- Fast jeder Zweite lehnt Lästern über Kollegen ab - und doch gehört es in fast jedem Büro zum Alltag.
- Warum wir es tun, wo die Grenzen liegen und wie wir richtig reagieren, erklärt ein Experte.
Was ist Lästern eigentlich? "Sich über jemanden (der abwesend ist), über etwas abfällig, mit kritischen oder ein wenig boshaften Kommentaren äussern". Was der Duden hier mit einem Satz zusammenfasst, ist im Alltag allgegenwärtig: Unter Freunden, im Sportverein, in TV-Shows und natürlich auch am Arbeitsplatz.
"Es gibt wohl kein Büro, in dem nicht gelästert wird", meint Bernd Wittschier, Coach für Persönlichkeitsentwicklung und Konfliktmanagement. Psychologen der University of California in Riverside fanden laut der "Süddeutschen Zeitung" 2019 heraus, dass sich 14 Prozent der Gespräche im Büro um nicht anwesende Personen drehte. Wittschier schätzt, dass diese Zahl noch weitaus höher ist.
Über Kollegen lästern - warum?
"Mit jemandem Vertrauten zu reden und sich kritisch über eine andere Person zu äussern, ist auch nicht gleich Lästern", sagt Wittschier. Kritik sei nicht verwerflich, sondern notwendig. Wittschier sind auch Fälle begegnet, wo jemand sich nicht traute, mit seinen Ideen und seiner Kritik zum Chef zu gehen und sich stattdessen immer wieder an die Kollegen wandte. "All das kann meiner Erfahrung nach aber schnell in Lästern umschlagen." Das sei der Fall, wenn das Gespräch abschätzige bis bösartige Züge annehme.
Fürs Lästern haben Menschen laut Wittschier ihre Motive:
- Man macht seinem Ärger Luft
- Es schafft Verbundenheit
- Beim Lästern hat man ein gemeinsames Thema
- Wer gemeinsam mit anderen lästert, fühlt sich nicht allein
Das Hauptmotiv ist aus Wittschiers Sicht aber ein anderes, über das sich die Wenigsten bewusst seien:
- "Jemand anderen schlecht zu machen, ist gar nicht unbedingt der Hauptgrund fürs Lästern. Es geht vielmehr darum: Ich steigere mein eigenes Selbstwertgefühl, indem ich einen anderen klein mache."
Dabei rät er zur Vorsicht: "Wenn man kein gutes Haar an einer Person lässt, sind die Grenzen zum Mobbing sehr fliessend." Abzulehnen sei etwa, wenn ein Kollege auf mehrere Personen zugehe, um sich immer wieder abfällig über einen Kollegen zu äussern: "Das wirft auch kein gutes Licht auf ihn selbst." Wo Mobbing anfange, höre jeglicher Spass auf. "Das ist eine Grenze, die man bei Gesprächen über andere nicht überschreiten darf", warnt der Coach und Autor.
Hier können sogar arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen. "Mitarbeiter sind rechtlich dazu verpflichtet, respektvoll miteinander umzugehen", erläutert Christian Günther von der Rechtsberatungsplattform anwalt.de, "schon Lästern und das Streuen von Gerüchten kann deshalb Folgen für das Arbeitsverhältnis haben. Stört ein Mitarbeiter durch unkollegiales Verhalten den Betriebsfrieden, muss er mit einer Abmahnung oder sogar mit seiner Kündigung rechnen."
Fast jeder Zweite lehnt Lästern über Kollegen ab
Eine Grenze ziehen aber offenbar viele Arbeitnehmer intuitiv. Fast jeder zweite Deutsche lehnt das Lästern über Kollegen kategorisch ab. Das ergab im vergangenen Jahr eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Lästern über andere ist auf Platz zwei der Themen, die im Arbeitsumfeld tabu sind - genau genommen für 49 Prozent der Arbeitnehmer. Nur "Sex und Erotik generell" schliessen mit 63 Prozent noch mehr Menschen als Thema am Arbeitsplatz aus.
Die Zahlen entsprechen Wittschiers Erfahrung: Er schätzt, dass etwa die Hälfte der Arbeitnehmer sich nicht nur aus Lästereien raushalten möchten, sondern ihnen sogar Einhalt gebieten. Und das sei sehr gut so: "Wir dürfen nie vergessen: Was wir sagen, hat einen grossen Einfluss darauf, wie ein Mensch gesehen wird."
Es wird gelästert - wie verhalte ich mich richtig?
Wie aber reagiert man geschickt, wenn das Lästern unangenehme Ausmasse annimmt? Wittschier nennt einige Lösungsansätze für entsprechende Situationen.
Wenn über eine andere Person gelästert wird:
- "Lass uns nicht über eine Person reden, die nicht da ist."
- "Hast du ihm/ihr das schon selber gesagt?"
- Vor allem eine Führungskraft muss sofort einschreiten und darf sich nicht an Klatsch beteiligen: "Würden Sie ihm/ihr das auch direkt sagen?" Eine Person, über die sich ein Mitarbeiter abfällig äussert, muss zum Gespräch dazu gebeten werden.
Wenn man Gerüchte über eine andere Person hört:
- Die Person miteinbeziehen, indem man auf sie zugehe: "Vielleicht interessiert es dich, was da über dich gesagt wird. Bist du bereit, darüber zu sprechen?"
Wenn man erfährt, dass Gerüchte über einen selbst im Umlauf sind:
- Tipp des Experten: "Verkriechen Sie sich nicht, sondern gehen Sie dazwischen. Stellen Sie sich dem Thema und klären Sie es. Sonst dreht sich die Fantasie der anderen immer weiter."
Wenn ich höre, wie über mich gelästert wird:
- Souveränität zeigen: "Sprich ruhig weiter und sag mir, was du gerne sagen würdest." Womöglich würde das Gespräch dann verstummen, aber die Chance, es zu einem offenen Gespräch kommen zu lassen, sollte man nie verstreichen lassen.
"Immer ansprechen und klären!"
"Lästern und Flurfunk können harmlose erste Schritte sein, durch die massive Konflikte entstehen können. Irgendwann haben sich diese so verfestigt, dass man gar nicht mehr weiss, was die Ursache war", weiss Wittschier aus seiner jahrelangen Coaching-Erfahrung. Das sei für das Betriebsklima fatal.
"Im Coaching beobachte ich: Oft kommt es dort zum Ausbruch, wo schon eine lange Vorgeschichte schwelte." Aufkeimende Konflikte unter den Teppich zu kehren, hält er für falsch und rät: "Immer ansprechen und klären!" Im Moment erscheine das zwar anstrengend, zahle sich aber langfristig aus. Selbst noch so verfahrene Situationen könnten sich auf diese Weise kitten lassen.
- Dr. Bernd M. Wittschier ist Buchautor, Persönlichkeitscoach und Geschäftsführer von "423 BT Beratung und Training für die Wirtschaft" in Erftstadt
- Christian Günther ist Jurist und Autor bei der Rechtsberatungsplattform anwalt.de (Mobbing: weitere Tipps hier)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.