verkauft sie als die eigene. "Eine grössere Kränkung kann ich meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kaum antun. Die ,innere Kündigung‘ ist bei solchem Führungsverhalten quasi programmiert."

Fazit: Chef-Sein ist ein Knochenjob

All das zeigt, was eine gute Führungskraft alles drauf haben muss. "Chefsein kann ein Knochenjob sein", bestätigt Meisinger. Fragt er in seinen Seminaren, was Mitarbeiter vom Chef erwarten, sind schnell vier Flipcharts voll. "Jemand, der all diese Erwartungen erfüllt, wäre eine Mischung aus Mutter Teresa und Superman."

Sich das bewusst zu machen, helfe beiden Seiten: "Führungskräfte sind Menschen und damit sind Fehler unumgänglich." Um aus diesen lernen zu können, sei es wichtig, dass Mitarbeiter Enttäuschungen und Schwierigkeiten ansprechen: "In Form von klarem Feedback, frei von Vorwürfen und möglichst in Ich-Botschaften formuliert. In einer Teamkultur, die von Vertrauen und Zuversicht geprägt ist, gibt es immer eine Chance auf Besserung."

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Max Meisinger (41) aus München, seit zehn Jahren selbständiger Berater, Coach und Trainer in Deutschland, Österreich und der Schweiz
  • Gallup Engagement Index (1.000 befragte Mitarbeiter zwischen 15. Februar und 15. März 2019)
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