Stuttgart - Laut Betriebsrat will VW in Deutschland mindestens drei seiner bisher zehn Werke der Kernmarke schliessen. An den übrigen Standorten solle die Kapazität sinken. Geplant seien auch betriebsbedingte Kündigungen, die bei VW seit 1992 ausgeschlossen waren.
Bis es aber tatsächlich so weit kommen wird, dürfte es ein langer Weg sein, so die Einschätzung von Prof. Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied im Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VDAA). Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle.
Politische Interessen am Erhalt der Arbeitsplätze
Die Entscheidung, Werke zu schliessen, Teile der Produktion einzustellen und damit Beschäftigte zu entlassen, sei in einer Marktwirtschaft zwar zunächst alleinige Entscheidung des Unternehmens, so Fuhlrott. Solche Entscheidungen seien durch Arbeitsgerichte nur beschränkt überprüfbar und können auch durch die Politik nicht unterbunden werden.
Dennoch gibt der Fachanwalt zu bedenken, dass im Falle von Volkswagen davon auszugehen ist, dass sich die Politik für den Erhalt der Arbeitsplätze einsetzt.
Was der Betriebsrat zu sagen hat
Selbst wenn die Bemühungen der Politik scheitern sollten, wäre VW nach Einschätzung von Arbeitsrechtler Fuhlrott dennoch nicht frei, sofort nach Ablauf der Beschäftigungssicherung (ab Juli 2025) Kündigungen auszusprechen.
Denn der Betriebsrat hat bei "derartig einschneidenden Umstrukturierungen" erhebliche Mitbestimmungsrechte. Die Arbeitnehmervertretung könne umfassende Informationen verlangen und prüfen - auch zur wirtschaftlichen Situation. Anschliessend müsse der Arbeitgeber versuchen, mit dem Betriebsrat eine Einigung über die Details der Abbaumassnahmen zu erzielen und einen sogenannten Interessenausgleich abzuschliessen.
Im nächsten Schritt wird Fuhlrott zufolge ein Sozialplan verhandelt, in dem für die vom Jobverlust betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Abfindungen und sonstige Fördermassnahmen vereinbart werden. Kommt es zu keiner gemeinsamen Vereinbarung, können beide Seiten die Einigungsstelle anrufen. Die könne eine Lösung auch gegen den Willen einer der beiden Parteien durchsetzen.
Abfindungen, Altersteilzeit, Aufhebungsverträge
Zuvor dürften die Betriebsparteien dem Arbeitsrechtsexperten zufolge "intensiv verhandeln und prüfen, ob andere Massnahmen wie die punktuelle Einführung von Kurzarbeit, Gehaltsverzichte oder das Streichen von Prämienzahlungen eine Kündigungswelle verhindern können". Der Fachanwalt nennt als Optionen zudem Freiwilligenprogramme, bei denen Mitarbeiter der Abschluss eines Aufhebungsvertrags angeboten wird, um eine Kündigung zu vermeiden. Auch Regelungen zur Altersteilzeit kommen in derartigen Fällen regelmässig ins Spiel. © Deutsche Presse-Agentur
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.