Das waren noch Zeiten, als die Mehrheit der Deutschen am Sonntag frei hatte. Immer mehr Beschäftigte müssen nämlich auch am Wochenende auf die Arbeit. Doch was ist dabei erlaubt – und was nicht? Wir klären die wichtigsten Fragen.

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Was sagt das Gesetz zur Sonntagsarbeit?

Im Grundgesetz im Artikel 140 heisst es: "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt." Es gilt also prinzipiell: Kann die Arbeit an einem Werktag ebenso gut erledigt werden, darf sie nicht am Sonn- oder Feiertag stattfinden. Natürlich gibt es hiervon Ausnahmen: "Unter anderem, damit auch an Sonn- und Feiertagen der Betrieb von Kliniken, Pflegeheimen, Polizei, Gerichten, kulturellen oder journalistischen Einrichtungen wie Theatern, Kinos, Rundfunkstationen, Restaurants oder Zeitungen sowie der Betrieb im Transport- oder im Energie- und Versorgungssektor sicher gestellt ist", erklärt Eva Völpel von der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeber (BDA).

Doch für Sonntagsarbeit gelten strenge Regeln: "Mindestens 15 Sonntage im Jahr müssen beschäftigungsfrei sein", informiert die IG Metall. "Wer sonntags arbeitet, hat ausserdem Anspruch auf einen Ersatzruhetag. Dieser muss innerhalb eines – den Beschäftigungstag einschliessenden – Zeitraums von zwei Wochen gewährt werden." Aber auch hiervon kann es Ausnahmen geben. Und ob es einen Sonntagszuschlag gibt, ist im Arbeits- oder Tarifvertrag geregelt.

Eine Besonderheit gilt übrigens im Schichtbetrieb: Hier kann aus Produktionsgründen die Sonn- und Feiertagsruhe um sechs Stunden vor- oder zurückverlegt werden. Schichtarbeiter können also bereits Sonntag um 18.00 Uhr die Arbeit wieder aufnehmen. Jugendliche unter 18 Jahren müssen Sonntags überhaupt nicht arbeiten.

Wie viele Deutsche müssen am Wochenende arbeiten?

Die Bundesregierung veröffentliche Zahlen, denen zufolge 2012 rund elf Millionen Deutsche gelegentlich oder regelmässig Sonntags arbeiten mussten – also etwa jeder vierte Erwerbstätige. Allerdings weist die Bundesregierung darauf hin, dass hier auch Selbstständige und Freiberufler mit eingerechnet sind. Und die sind "erfahrungsgemäss häufiger als abhängig Beschäftigte an Sonn- und Feiertagen tätig", so die Bundesregierung.

Der Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hat im DGB-Index "Gute Arbeit 2014" hingegen knapp 6.000 fest beschäftigte Arbeitnehmer befragt und kommt zu folgendem Ergebnis: 13 Prozent der Beschäftigten arbeiten "sehr häufig" an den Wochenenden, 14 Prozent "oft", und 33 Prozent "selten". Das sind zusammengenommen 60 Prozent, also mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer. Nur 40 Prozent der Befragten gaben an, "nie" am Wochenende arbeiten zu müssen.

In welchen Branchen ist Sonntagsarbeit üblich?

2012 hat der DGB zu seinem Gute-Arbeit-Index eine Sonderveröffentlichung zum Thema Sonntagsarbeit herausgebracht. Demzufolge müssen Beschäftigte im Gastgewerbe am häufigsten Sonntags arbeiten: Fast 80 Prozent müssen nach eigenen Angaben häufig oder zumindest oft am Wochenende ran. "Danach rangieren mit 54 Prozent der Handel, mit 50 Prozent der Sektor Gesundheit und Soziales und mit 40 Prozent der Bereich Erziehung und Unterricht", fasst der DGB zusammen.

Nimmt Sonntagsarbeit zu?

Ja. "Zahlen des Statistischen Bundesamts besagen, dass der Anteil von Erwerbstätigen, die Sonntags regelmässig arbeiten, zwischen 1992 und 2014 von zehn auf 14 Prozent gestiegen ist, wozu wesentlich auch die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten beigetragen haben dürfte", informiert Eva Völpel vom BDA.

Auch versuchen immer mehr Arbeitgeber, die gesetzlichen Regelungen zur Sonntagsarbeit zu umgehen. Betreiber von Callcentern beispielsweise, sei es im telefonischen Kundenservice oder im Reisegewerbe, möchten ihre Mitarbeiter zunehmend auch am Wochenende einspannen. Sie verweisen dabei auf Bedarfsgewerbeordnungen der Bundesländer, die unter anderem besagen, dass Sonntagsarbeit erlaubt ist, wenn dadurch Bedürfnisse der Bevölkerung befriedigt werden. Auch der Online-Händler Amazon macht diesbezüglich immer wieder Vorstösse, die Gewerkschaften und Gerichte versuchen dies jedoch zu verhindern: Erst 2014 hat Hessen der Wochenendarbeit in Callcentern gerichtlich einen Riegel vorgeschoben.

Wie wirkt sich Sonntagsarbeit wirtschaftlich aus?

"Im Einzelhandel behaupten die Arbeitgeber gerne, Sonntagsarbeit steigere die Umsätze", sagt Eva Völpel von der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeber. "Fakt ist jedoch, dass Sonntagsarbeit oder auch längere Ladenöffnungszeiten den Gesamtumsatz nicht steigern, denn Geld, das da ist, wird nur einmal ausgegeben."

Längere Öffnungszeiten würden vielmehr den weiteren Verdrängungswettbewerb fördern und damit Konzentrationsprozess im Handel. Sie gehen damit zulasten der Beschäftigten und Verbraucher, findet der BDA. "Denn viele kleine und mittelständische Unternehmen können sich längere Öffnungszeiten beziehungsweise Sonn- und Feiertagsöffnungen nicht leisten, weil sie sich wirtschaftlich nicht rechnen. Damit geraten diese Händler weiter ins Hintertreffen."

Was spricht gegen Arbeit am Sonntag?

Die Sonderveröffentlichung des DGB zum Thema Sonntagsarbeit aus dem Jahr 2012 zeigt nicht nur, dass die Sonntagsarbeit zunimmt, sondern auch, dass die Arbeitnehmer zunehmend unter Stress stehen. 62 Prozent derjenigen, die am Wochenende arbeiten müssen, fühlen sich sehr häufig oder oft gehetzt. Zum Vergleich: Unter den Beschäftigten, die nie oder nur selten am Wochenende arbeiten, sind es nur 46 Prozent.

"Während die Belastungen am Arbeitsplatz steigen, bleibt immer weniger Zeit für Erho- lung und Kultur, Familie und Kinder", sagt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach in Bezug auf die Studie. "Dieser Trend ist nicht gesund – weder für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch für die wirtschaftliche Entwicklung und auch nicht für die Kultur." Problematisch sei die zunehmende Sonntagsarbeit vor allem für Familien und Alleinerziehende, erklärt Buntenbach. "Welche Kita hat schon am Samstag oder Sonntag geöffnet?"

Das sieht übrigens auch die Arbeitgeberseite so. "Der arbeitsfreie Sonntag ist eine soziale Errungenschaft und als Tag der Ruhe, ohne Zwang zur Lohnarbeit, unverzichtbar", so das Statement vom BDA.

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